Letztlich sind wir alle aufeinander angewiesen – Miguel Blanco Pérez.
Foto: Pia Neuenschwander

«Keine Zukunft ohne Migration»

«Die Missionen sollten Brücken sein zwischen der alten und neuen Heimat.» Der spanische Seelsorger Don Miguel Blanco Pérez über die spanische Migration und seine Karriere in Freiburg.

 

 

Vor bald 42 Jahren ist er in die Schweiz gekommen, um als Seelsorger die Spanierinnen und Spanier in Freiburg zu betreuen. Er wurde Nationalkoordinator aller spanischsprechenden Missionen in der Schweiz. Nun möchte er in Pension gehen, allein, es fehlt ein Nachfolger. Ein Besuch bei Miguel Blanco Pérez.

Bereits mit elf Jahren wurde Miguel Blanco in ein Internat geschickt. Er sollte Priester werden. Aufgewachsen ist er auf einem Bauernhof in Kastilien, in der Nähe von León. Dennoch sagt er: «Heute fehlt mir die Familie vielleicht noch mehr als damals. Denn heute versuche ich herauszufinden, wo meine Wurzeln sind.»

1975 war es, da wurde er angefragt, ob er nicht als Seelsorger nach Freiburg kommen wolle. Er kam, er kam gerne und «ich bin gerne geblieben», wie er betont. Internat, Matura, Priesterseminar, Studium der Theologie und Philosophie – alles hat er in León absolviert. Den Aufenthalt in Freiburg machte man Don Miguel Blanco mit der Aussicht schmackhaft, dass er an der «weltberühmten katholischen Universität» ein Lizenziat in Soziologie machen könne.

Die spanische Migration in die Schweiz war damals auf einem Höhepunkt. Die Menschen kamen in vollen Zügen an und waren hier dann sogenannte «Saisonarbeiter». Die Familien mussten in Spanien bleiben. Man traf sich in den Missionen und tauschte sich aus. Es ging um Alternativen. Miguel Blanco erklärt es so: «Man wollte eine bessere Arbeit finden, eine bessere Wohnung oder Informationen, wie man die Familie nachholen könnte.
Die Landsleute waren die erste und beste Informationsquelle. Jeder wusste etwas, konnte Tipps geben. Heute haben wohl die Sozialen Medien diese Funktion übernommen.» Anfang der 1980er Jahre, so erzählt es Miguel Blanco, kamen dann die ersten «Latinos». Es waren chilenische Flüchtlinge, verfolgt vom Diktator Augusto Pinochet.

Das Verhältnis zwischen Latinos und Spaniern in den Missionen sei heute zahlenmässig in etwa ausgeglichen, sagt der spanische Freiburger. Aktuell würden rund 200 000 spanischsprechende Menschen in der Schweiz leben: «Unsere Gemeinde setzt sich aus Menschen aus 23 Nationen zusammen. Die Unterschiede sind gross. Wir müssen Rücksicht nehmen, auf die religiösen Besonderheiten eingehen.»

Nach Bern führte ihn der Weg bereits 1976. Er musste Aushilfe leisten. Acht Monate dauerte dieser Einsatz. Der Kontakt ist seither nicht abgebrochen. Die Mission befand sich damals an der Länggasse. Später dislozierte man bekanntlich nach Ostermundigen. Zwischenzeitlich leitete er die Mission, seit 1997 ist er ständiger priesterlicher Mitarbeiter. 2007 wurde er dann Nationalkoordinator.In dieser Funktion sucht er Seelsorger und macht den Missionen Vorschläge. Ausserdem ist er für die Priester-Weiterbildung und die Organisation der Exerzitien zuständig.

Miguel Blanco ist ein grosser Marienverehrer. Er trägt die Muttergottes an einem Abzeichen am Revers. Voller Leidenschaft organisiert er Wallfahrten zur Heiligen Frau. Schon seit 1976 zu «Notre Dame de Bourguillon» in der Stadt Freiburg. Er ist sehr stolz darauf. Oder dann nach Einsiedeln. Bereits zum 33. Mal pilgern die Spanischsprechenden Mitte Oktober zur Schwarzen Madonna. «Es gibt eine Messe, ein Spectacle folklorique und ein Essen», schildert er mit leuchtenden Augen und ergänzt, dass rund 1000 Personen daran teilnehmen würden.

Dieser ganz eigene spanischsprechende Kosmos verträgt sich vielleicht nicht immer mit den Gewohnheiten der Ortskirche. Das Zusammenleben jedenfalls ist nicht frei von Spannungen. Für Miguel Blanco wäre eine echte «Communio», ein Miteinander, eine Gemeinschaft wünschenswert. Das könne man nicht erzwingen und hänge stark von den beteiligten Personen ab.
Am Ende des Tages aber würden wir einander alle brauchen.«Die Schweiz und die Kirche haben ohne Migranten keine Zukunft. Schlicht und einfach. Man muss darauf achten, so viele wie möglich gut aufzunehmen. Es braucht hier eine kluge Politik», sagt Miguel Blanco nachdenklich.

Laut einer Studie des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts in St. Gallen ist für die andersprachigen Missionen die Schweizer Kirche zu liberal. Auf der anderen Seite sind für viele Schweizerinnen und Schweizer die Missionskirchen zu traditionell. Miguel Blanco hat dazu klare Ansichten: «Jeder Ausländer, der sich nicht integriert, hat in der Schweiz keine guten Aussichten. Er oder sie hat keinen Erfolg. Fast alle aber wollen Erfolg haben.

Darum arbeiten sie viel, passen sich an. In der Schule oder in der Erziehung, in der Ausbildung der Kinder, im Beruf sowieso, und auch im Sport. Hier geschieht die Integration. Der religiöse Bereich aber ist eine andere Angelegenheit. Hier sucht man nicht Erfolg.

Man sucht Entspannung, geistige Nahrung, und das findet man nicht in einer fremden Sprache oder Kultur. Das kommt von innen.» Er würde auch nach 40 Jahren in der Schweiz von der «Madre de Dios» sprechen und «Padre nuestro» beten, einfach weil er es so von der Mutter gelernt habe.Er sagt aber: «Die Missionen sollten Brücken sein zwischen der alten und neuen Heimat. Aber nicht alle schaffen es, diese Brücke zu überqueren. Häufig gelingt das der ersten Generation nicht vollständig.»

Inzwischen ist er 75 Jahre alt. Er will in Pension gehen, die Bischofskonferenz hat ihn aber gebeten, weiterzumachen. Er sucht verzweifelt einen Nachfolger. Es finden sich aber selbst in Spanien keine Priester. Miguel Blanco hat vielen Bischöfen geschrieben, selbst die Aussicht auf ein Stipendium an der Universität Freiburg führte bislang nicht zum Erfolg.

Er bleibt derweil hier in der Schweiz. «Was will ich in einem Altersheim in Spanien», fragt er. Hier fühle er sich wohl und frei. Wenn es die Gesundheit zulässt, möchte Sacerdote Blanco Südamerika bereisen, um die religiösen Bräuche kennenzulernen und zu erleben. Und was ist mit dem Priestermangel der Spanischsprechenden in der Schweiz? «Wir würden auch den Papst nehmen», sagt er mit Schalk in den Augen.

Andreas Krummenacher


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