Auf dem Weg zur Messe: US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden zusammen mit seiner Frau Jill Biden vor der röm.-kath. Brandywine Kirche in Wilmington, Delaware. Foto: Reuters/Tom Brenner

Katholik Joe Biden

Der Glaube des neugewählten US-Präsidenten auf dem Prüfstand

Immer wieder hat Joe Biden im Wahlkampf um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten seinen Glauben, seinen Katholizismus ins Zentrum gerückt. Gleichzeitig wurde ihm dieser Katholizismus auch immer wieder abgesprochen.

Autor: Andreas Krummenacher

Hintergrund sind verschiedene gesellschaftspolitische Haltungen des 77-Jährigen. Joe Biden ist für die Selbstbestimmung der Frau. Er sei persönlich gegen Abtreibung, jede Frau aber müsse selbst entscheiden können. Er ist für absolute Gleichberechtigung in jeder Hinsicht – Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung dürfen für ihn keine Rolle spielen. Solche Haltungen machen ihn aber bei republikanischen, eher konservativen Wähler*innen und auch bei Teilen der US-Bischofskonferenz verdächtig.

Pfarrer Robert Morey von der St. Anthony-Kirche in der Diözese Charleston verweigerte Biden vor einem Jahr sogar die Kommunion. «Jede Person des öffentlichen Lebens, die sich für Abtreibung einsetzt, stellt sich ausserhalb der Lehre der Kirche», erklärte Morey gemäss der katholischen Nachrichtenagentur kna.

Rosenkranz und Messe

Die Begebenheit bestätigt jedoch ebenfalls übereinstimmende Berichte, wonach Joe Biden die Messe regelmässig besucht. Der ehemalige Botschafter der USA in Berlin, Phil Murphy, erzählte gegenüber der kna, Joe Biden habe selbst auf seinen Auslandsreisen als damaliger Vizepräsident an Sonntagen stets nach einem englischsprechenden Priester verlangt. «Dass er die Sonntagspflicht auf seinen Reisen so ernst nimmt, zeigt, wie viel ihm sein Glaube bedeutet», sagt Murphy. «Es ist ein ruhiger Glaube, ein echter Glaube.» Biden trage ihn nicht wie eine Monstranz vor sich her.

Und der ehemalige Stabschef Barack Obamas im Weissen Haus, Denis McDonough, weiss zu berichte, Joe Biden habe immer eine Rosenkranz dabei. Er habe die Gewohnheit, «in schwierigen Situationen ein stilles Gebet zu sprechen.»

Das Gebet bedeutet Joe Biden offenbar tatsächlich sehr viel, nach eigenen Aussagen vor allem nach diversen Schicksalsschlägen, beispielsweise dem Tod seine Sohnes Beau, der 2015 an einem Gehirntumor starb.

Biden ist in einer irischen Arbeiterfamilie in Scranton im Industriestaat Pennsylvania zur Welt gekommen. Den Rosenkranz lernte er in der Schule bei den Schwestern des Heiligen St. Josef. Dieses Gebet sei ihm besonders wichtige, habe es ihm doch geholfen, nachdem seine erste Frau Neilia und ihre einjährige Tochter Naomi 1972 bei einem Autounfall ums Leben gekommen seien. Die beiden Buben Hunter und Beau überlebten. 1977 heiratete Biden Jill Jacobs, sie bekamen noch eine gemeinsame Tochter, Ashley.

Papst Franziskus

Joe Biden wird von politischen Kommentatoren in den USA attestiert, dass er zuhören könne und wolle. Es interessiere ihn, was die verschiedenen Kirchenführer zu sagen hätten. Michael Wear etwa, der unter Barack Obama für Religionsfragen zuständig war, ergänzt: «Er hört, was die Bischöfe zu sagen haben, selbst wenn er mit ihnen mal nicht übereinstimmt.»

Im Wahlkampf hat Joe Biden immer wieder Papst Franziskus zitiert. Vornehmlich mit dessen Positionen zur Einwanderung, zur Solidarität mit den Armen, zum Klimawandel. Er bezeichnete sich dabei als «kulturellen Katholiken». Das alles führte zu Angriffen ultrakonservativer Gruppen in den USA. Sie nötigten Joe Biden verschiedene Statements zu veröffentlichen, in denen er betonte, dass es zwischen seiner Politik und seinem Glauben keine Differenzen gebe.

Noch am 2. November stellte er auf Twitter ein Video online, in dem er erklärte, dass die katholische Soziallehre ein grosser Vorteil für seinen Glauben sei. Seine politischen Ansichten würden sich danach richten: «Du bist der Hüter deines Bruders. Es spielt wirklich eine Rolle, was die anderen Menschen durchmachen. Ich wurde so erzogen, mich um andere Menschen zu kümmern. Werte wie Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Respekt, alle gleich behandeln – das sind die grundlegenden amerikanischen Werte. Und mein Glaube hat mich darin bestärkt.» 

Donald Trump

Verlässliche Angaben über die Religionszugehörigkeit und den Glauben von Präsident Donald Trump gibt es kaum. Gefirmt wurde er in der christlichen «First Presbyterian Church» in Queens, New York, einer evangelischen Kirche. Im Wahlkampf gab er sich überkonfessionell, teilte seinen Anhängern mit, er sehe sich jetzt als «nicht konfessionell gebundenen Christen»

Donald Trump ist mehrfach geschieden, hatte nachweislich Probleme mit Prostituierten. Sein ehemaliger Rechtsanwalt Michael Cohen hat ein Buch über seine Jahre mit Trump verfasst («Disloyal: A Memoir»). Die Geschichten und Anekdoten, die er darin erzählt, sind nicht sehr schmeichelhaft. Etwa jene, wonach Trump nach der Vereidigung ernsthaft gefragt habe, ob jemand den «Mist» darin glauben könne. Trump habe damit die Bibel gemeint, auf die er eben geschworen habe. Das ist nicht bestätigt, es bleibt Anekdote. Man kann bloss spekulieren.

Donald Trump hat zweifellos ein Gespür dafür, was besonders religiöse Christen anspricht. Er verspricht dem Christentum eine ungeteilte Vormachtstellung. Das Christentum gehöre an die Macht, so Trump mehrfach im Wahlkampf. Dieses Versprechen hat er auch umgesetzt. Er hat verschiedene wichtige Stellen und Regierungsposten mit sehr religiösen, sehr konservativen Menschen besetzt.

Vizepräsident Mike Pence etwa. Dieser trat während des Studiums aus der röm.-kath. Kirche aus, er bekennt sich seither zu den «born-again Christians», ist also ein sogenannt wiedergeborener Christ, und er bezeichnet sich als evangelikal.

Oder jüngst die Juristin Amy Coney Barrett, die als Richterin in den obersten Gerichtshof gewählt wurde. Mit ihr gibt es zum ersten Mal überhaupt eine katholische Mehrheit im amerikanischen Supreme Court. Amy Coney Barrett ist nicht bloss katholisch. Die Absolventin der privaten, katholischen «University of Notre Dame du Lac» hat zusammen mit ihrem Mann sieben Kinder, darunter zwei ursprünglich aus Haiti stammende Adoptivkinder. Die Familie gehört der charismatischen Laienbewegung der «People of Praise» (frei übersetzt «Volk der Lobpreisungen») an. Die Mitglieder dieser sogenannt neuen geistlichen Bewegung bekennen sich zur äussersten Rechten. Linke Medien werden nicht müde, sich über gewisse Praktiken dieser katholischen Gemeinschaft lustig zu machen, so sollen in den Gottesdiensten etwa Zungenrede und Geisttaufen praktiziert werden.

Jedenfalls verblassen für viele christliche Führungspersonen hinter all diesen Versprechen, den Verheissungen auf eine christliche Vorherrschaft in den USA und den verschiedenen Personalentscheiden die persönlichen und moralischen Fehltritte Donald Trumps.

Mehr Religion in einer Person geht nicht

Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris übrigens hat einen interessanten religiösen Hintergrund. Sie tritt zusammen mit Joe Biden für die Demokraten an. Ihre Mutter, Shyamala Gopalan, ist eine indischstämmige Hindu. Ihr Vater Donald J. Harris ist Christ, er wanderte als Jugendlicher aus Jamaica in die USA ein.

Kamal Harris ist seit 2014 mit Douglas Emhoff, einem jüdischen Amerikaner, verheiratet.

Kamala Harris bezeichnet sich selbst als Baptistin, mit Kenntnissen im Hinduismus und im Judentum. Die religiöse Erziehung habe in der «Afrikan American Church» in Oakland stattgefunden, gleichzeitig habe sie von ihrer Mutter die hinduistische Mythologie gelernt und auch ab und zu den Tempel besucht. Mehr religiöse Diversität in einer Person ist kaum möglich.

70 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung sind christlich. Die grosse Gruppe der Evangelikanen und jene der römisch-katholischen Kirche umfassen jeweils etwa 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung. Bleiben noch etwa 15 bis 20 Prozent. Dies sind die «Mainline Protestants», jene protestantischen Kirchen im gemässigten, liberalen Spektrum. Etwa 2 Prozent der Menschen bekennen sich zum Judentum, muslimische, hinduistische oder buddhistische Gemeinschaften machen je etwa ein Prozent aus. Ein Viertel der Menschen gehören keiner Kirche oder Religion an. (kr)

 

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