«Ich halte an der Hoffnung fest, dass der Geist Menschen bewegt.» Josef Wäckerle.
Foto: Pia Neuenschwander

Keine Schönwetterlegislatur

Synodalratspräsident Josef Wäckerle blickt auf eine ungewöhnlich reich befrachtete Legislatur zurück.

Synodalratspräsident Josef Wäckerle tritt zurück. Angetreten als Liberaler, der die verschiedenen Regionen hinter die «Erklärung von Bern» scharen konnte, erlebte er einige Ernüchterungen in einer ungewöhnlich reich befrachteten Legislatur.


«pfarrblatt»: Sie treten nach nur einer offiziellen Amtszeit und zwölf zusätzlichen Monaten zurück. Warum?
Josef Wäckerle: Vor meinem Antritt hat die Synode ja eine Neuorganisation beschlossen, die mit meinem Antritt wirksam wurde. Wir mussten also in der Exekutive mit der Hälfte der Personen die Arbeit aufnehmen und neu verteilen. Zusätzlich war die Verwaltung neu zu organisieren, inklusive Umzug der Verwaltung von Biel nach Bern, und eine neue Strategie für die Finanzplanung zu erstellen, weil Defizite drohten. Und dann waren da noch die Motionen auf politischem Parkett, die das Verhältnis Kirche und Staat in Frage stellten und zum bekannten Beschluss der Entflechtung führten. Das hat in der zweiten Hälfte der Legislaturzeit die Hauptarbeit verursacht. Ich bin 68 Jahre alt, da stellt sich für mich die Frage der «life balance».

Sie wurden vor vier Jahren auch deshalb gewählt, weil Sie die drei sehr unterschiedlichen Regionen Bern, Oberland und Mittelland hinter die «Erklärung von Bern» zusammenbrachten, die sich für kirchliche Reformen stark machte. Diese Einigkeit hat dann während der Amtszeit nicht mehr so gut gespielt.
Gut, wir hatten keine Schönwetterlegislatur. Sie war, wie erwähnt, reich befrachtet und wir konnten nicht immer nur gute Nachrichten überbringen. Es waren auch unpopuläre Entscheide notwendig.

Zum Beispiel?
Wir wollten beispielsweise aus finanzpolitischen Gründen den Heilpädagogischen Unterricht durch die Kirchgemeinden finanzieren lassen, weil die Schülerinnen und Schüler in den Kirchgemeinden beheimatet sind, den strategischen Teil aber auf Stufe Landeskirche belassen. Das fand keine Mehrheit. Die Synode begriff damals noch nicht, dass es fünf vor Zwölf ist, was die Finanzlage angeht.
Dann war auch die Personalaufstockung im Kommunikationsdienst umstritten. Es war uns aber klar, dass die traditionellen Angebote in Pfarreien wie Gottesdienste und Veranstaltungen rückläufige Teilnehmerzahlen haben, das Interesse an Kirchenthemen aber gestiegen ist. Wir wollten neue Wege der Kommunikation mit Kirchenfernen suchen; die politische Debatte generierte Kommunikations-Zusatzarbeit. Vermehrt wurde in Verhandlungen auch oft nicht mehr die Sache in den Mittelpunkt gerückt. Sportlich ausgedrückt, wurde auf den Mann statt auf den Ball gespielt.

Das Klima der Zusammenarbeit auf allen Ebenen wurde schwieriger, warum?
Innerhalb der katholischen Kirche und ihren jeweiligen Aufgabenträgern gibt es ein angeborenes Konkurrenzverhältnis zwischen Landeskirche, Kirchgemeinden und Bistum, zwischen Legislative und Exekutive. Das Problem ist, dass wir keine einheitliche Unternehmenskultur haben. Ein gewisses gegenseitiges Verständnis wäre da durchaus hilfreich.

Sie arbeiteten auch in Schweizer Gremien mit. In der Laudatio bei der Verabschiedung in der Römisch-katholischen Zentralkonferenz Schweiz RKZ hiess es, Sie hätten «klare Worte dem diffusen pastoralen Sound» vorgezogen.
Ich bin einer der lieber sagt, was Sache ist, auch wenn das unpopulär ist. Das pflegte ich auch in meinen Aufgaben innerhalb der RKZ so zu halten.

Was waren da Ihre Aufgaben?
Ich war dort Präsident der Fachgruppe, die Gesuche für die sprachregionalen Fachstellen, Jugend- und Erwachsenenverbände sowie die Bildung behandelte. Auch dort mussten wir Stärken bündeln und uns auf das Wesentliche konzentrieren. Ich arbeitete in zwei weiteren Kommissionen mit. Unbequeme Fragen musste ich überall stellen.

Was sind die Orientierungspunkte für die künftigen Verhandlungen mit dem Kanton im Zuge der Entflechtung und der Gesetzesrevision?
In der Stellungnahme an den Grossen Rat haben wir gesagt, was unsere Ziele sind.
1. Wir wollen die demokratischen Strukturen erhalten.
2. Wir stehen hinter unserer Doppelstruktur Staatskirchenrecht – dem Staat verpflichtet, und Kirchenrecht – dem Bistum verpflichtet.
3. Wir wollen finanziell mit den Reformierten gleichgestellt werden und sein. Denn im Vergleich mit den Gläubigenzahlen haben wir heute 20% weniger Kantonsstellen als diese. Das soll nun ausgeglichen werden. Die Reformierten verlieren Mitglieder, wir können unsere Zahlen dank der Migration gar steigern. Das muss auch Konsequenzen auf die Verteilung der Finanzen haben. Dabei hoffen wir auf die Weitsicht der Politiker.

Was heisst das für die ökumenische Zusammenarbeit?
Wir haben kein Problem. Die finanzielle Gleichstellung war und ist für uns immer eine Sachfrage, welche die ökumenische Zusammenarbeit nicht berührt.

Was soll die Römisch-katholische Landeskirche in Zukunft sein?
Aus staatlicher Sicht ist nun ein Standard erreicht, der uns auf Augenhöhe mit unseren Partnern stellt. Innerkirchlich haben wir klargemacht, dass wir ein Teil der Kirche sind. Die Bischöfe wollten aus den Landeskirchen blosse kirchliche Körperschaften machen. Dagegen haben wir uns, zusammen mit anderen kantonalen Landeskirchen, erfolgreich gewehrt. Und in den laufenden Verhandlungen über die Entflechtung Kirche und Staat bietet sich auch die Chance, die Aufgabenteilung zwischen Kirchgemeinden und Landeskirche neu zu ordnen.

Theologie ist Ihre Leidenschaft. Sie haben Ihr spätes Studium mit einer Arbeit über das II. Vatikanum abgeschlossen. Was fasziniert Sie an Theologie?
In der Jugendzeit bin ich nicht mit Theologie aufgewachsen, das Schwergewicht lag auf der Volksfrömmigkeit. Das führte dazu, dass ich einige Jahre kirchenfern lebte. Später setzte ich mich intensiver damit auseinander, was ich glaube und was ich nicht glaube. Das Theologiestudium systematisierte diese Auseinandersetzung. Die Arbeit über das letzte Reformkonzil zeigte mir zudem, dass es nicht ganz einfach ist, die vielen positiven Impulse, die das Konzil brachte, wirklich umzusetzen. Ich halte an der Hoffnung fest, dass der Geist Menschen bewegt, dass aus all den guten Impulsen aus dem Konzil etwas Zukunftsträchtiges entsteht, was den Menschen die Freude an der Kirche zurückgeben kann.

Interview: Jürg Meienberg

 

Die Synode tagt am 10. Juni, 14.00, im Rathaus Bern. Zur Eröffnung der neuen Legislatur wird um 13.00 in der Kirche St. Peter und Paul ein Gottesdienst gefeiert.
Geschäfte: Wahlen (Vorbericht), Rechnung 2015. Die Sitzung ist öffentlich.

 

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