Prachtvolle, warme Farben in der Kirche St. Maria Foto: biel im bild

Kirche St. Maria: Ein Gesamtkunstwerk in Biel wird gewürdigt

An der Bieler Juravorstadt befindet sich ein wenig bekanntes Juwel: Die Kirche St. Maria. Nun wird dem Bauwerk ein Kunstführer gewidmet.

An der Bieler Juravorstadt befindet sich ein wenig bekanntes Juwel: Die Kirche St. Maria. Nun wird dem Bauwerk ein Kunstführer gewidmet, welcher im Dezember erscheinen wird. Die Historikerin Margrit Wick-Werder bezeichnet die Kirche im Interview als ein Gesamtkunstwerk. Für Pfarrer Jean-Marc Chanton strahlt der Raum eine unglaubliche Grösse aus.

 

Als ich zum ersten Mal die Kirche St. Maria besuchte, habe ich mich wie aufgehoben gefühlt. Was könnte solche Gefühle ausgelöst haben?

Margrit Wick-Werder: Ich habe auch schon von gegenteiligen Reaktionen gehört. Menschen, die hier ihren kirchlichen Unterricht besucht haben, fühlten sich von diesem Kirchenbau später abgestossen. Die Wirkung des Baus, ob positiv oder negativ, hat viel mit der persönlichen Geschichte und den eigenen Erfahrungen zu tun. Doch ich kann gut nachvollziehen, dass man sich in dieser Kirche geborgen fühlt.

Jean-Marc Chanton: Bei mir war es Liebe auf den zweiten Blick. Als ich vor Jahren während einer Primiz an einem Gottesdienst teilnahm, habe ich die Kirche als dunkel wahrgenommen. Vor allem habe ich empfunden, dass bis zum Kircheneingang so viele Treppentritte zu überwinden sind. Mit dem zweiten Blick habe ich dann die Schönheit der Farben in diesem Raum gesehen.

Diese starken, warmen Farben im Kirchenraum sind auffallend. Sie erinnern an südamerikanische Sakralbauten. Gibt es da einen Zusammenhang?

Wick-Werder: Mit Südamerika hat dies kaum etwas zu tun. Die Farbigkeit gehört aber sicher zum Kirchenbau-Konzept. Neben den Wänden sind auch die farbigen Mosaike und die Farbfenster zu erwähnen. Wie die Farbgebungen entstanden sind, ist nun Teil unserer Forschungen für diesen Kunstführer. Es existieren mehrere Entwürfe mit unterschiedlichen Farben. Offenbar hat ein Wettbewerb zur Ausmalung der Kirche stattgefunden.

Wie erleben Sie als Pfarrer den Kirchenraum, wenn Sie darin einen Gottesdienst feiern?

Jean-Marc Chanton: Dieser Raum strahlt eine unglaubliche Grösse aus. Er lädt dazu ein, grössere Bewegungen zu machen. Ich nehme wahr, dass ich mich in diesem Raum langsamer bewege, langsamer spreche. Es ist ein Raum der grossen Distanzen und zugleich der persönlichen Nähe, weil die Bänke rund um den Altar geordnet sind. Dies schätze ich sehr.

Was macht die Kirche St. Maria nun so ausserordentlich, dass ihr ein Kunstführer gewidmet wird?

Wick-Werder: Ausserordentlich ist das Zusammenspiel von Architektur, Farben, Mosaiken und Kirchenfenstern. Es gibt in der Schweiz kein zweites Beispiel für ein solches expressionistisches Gesamtkunstwerk. Was uns heute so fasziniert, sind diese ganz unterschiedlichen Elemente, die sich zu einem stimmigen Gesamten zusammenfügen. Dies kommt nach der Renovierung aufgrund der Liturgiereform sogar noch besser zur Geltung, weil der Altar ins Zentrum des Raumes gesetzt wurde.

Weshalb hat man sich seinerzeit für den Kirchenbauer Adolf Gaudy entschieden?

Wick-Werder: Der aus der Ostschweiz stammende Adolf Gaudy war zu seiner Zeit einer der bekanntesten katholischen Kirchenarchitekten in der Schweiz. Stark gefördert wurde er vom Einsiedler Pater und Kunsthistoriker Albert Kuhn. Es ist gut möglich, dass die Bieler Pfarrei sich nach Empfehlungen dieses Paters für Adolf Gaudy als Architekten entschieden hat. Für diese Wahl sprechen auch seine Erfahrungen bei Kirchenrenovationen.

Wir kennen barocke, romanische, gotische Kirchen. Ist die Kirche St. Maria auch einem bestimmten Stil zuzuordnen?

Wick-Werder: Es existert ein Begriff in diesem Zusammenhang: Der Reformstil. Das ist bauhistorisch eine spannende und auch schwierige Phase zwischen den Jahren 1890 und 1930. Eine ganze Generation von Architekten hat in dieser Zeit nach neuen Formen gesucht, wie zum Beispiel mit dem Jugendstil. Die Kirche St. Maria hat Elemente, die an den Jugendstil erinnern. Eine andere Form war der Heimatstil, der sich an lokaltypischer, traditioneller Architektur orientierte und auch die Aussensicht der Kirche St. Maria prägt. Der Innenraum hingegen, der uns heute so anspricht, ist stark expressionistisch beeinflusst. Der Mix von Stilen ist typisch für diese Epoche.

Den Neubau der grossen Kirche stellte man auf die alte Kirche, welche zur Krypta umfunktioniert wurde. Gibt es vergleichbare Bauwerke?

Wick-Werder: Ich persönlich kenne keine anderen Bauten. Normalerweise wird bei einer Kirchenvergrösserung das neue Bauwerk seitlich angefügt und die alte Kirche wird zum Chorraum oder zu einer Seitenkapelle. Auch Architekt Adolf Gaudy hat zuerst eine solche Lösung vorgesehen. Bei einem Augenschein vor Baubeginn hat ein Architekt Dumas aus Neuenburg zum ersten Mal die Idee einer doppelstöckigen Kirche vorgebracht. Pfarrer Jakob Lötscher nahm diese Idee auf und hat sie dann mit grosser Überzeugungskraft durchgesetzt.

Weshalb wurde fast vergessen, dass wir hier in Biel eine solch ausserordentliche Kirche haben?

Chanton: Wegen dem verbreiteten Vandalismus müssen wir unsere Kirchen schützen. Deshalb ist die Oberkirche St. Maria meistens geschlossen. Zwar haben wir eine starke Frequenz von Kirchenbesuchern, die zum Beten zu uns kommen, aber die gehen direkt in die Krypta, die tagsüber geöffnet ist. Auch Gottesdienste werden öfters dort gefeiert. Die meisten Leute nehmen deshalb an, die Krypta sei die Kirche. Die wunderschöne Kirche hingegen bleibt nahezu unbekannt. Das Wort "Krypta" bedeutet eigentlich "verborgen". Doch in der Pfarrei St. Maria ist es umgekehrt: Verborgen bleibt die Kirche und die Krypta ist offen zugänglich.

Die Kirche St. Maria hat auch eine spannende Geschichte. Wo zeigt sich diese im Bauwerk besonders deutlich?

Wick-Werder: In diesem Kirchenraum hat es der Wand entlang einen riesigen, mit Mosaiken gestalteten Kreuzweg. Das ist sehr auffallend, denn normalerweise wird der Kreuzweg innerhalb von Kirchen zurückhaltend auf kleinen Tafeln dargestellt. Der damalige Pfarrer Jakob Lörtscher hat aber ausdrücklich diese imposanten Mosaike gewünscht, wohl mit dem Gedanken, dass diese dann nicht so schnell einer späteren Renovation zum Opfer fallen können. Ich verstehe diese Mosaike nun als Erinnerung an den Kreuzweg, den diese Bieler Pfarrei selber während des Kulturkampfes Ende des 19. Jahrhunderts im Kanton Bern durchmachte, als sie unter anderem ihre Kirche den Christkatholiken überlassen musste. Aber das ist meine ganz persönliche Interpretation.

Der Kunstführer braucht noch eine finanzielle Unterstützung. Wie können sich die Kirchenmitglieder einsetzen?

Chanton: Durch ein Legat haben wir schon einen guten Betrag zur Verfügung für die Kosten von rund CHF 47'000.--. Wir möchten den Kirchenmitgliedern die Gelegenheit geben, auch einen Beitrag für die Aufwendungen einer Kunstführer-Seite zu spenden. Die Namen der Sponsoren und Sponsorinnen werden vorne im Kunstführer aufgeführt.

Interview. Niklaus Baschung

Sponsoren für Kunstführer gesucht
 
Eine Seite der Broschüre samt Fotographien und Übersetzungen kostet Fr. 1300.- Wir suchen Einzelpersonen und Firmen, die 1 Seite, ½ Seite, ¼ Seite oder einen beliebigen Betrag zur Realisierung des Führers beitragen.. Vielen Dank schon zum Voraus! Einzahlungen sind möglich: auf das Konto 30-106-9, zugunsten der Römisch-kath. Kirchgemeinde Biel und Umgebung, Administration, Postfach 4117, 2500 Biel/Bienne 4; Zahlungszweck: Finanzierung der Broschüre St. Maria.

Die Autoren des Kunstführers

Herausgeberin des Kunstführers (Umfang 36 Seiten; 50% Text, 50 % Bilder) ist die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK) mit Sitz in Bern.. Drei Autoren konnten für das Werk gewonnen werden: Die Kunsthistorikerin Brigitte Kurmann-Schwarz, Pieterlen; die Historikerin und Museologin Margrit Wick Werder aus Biel, welche unter anderem den historischen Teil der Ausstellung zum 150-Jahr-Jubiläum der röm.-kath. Kirche Biel kuratiert hat. Sowie der Kunst- und Architekturhistoriker Sylvain Malfroy, Neuenburg.

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