Kirchen müssen den Stil ihres politischen Engagements künftig gut überdenken, sagt Urs Brosi. Hier: Banner an der Marienkirche in Bern. Foto: zVg

Kirchen und Politik: «Wir müssen künftig sehr sorgfältig abwägen»

Kirchen müssen mit Beschwerden rechnen.

Sollen Kirchen politisch aktiv werden? Die Antwort des Bundesgerichts lässt es offen. «Nun können wir intern über den Stil diskutieren», sagt Generalsekretär Urs Brosi von der Thurgauer Landeskirche.

Von Ueli Abt/kath.ch

Das politische Engagement der Kirchen hat das Scheitern der Konzernverantwortungsinitiative (KVI) nicht verhindern können. Ein schützenswertes Interesse bestehe damit nicht mehr. Das stellt das Bundesgericht fest und geht deshalb inhaltlich nicht auf die Beschwerde der Jungfreisinnigen ein. Diese waren gegen das Engagement der Kirchen in der Abstimmungsfrage juristisch vorgegangen.

«Ich bin glücklich mit diesem Null-Entscheid», sagt Urs Brosi, Generalsekretär der Katholischen Landeskirche Thurgau. Sie ist eine der vier Landeskirchen – nebst Bern, Aargau und St. Gallen – gegen welche die Junge FDP eine Stimmrechtsbeschwerde einreichte.

Grundfrage bleibt offen

Damit bleibt die seit Jahren debattierte Grundfrage, in welchem Masse sich die Kirchen politisch engagieren sollen und dürfen, juristisch unbeantwortet. Zum Glück, wie Brosi findet. «Damit bleibt Raum: Wir können innerhalb der kirchlichen Gremien diskutieren, wie stark und in welcher Form sich die Kirchen in die politische Diskussion einbringen sollen.»

Für den Kirchenrechtler und Theologen ist nachvollziehbar, dass die Unterstützung von politischen Kampagnen nicht aus Staatsbeiträgen und auch nicht aus Unternehmenssteuern finanziert werden sollen. Schliesslich hätten Firmen kein Mitbestimmungsrecht innerhalb der kantonalen Körperschaften, im Gegensatz zu natürlichen Personen, die Synodalräte wählen oder an einer Kirchgemeindeversammlung Einfluss nehmen können.

Argumentation der Jungfreisinnigen geht zu weit

Die Argumentation der Jungfreisinnigen geht ihm allerdings klar zu weit. Diese befanden, die Kantonalkirchen hätten mit ihrer politischen Positionierung das Neutralitätsgebot verletzt. «Kirchen haben anders als eine staatliche Verwaltung keine Hoheitsrechte, sie erteilen beispielsweise keine Baubewilligungen», so Brosi. Das Neutralitätsgebot als vorbeugendes Mittel gegen mögliche Missbräuche mache nur dort Sinn.

Mit juristischen Vorgehen rechnen

Nach dem Bundesgerichtsentscheid ist für Brosi nun alles offen. «Das Damoklesschwert der Stimmrechtsbeschwerde hängt nun über uns», sagt er. Somit müsse man bei jeder politischen Abstimmung, in welcher die Kirche Position beziehe, mit Versuchen rechnen, auf juristischem Weg Einfluss zu nehmen. «Wir müssen uns vorbereiten, in welcher Form wir künftig politisch Stellung beziehen wollen. Und künftig besser überlegen, mit welchen Argumenten und in welchem Stil wir uns einbringen wollen.» Es spreche nichts gegen fundierte und sachbezogene Beiträge. «Wir müssen um das bessere Argument ringen.»

RKZ-Präsidentin: Kirchen sollen sich in Debatten einbringen dürfen

Auf Anfrage von kath.ch äussert sich auch RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger. «Aus Sicht der RKZ haben die Kirchen den Auftrag, die Botschaft des Evangeliums in der Welt von heute zur Geltung zu bringen.» Die RKZ stehe gemeinsam mit der SBK dafür ein, dass die Kirchen als gesellschaftliche Akteure ihre Kernanliegen auch in Zukunft öffentlich formulieren und in die politischen Debatten einbringen dürften. Das habe die RKZ bereits im Nachgang zur Abstimmung festgehalten.

Gleichzeitig betone die RKZ, so Asal-Steger, «dass in der Diskussion von kontroversen gesellschaftlichen und kirchlichen Fragen stets der nötige Anstand und gegenseitige Respekt zu wahren sind.» Weiter hält Asal-Steger fest: Das Bundesgericht habe die Beschwerde abgeschrieben und zugleich festgehalten, dass ein Interesse an der Klärung der Zulässigkeit von Interventionen von Landeskirchen und Kirchgemeinden im Vorfeld von Volksabstimmungen bestehe.

«Künftig sorgfältig abwägen»

Raphael Kühne, Administrationsratspräsident des katholischen Konfessionsteils des Kantons St.Gallen, stimmte im vergangenen November gegen die Konzernverantwortungsinititative. «Ich bin nicht überrascht», sagt er. Nach der Ablehnung der Initiative sei zu erwarten gewesen, dass das Bundesgericht inhaltlich nicht auf die Beschwerde eingehe. Bemerkenswert und wichtig ist aus Kühnes Sicht, dass die Bundeskanzlei zuhanden des Bundesgerichts das politische Engagement der Kirche als «zulässig, aber grenzwertig» einschätzte.

Konzernverantwortungsinitiative «zu weit weg» von Kantonalkirchen

«Wir müssen künftig sehr sorgfältig abwägen, in welchen Fragen wir uns äussern, und in welchen nicht.» Kühnes Antwort dazu: Je stärker eine Frage die Kantonalkirche betrifft, desto eher sei eine Stellungnahme gerechtfertigt. Das handhabe man im katholischen Konfessionsteil des Kantons St.Gallen gemäss dem eigenen Verhaltenskodex schon bisher so.

Demnach sei die Konzernverantwortungsinitiative «zu weit weg» von der kantonalen Körperschaft als Institution. Nach Kühnes Ansicht werde das für die meisten nationalen Abstimmungsvorlagen gelten. Nichtsdestotrotz hält er Stellungnahmen durch einzelne Kirchenvertreter für möglich.

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