Die Hochzeit in Kana. Illustration: Martina Spinková, aus Lene Mayer-Skumanz – Martina Spinková, «Ich bin bei Euch – Die große Don Bosco Kinderbibel», © Don Bosco Medien GmbH München

Jesus mit Küchenschürze oder was ist eine gute Kinderbibel?

Geschichte und Geschichten zum Buch der Bücher für Kinderaugen: Religionspädagogin Esther Aeschlimann mit den Hintergründen und konkreten Tipps.

Kinderbibeln sind heute in grosser Zahl auf dem Markt. Bereits für die Babybadewanne gibt es die Noah-Geschichte, wasserfest in Plastik. Das Angebot richtet sich an immer jüngere Kinder. Das schwindende religiöse und biblische Wissen der Eltern und deren Wunsch, den Kindern «noch irgendetwas Religion» mitzugeben, und die Angst mancher Kreise vor dem kulturellen und religiösen Verlust unserer christlichen Kultur, mögen Gründe sein für deren Erfolg. Insofern sind sie «Zeitzeugen»: Manches, was an Vermittlung bei den Erwachsenen nicht mehr so klappt wird auf die Kinder «verlegt»: Verkehrsunterricht, Hygiene, Gesundheit, Anstand, Toleranz und biblische Geschichten. Darüber, was diese Geschichten vermitteln sollen, können und müssen, herrscht keine Einigkeit, wichtig scheint aber vielen, dass sie überhaupt vermittelt werden. Die Kinder mindestens müssen die Geschichten kennen.

Geschichte der Kinderbibeln

Ein Blick in die Geschichte der Kinderbibeln und deren Inhalte zeigt, wie eng deren Verbindung mit den jeweiligen Vorstellungen verbunden war, was denn einem Kind zu vermitteln ist. Einerseits wurden die Kenntnisse ausgewählter biblischer Geschichten angestrebt, andererseits die Einführung in den jeweiligen Glauben. Dies in Form von Frage und Antwort, wie in den Katechismen. So gab es Bibeln für «Kinder und Ungebildete», auch «Laienbibeln » genannt, «Biblische Historien» oder «Biblische Geschichten» genannte Ausgaben. Der Begriff «Kinderbibel» taucht erstmals beim Reformator Johannes Mathesius (1562) auf, der darunter eine Zusammenfassung der christlichen Lehre verstand.
In diesen Bibeln wird die weltliche Geschichte mit der Heilsgeschichte verbunden. Es gab Angaben zur Erschaffung des Menschen vor «ungefähr 4000 Jahren vor Christus» und auch die «Sündflut» wurde auf 2288 v. Chr. datiert. Teils wurden die Geschichten den jungen Menschen auch erzählt, um Gottes Strafen für schlechte Taten aufzuzeigen. Gott wurde dabei meist als alter strenger Mann dargestellt, der durchaus auch körperlich züchtigen konnte. Bis zur Aufklärung war man sich in Sachen Erziehung einig, dass solche abschreckenden Geschichten die Kinder zu frommen wohlanständigen, gottesfürchtigen Menschen erziehen halfen.
Mit dem aufkommenden Pietismus, nach den Schrecken des Dreissigjährigen Krieges, wurde eine «Pädagogik des Glaubens» angestrebt, moralisierende Verse ergänzten die biblischen Geschichten und Kinderbibeln waren Erbauungsund Erziehungsbücher zugleich, mit denen dogmatische Vorstellungen und eine eigentliche Ethik für Kinder vermittelt wurde.
Die Aufklärung hingegen brachte ein neues Bildungsverständnis mit sich und hatte von Kindern ein anderes Bild. Jetzt sollte besonders eigenes Denken angeregt werden. Entsprechend wurde in den Kinderbibeln das Textverständnis mit Fragen dazu gefördert, dazu gab es Lehren als Anwendungen für das eigene Leben und mit abschliessenden Versen sollte auch ein «frommes Verhalten» gefördert werden. Johann Hübners «Zwei mal zwei und fünfzig auserlesene Biblische Historien », erstmals 1714 erschienen, war eine der prägenden katechetischen Kinderund Lernbibeln und wurde bis 1902 in vielen Neubearbeitungen herausgegeben. In diesen Kinderbibeln werden die biblischen Texte nicht mehr direkt mit moralisierenden Ausschweifungen erweitert. Es wird aber durchaus angenommen, dass man an schlechten Beispielen lernen kann.
Diese Geschichten wurden gerne im Unterricht und in der Sonntagsschule erzählt, wenn auch im 19. und 20. Jahrhundert die Geschichten freier und dem Verständnis der Kinder angepasster erzählt wurden. Solche Bilderbibeln fanden auch den Weg in die Mission.

Bedeutung der Bilder und deren Entwicklung

Erste Bilder zeigen das Geschehen sehr realistisch und dramatisch auf. Je nach Zeitgeschmack und Funktion sind die Bilder moralisierend, dienen der Wissensvermittlung, in Zeiten der Unsicherheit auch heroisierend bis hin zu kitschig. Wird zuerst Gott als alter Mann dargestellt, kommen später symbolische Darstellungen dazu: als Dreieck, als Gottes Hand usw. Jesusdarstellungen zeigen zuerst den Lehrer undMeister, später verklärt mit wallendem blondem Haar, als Schönling bis hin zum emanzipierten Mann, der in der Geschichte von Maria und Marta eine Küchenschürze trägt. Schon früh gab es SchauBilder, die ein ganzes Geschehen aufzeichnen und memorieren helfen sollten. Ebenso nahm die Anzahl der Illustrationen mit der Entwicklung der Druckkunst zu und in den letzten Jahrzehnten fanden Kunstbilder Einzug in Kinderbibeln und namhafte Künstler illustrierten ganze Bibeln.
Heute erscheinen viele Bibeln nicht mehr in den klassischen theologischen Verlagen, Bilderbuchverlage bedienen den Markt eben falls. Für kleinere Kinder werden die Illustrationen besonders kindlich gehalten oder sie orientieren sich an dem, was sonst im Kinderbuchmarkt Trend ist, was nicht unbedingt den Geschichten dient. Bilder, die nicht vorrangig zeigen, wie es hätte sein können, die Raumlassen für eigene Entdeckungen und Deutungen, bleiben auch für grössere Kinder spannend und zeigen auf, dass hinter den Geschichten und aus verschiedensten Blickwinkeln betrachtet so manches zu entdecken ist.
Daneben gibt es neue Kinderbibeln, die mit grosser Sorgfalt und Umsicht gestaltet werden, die kindgerecht, und theologisch verantwortet Lust auf mehr machen. Interessant ist die Beobachtung, dass Gott kaum mehr dargestellt wird, dass auch einem symbolischen Gottesbild Rechnung getragen wird. Jesus ist nur selten «ganz» zu sehen, oft ist nur sein Rücken dargestellt. In den Bildern lassen sich theologische Aussagen sehr entdecken. Auch wird auf den Charakter der Texte, deren Kontext und Erkenntnisse der Bibelforschung hingewiesen. Daneben gibt es einen interessanten Markt an Bilderbibeln, die sich an Erwachsene richten, die Bilder mögen und gerne eigene Entdeckungen machen.

Religionspädagogischer Blick auf heute

Aus religionspädagogischer Sicht gibt es Anforderungen an Kinderbibeln, die einerseits den Blick auf das Kind in seiner Entwicklung und andererseits den theologischen Anspruch auf einen verantworteten sorgfältigen Umgang mit den Texten der Bibel im Fokus haben. Es gilt zu unterscheiden zwischen Übersetzungen für Kinder, Nacherzählungen der Texte oder Neuerzählungen der biblischen Geschichten. Kinder haben heute ein anderes Weltbild, leben in einer anderen Zeit und begegnen anderen ethischen und moralischen Vorstellungen. Zudem ist für sie eine religiöse und kulturelle Vielfalt selbstverständlich, religiös beheimatet sind aber wenige Kinder. Daraus ergeben sich neue Anforderungen: Es muss klar werden, dass in der Bibel nicht Gott mit den Menschen spricht, sondern die Menschen aus ihren Lebenserfahrungen von Gott berichten. Kinder haben ein feines Gespür für «Wahrheit» und entsprechend müssen sie die biblischen Geschichten «einordnen» können. Es geht um eine andere Wahrheit, die uns Impulse geben kann, unser Leben zu deuten auf «unseren Gott» hin. Gottesbilder entstehen in der Auseinandersetzung und im Deuten eigenen Lebens. Hier sind die Untersuchungen von Anna-Katharina Szagun* besonders aufschlussreich. In Rostock, wo die Mehrheit der Familien keine religiöse Zugehörigkeit mehr hatte, befragte sie Kinder über lange Jahre zu ihren Vorstellungen und Erfahrungen mit Gott und dessen Bedeutung in ihremLeben. Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Erfahrungen der Kinder und die Vorstellungen ihrer Bezugspersonen sich zu einem Gottesbild fügen. Sie konstruieren ihren Glauben aus dem, was sie sehen, hören, erleben und erfahren.
Dabei sind Erwachsene wichtige Begleiter, die über ihren Glauben sprechen, mit Kindern biblische Geschichten teilen und mit ihnen fragend nach dem Sinn und Ziel unseres Lebens unterwegs sind. Deshalb sollten Kinder den biblischen Geschichten zuerst in den Familien begegnen. Später sind weitere gute Erzählende und altersgerechte Bücher eine Bereicherung.

Was ist heute eine gute Kinderbibel

Die gute Kinderbibel gibt es nicht. Je nach Alter, Interesse und Geschmack ist auszuwählen. Weil Bilder sehr stark prägen, ist es auch gut, wenn nicht nur eine Bibel vorhanden ist und nicht alle Bilder vom gleichen Künstler stammen. Eine gute Kinderbibel
• enthält ein Vor- oder Nachwort mit Angaben zur Absicht der Autorin/des Autors
• informiert über die Entstehungsgeschichte der unterschiedlichen biblischen Texte
• macht deutlich, dass biblische Geschichten keine historischen Reportagen sind
• sie enthält Erklärungen zu biblischen Kernbegriffen und Sachverhalten
• enthält eine ausgeglichene Textauswahl aus dem Alten und Neuen Testament und würdigt die jüdischen Wurzeln unserer Glaubensbotschaft
• gibt Hinweise auf Bibelstellen
• enthält auch schwierige und provozierende Texte, erzählt von menschlicher Hoffnung und von Neuanfängen
• vermittelt ein vielfältiges Gottes- und Jesusbild
• nimmt auf Entwicklung und Verständnis der Kinder Rücksicht
• lässt Raum für Fragen und eigene Deutungen, moralisiert nicht
• ist dem Leseverständnis angepasst, die Sprache ist einfach, aber nicht banal
• enthält kindgerechte, aber nicht kindische Bilder, die bis ins Erwachsenenalter ansprechen
• regt mit Texten und Bildern Fragen an und fördert das generationenübergreifende Gespräch.

Esther Aeschlimann, Fachstelle Religionspädagogik

Alle Zeichnungen: Martina Spinková, aus Lene Mayer-Skumanz – Martina Spinková, «Ich bin bei Euch – Die große Don Bosco Kinderbibel», © Don Bosco Medien GmbH München

Hinweise
Sie suchen eine gute Kinderbibel? Klicken Sie sich durch unsere Empfehlungen!
• Eine Veranstaltungsreihe zum Thema Bibel findet im September im Reformierten Haus der Kirche an der Altenbergstrasse in Bern statt. Details finden Sie unter den Veranstaltungen.
• *Anna-Katharina Szagun; Dem Sprachlosen Sprache verleihen; Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und Gottesbeziehung von Kindern; edition Paideia 2014.

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