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Jüngstes Gericht

Sebastian Schafer denkt nach über Himmel und Hölle, Richter versus Kuschelgott und unseren moralischen Kompass

Glaubt man der Offenbarung des Johannes, so wird das Jüngste Gericht eine beeindruckende Sache. Feurige Berge, Heuschrecken, Erzengel, Meere aus Blut und der Drache Satanas – das und noch viel mehr erwartet uns am Ende aller Zeiten.

Mal im Ernst: Die schrecklichen Endzeitvorstellungen sind mit Vorsicht zu geniessen. Aber das Motiv des Gerichts und der «Reinigung» vor einer neuen, gerechten Weltordnung haben unser Weltverständnis zutiefst geprägt. Notabene verstand Friedrich Engels die klassenlose Gesellschaft nach der Revolution als nichts anderes als die Weiterentwicklung des «archaisch-christlichen» Reichs Gottes. Tatsächlich ist die theologische Perspektive des Weltgerichts eine hoffnungsvolle. Die Menschen werden gemäss ihren Taten auf der Welt gerichtet und, je nachdem, belohnt oder bestraft. Diese Vorstellung eines Richtergottes macht vielen Gläubigen heute Mühe – wie lässt sich das mit dem ewig liebenden, verzeihenden Gott in Einklang bringen? Tatsächlich sagte aber schon Kant, die Existenz eines richtenden Gottes sei für ihn evident. Da der Mensch mit einem moralischen Kompass ausgestattet sei, mache dies die Existenz einer richterlichen Autorität notwendig! Wozu sollten wir sonst Gut und Böse auseinanderhalten? Und tatsächlich muss man sagen: Was wäre ein Gott, der Kriegsverbrecher und Kriegsopfer absolut gleich behandeln würde? Irgendwie machtlos – und ungerecht. Ein Kuschel gott, der allen verzeiht, bietet keine Hoffnung auf Gerechtigkeit – ebenso wenig wie ein Rachegott, der Sünder*innen in die Hölle wirft.

Hier lohnt sich ein Blick auf das Wort «Apokalypse», griechisch für «Enthüllung». Die Enthüllung Gottes, was das Leben wirklich hätte sein können, sollen, muss für Menschen, die im Bösen gelebt haben, schrecklich sein: zu realisieren, wie sehr man sein Leben verschwendet hat. Diese Strafe der Konfrontation mit dem eigenen Versagen – das kann «Hölle» sein. Hörempfehlung dazu: Radio Alpin, «Boxenstopp mit Jesus», Der gesunde Menschenversand, 2005.

Sebastian Schafer

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