Das ehemalige Viktoriaspital und heutige Alterszentrum wird verkauft. Foto: Archiv

Ingenbohler Schwestern verkaufen das Berner «Viktoria»

Nach 120 Jahren ist Schluss (Update 2. Oktober).

Seit 1901 ist das ehemalige «Viktoriaspital» und heutige Alterszentrum im Besitz der Ingenbohler Schwestern. Nun verkaufen sie es an die schweizweit tätige, private Pflegeheimgruppe Tertianum. Über den Verkaufspreis ist nichts bekannt. Alle Verträge mit den Bewohner*innen und Angestellten sollen ihre Gültigkeit behalten.

Von Andreas Krummenacher

Das Alterszentrum Viktoria ist ein beeindruckender Jugendstilbau mit markanten Balkonen. Das Gebäude befindet sich rechter Hand, unmittelbar nach der Kornhausbrücke in der Stadt Bern. Das «Viktoria», wie es im Volksmund genannt wird, ist in einer eigenständigen Aktiengesellschaft organisiert, Besitzerin ist das Institut Ingenbohl, die juristische Körperschaft in Form eines Vereins des Ordens der Ingenbohler Schwestern mit Sitz in Ingenbohl, Kanton Schwyz. In einer Medienmitteilung vom 29. September teilen nun die Verantwortlichen des Alterszentrum Viktoria mit, dass die Provinzleitung des Instituts Ingenbohl beabsichtige, «das traditionsreiche Alterszentrum Viktoria im Zentrum von Bern an die Tertianum-Gruppe zu verkaufen». Die Verhandlungen stünden kurz vor Abschluss, die Übernahme sei auf den 1. Januar 2021 geplant.

Update, 2. Oktober: Im Alterszentrum Viktoria in Bern leben noch fünf Ingenbohler Schwestern. Oberin ist Sr. Johannes Maria Amrein (73). Die Schwestern bleiben auch nach dem Verkauf des Viktoria in Bern. Es ist aufgrund der Altersstruktur und des Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass das nur vorläufig sein wird. Die Kapelle bleibt ebenfalls bestehen.
Die letzten Wochen waren für die Ingenbohler Schwestern nicht einfach, wurde doch bekannt, dass sich die Kantonsschule Kollegium Schwyz (KKS) und das Theresianum Ingenbohl am Standort Schwyz zur gemeinsamen Kantonsschule Innerschwyz zusammenschliessen. Das Kollegium Schwyz ist eine Kantonsschule, das Theresianum in Ingenbohl eine Privatschule der Ingenbohler Schwestern mit kantonalem Auftrag. Die Schule hatte in den letzten Jahren einen bedeutsamen Schülerrückgang zu verzeichnen. Die Stiftung Theresianum stecke zudem, wie die Nachrichtenagentur SDA am 22. September schreibt, in einer «schwierigen finanziellen Situation».

Entscheid mit «eingehenden Überlegungen»

Für den Verkauf sprechen offenbar gewichtige Gründe. In der Medienmitteilung heisst es, die Schwestern müssten die personellen Ressourcen bündeln und «ihre Kräfte zunehmend für die verschiedenen Aufgaben innerhalb der Ordensgemeinschaft einsetzen». Hintergrund ist das hohe Durchschnittsalter der Schwestern. Dieses liegt bei über 70 Jahren. Allerdings muss festgehalten werden, dass das Alterszentrum längst nicht mehr von Nonnen geführt wird. Die Pflege, Hotellerie und die Verwaltung liegen in den Händen von rund 130 Angestellten. Verwaltungsratspräsident ist Daniel Kramer. Es gibt in Bern nur noch eine Hand voll Ingenbohler Schwestern, die meisten davon selbst pflegebedürftig. Angeführt wird die Gemeinschaft von der sehr aktiven und fitten Sr. Johannes Maria.

Laut Medienmitteilung fühlten sich die Ingebohler Schwestern als Besitzerin des Heimes «verpflichtet, einen aktiven Beitrag zur Führung des Alterszentrums Viktoria mitzuleisten». Das werde künftig nicht mehr möglich sein. Es sei daher ihr Anliegen, frühzeitig eine gute Lösung für einen «nachhaltig gesicherten Betrieb» zu finden.

«Chance für Kunden und Personal»

Die nun gefundene Lösung erachten die Schwestern als «Chance für Kunden und Personal». Bei der Suche nach einer Käuferin habe man ein Augenmerk auf die im Viktoria gelebten Werte wie «Respekt, Wertschätzung, Aktivierung und Qualität» gelegt. Die Tertianum-Gruppe biete Gewähr, dass diese Werte weiterbestehen und gelebt würden, heisst es in der Medienmitteilung. Man habe durchaus mit verschiedenen Interessentinnen Gespräche geführt, sich schliesslich für Tertianum entschieden.

Pflegeheim als Investment

Die private Pflegeheimgruppe Tertianum wechselte in der Vergangenheit verschiedentlich den Besitzer. 1982 in Bern gegründet, hat das Unternehmen seinen Sitz heute in Zürich und gehört seit diesem März der Investmentfirma Capvis. 

Diese ist darauf spezialisiert, Mehrheitsbeteiligungen an nicht börsenkotierten Technologie- und Serviceunternehmen zu kaufen und diese nach einer Zeitspanne von ein paar Jahren wieder gewinnbringend zu verkaufen oder an die Börse zu bringen.

Ob man Tertianum also an die Börse bringen will? In jedem Fall dienen hier Pflegezentren als Investment. Tertianum besitzt mittlerweile über 80 Wohn- und Pflegezentren sowie Residenzen in der ganzen Schweiz. Das sind 4700 Betten und laut Branchenmagazin «medinside.ch» betrug der Jahresumsatz 2018 weit über 200 Millionen Franken. 

Tertianum übernimmt vom Institut Ingenbohl, laut Medienmitteilung, 100% der Aktien an der Alterszentrum Viktoria AG. Über den Kaufpreis erfährt man nichts. Sämtliche Verträge mit den Bewohner*innen, den Pensionär*innen der Alterswohnungen, den Mitarbeitenden, den Mietern sowie den Partnerfirmen würden übernommen. Auch der Name bleibe bestehen.


Das Alterszentrum Viktoria hat für «Katholisch Bern» eine grosse Bedeutung. Das Haus wurde 1868 auf der Schänzlianhöhe in Bern in italienischem Stil erbaut. Die Pension Viktoria wird 1870 zunächst für Kurgäste, die ärztlich betreut wurden, als Sanatorium eröffnet. 1897 übernehmen auf Wunsch der Ärzte die Barmherzigen Schwestern von Ingenbohl die Führung des Hauses und nennen es fortan «Viktoriaspital», 1901 kaufen die Ingenbohler Schwestern das Haus.

1904 beginnt der Neubau des heute noch bestehenden Jugendstiltrakts, das ursprüngliche Gebäude bleibt noch bestehen, wird dann aber 1958 abgerissen. Hier entsteht ein neuer Eingangstrakt mit Bettenabteilungen, Behandlungsräumen und einer neuen Kapelle.

1990 erfolgt die Schliessung des Spitals und die Eröffnung als Alters- und Pflegeheim. Einige Bekanntheit erlangt das «Viktoria» 2004, als Papst Johannes Paul II. den katholischen Jugendtag in Bern besucht und im «Viktoria» übernachtet.

In der Viktoriaspitalkapelle finden bis heute Gottesdienste statt.

 


Die in der Schweiz als Ingenbohler Schwestern bekannte Ordensgemeinschaft ist als eigene Provinz Teil der  internationalen Gemeinschaft der «Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz». Ihre Satzungen verpflichtet die Mitglieder der Ordensgemeinschaft zu einem Leben «aus dem Evangelium nach den Idealen des heiligen Franziskus von Assisi». Gründer des Ordens sind Pater Theodosius Florentini, Kapuziner, und Mutter Maria Theresia Scherer.

 

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