«Schockierend». Bischof Felix Gmür. Foto: jm

Keine Kirchenjobs für Täter

Bischof Felix Gmür ist schockiert über die Erlebnisse von Missbrauchsopfern in der Kirche. Und will mehr Prävention.

Der Basler Bischof Felix Gmür ist sprachlos über das, was Opfer von sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld ihm erzählt haben. Im Anschluss an die Bussfeier in Sitten erläuterte Gmür, wie die Mitarbeiter seines Bistums für die Thematik sensibilisiert werden.

Bischof Gmür, haben Sie selber schon mit Opfern von sexuellen Übergriffen gesprochen?
Felix Gmür: Ich habe mit einigen Opfern gesprochen. Ich bin sprachlos, weil das Geschehene schockierend ist. Ich bin nochmals sprachlos, weil die Betroffenen nicht gehört wurden oder man ihnen nicht geglaubt hat. Und ich bin schliesslich sprachlos, wenn Opfer mir sagen, dass sie selbst Schuldgefühle hatten wegen dem, was ihnen angetan worden war.

Was ist das Schlimme?
Der Vertrauensmissbrauch und das Heruntermachen dieses Menschen. Es ging immer um Macht. Die Opfer fühlten sich abhängig, hatten Angst, dass man ihnen nicht glaubt. Das ist die Grundkonstellation bei Übergriffen. Der Mechanismus ist ähnlich wie bei der Folter. Bei einigen Tätern denke ich, das müsse ein Sadist gewesen sein. Es ist wirklich schockierend, wenn es sich dabei um Priester oder um eine andere seelsorgerliche Vertrauensperson handelte. Da frage ich mich: Was sind das für Menschen?

Was geschieht seitens der Kirche mit den Tätern?
Es gibt eine Voruntersuchung auf kirchlicher Seite und dann werden Massnahmen ergriffen. Normalerweise werden sie aus dem kirchlichen Dienst entfernt, sie müssen zum Beispiel Therapien machen. Dabei lassen sich die kirchlichen Verantwortlichen von Fachpersonen aus dem Bereich der Psychologie und Psychiatrie, zum Beispiel von Täterspezialisten, beraten. Ausserdem sind die Vorgaben des Strafrechts einzuhalten.

Können solche Täter in den kirchlichen Dienst zurück?
Eine Rückkehr in den kirchlichen Dienst hängt von der Schwere des Vergehens, dann auch von der Einsicht und dem Schuldbewusstsein des Täters ab. So ist eine Rückkehr in den kirchlichen Dienst möglich, wenn zum Beispiel ein Täter über Jahre in therapeutischer Begleitung gewesen ist und die Fachperson gegenüber dem Bischof bestätigen kann, dass Missbräuche nach menschlichem Ermessen auszuschliessen sind. Ein neuer kirchlicher Dienst kann an Auflagen geknüpft werden – zum Beispiel eine Einschränkung im Aufgabenfeld. Auch ist eine enge Begleitung wichtig. Ist ein Täter nicht einsichtig und sich seiner Schuld nicht bewusst, so ist eine Rückkehr in den kirchlichen Dienst nicht zu verantworten. Bei sexuellen Missbräuchen gegenüber Kindern schliesse ich einen weiteren kirchlichen Dienst aus.

Die Schweizer Bischöfe wollen vermehrt auf Prävention setzen. Was heisst das für Ihr Bistum konkret?
Prävention bedeutet in erster Linie zu sensibilisieren. Seelsorger müssen mit Nähe und Distanz in ihrem Beruf verantwortet umgehen können. Ich biete alle, die von mir einen kirchlichen Auftrag, also eine Missio haben, zu einem halbtägigen Präventionskurs auf. In meinem Bistum sind das etwa 1100 Seelsorgerinnen und Seelsorger, von den jüngsten bis zu den ältesten. Wenn jemand nicht teilnimmt, wird das sanktioniert, auch seitens der Anstellungsbehörde. Darum gilt der Kurs auch als Arbeitszeit.

Interview: Sylvia Stam/ kath.ch/jm

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.