Wir klammern uns krampfhaft an Dinge. Vergeblich! Leben lernen bedeutet loslassen lernen. Foto: fotolia/prachid

Irgendwie wahr

Nicola Mohler über Tod und Vergänglichkeit und schwer es ist, loszulassen.

Seit Anfang Jahr liegt so einiges im Argen – finde ich zumindest. Und damit beziehe ich mich nicht einmal auf die weltweiten Krisen und Konflikte, sondern vielmehr auf mein eigenes persönliches Umfeld.
Krankheit und Tod drängten sich in den letzten vier Monaten in den Vordergrund, drei mir liebe Menschen sind gestorben.

Der Verlust schmerzt. Die vorgeführte Vergänglichkeit macht Angst. Tröstende Worte fand ich bei dem tibetischen Mönch Sogyal Rinpoche. «Da Vergänglichkeit für uns gleichbedeutend ist mit Schmerz, klammern wir uns verzweifelt an die Dinge, obwohl sie sich ständig ändern. Wir haben Angst, loszulassen, wir haben Angst, wirklich zu leben, weil leben lernen loslassen lernen bedeutet», schreibt Sogyal Rinpoche in seiner Schrift «Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben».

Ja, dachte ich beim Lesen, ich klammere mich an meine Familie und Freunde. Will nicht, dass sie plötzlich nicht mehr da sind. In unserem krampfhaften Festhalten liege eine tragische Komik, schreibt Rinpoche weiter. «Es ist nicht nur vergeblich, sondern es beschert uns genau den Schmerz, den wir um jeden Preis vermeiden wollen.»

Während vieler Gespräche über den Tod und über die eigene Vergänglichkeit landete ich unausweichlich auch immer wieder bei Fragen zum eigenen Leben. Lebe ich mein Leben, wie ich es gerne möchte, oder tue ich Dinge in meinem Leben, weil die Gesellschaft sie von mir erwartet? Rinpoche schreibt: «Wir verbringen unser Leben in intensivem und angstvollem Kampf, in einem Strudel aus Hektik und Aggression, in ehrgeiziger Konkurrenz, in Greifen, Verlangen und Besitzenwollen und belasten uns unaufhörlich mit sinnlosen Aktivitäten und Vorhaben.»

Mit anderen Worten, wir lenken uns vom wirklichen Leben ab. Irgendwie wahr.

 

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Nicole Mohler 35, arbeitet für die Zeitung «reformiert.». Sie hat Arabistik studiert, mehrere Jahre im Nahen Osten gelebt und gearbeitet. Sie ist Mutter und lebt heute in Muri.

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