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Kirchenaustritt bekannter Schweizerinnen

Bericht und Kommentar

Sechs bekannte Schweizer Katholikinnen treten aus der röm.-kath. Kirche aus. In einer Medienmitteilung heisst es, dass auch unter Papst Franziskus nicht zu erwarten sei, dass sich die Strukturen ändern würden. Frauenfeindlichkeit, Klerikalismus, ein patriarchales System und eine rigide, kriminalisierende Sexualmoral mache es als Feministin nicht länger möglich, dieser Kirche anzugehören, ohne die eigene Glaubwürdigkeit zu verlieren.

In seiner Generalaudienz am 10. Oktober legte Papst Franziskus die 10 Gebote aus. Beim fünften Gebot – «du sollst nicht töten» – kam er auch auf Abtreibung zu sprechen. Es gehe nicht an, ein «noch so kleines» menschliches Lebewesen zu töten. «Das ist, als würde man einen Killer beauftragen», so der Papst wörtlich.

Für die Politikerinnen Cécile Bühlmann, Monika Stocker und Ruth-Gaby Vermot, die Theologinnen Doris Strahm und Regula Strobel und die ehemalige Fastenopfer-Direktorin Anne-Marie Holenstein war das, laut der Medienmitteilung, der «letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen» gebracht habe. Sie hätten sich den Entscheid nicht einfach gemacht, doch nun sei genug, sie würden die katholische Kirche verlassen.

Die Feministinnen schreiben, dass man über Abtreibung geteilter Meinung sein könne. «Was aber am kirchlichen Nein empört: Frauen in einer Notlage werden zu Kriminellen gestempelt, während gleichzeitig Verhütungsmittel streng verboten sind. Wird eine Frau dann ungewollt schwanger, ist der Schutz des ‹ungeborenen Lebens› sakrosankt, die Lebenssituation der betroffenen Frauen dagegen wird komplett ausgeblendet. Die Frauen werden kriminalisiert, während die an der ungewollten Schwangerschaft beteiligten Männer überhaupt nicht in die Pflicht genommen werden.»

Die Frauenfeindlichkeit habe in der der «Klerikerkirche» seit Jahrhunderten System, schreiben die Frauen weiter. Zölibatäre Kirchenmänner würden über den Körper und die Sexualität der Frau bestimmen. Der Schutz der klerikal-zölibatären Männerkirche stehe über allem, wie aktuell die massiven Missbrauchsfälle und deren jahrzehntelange Vertuschung durch die Kirchenoberen zeigen würde.

Im letzten Abschnitt der Erklärung schreiben die Frauen, dass sie in den Ortsgemeinden eine andere Kirche erleben würden, die «unsere Werte von Geschlechtergerechtigkeit und einem guten Leben für alle Menschen vertritt». Sie würden dieser «anderen Kirche» mit ihren sozialen Engagements weiterhin verbunden bleiben.

Andreas Krummenacher


KOMMENTAR
Es ist eine traurige Nachricht, dass diese sechs engagierten Frauen die römische Kirche verlassen. Diese Kirche hat eine bald 2000-jährige Geschichte. Es ist eine Institution, die viele Schnittmengen mit der Gesellschaft, der Politik, der Bildung und auch der Kultur hatte. Die Gemeinsamkeiten werden immer kleiner.

Eine Kirche, so meine ich, muss nahe bei den Menschen sein, beziehungsreich muss sie Raum schaffen für Begegnung, Räume öffnen, wo das Evangelium gehört werden kann – auf vielfältige Weise. Die Verantwortlichen der Kirche müssen an der Seite der Menschen stehen, im realen Leben verankert sein. Hier müssen sie die Bibel immer wieder neu übersetzen. An der Seite der Menschen so reden, damit wir einander verstehen.

Dazu gehört auch, mit Menschen zu reden, die an der Schwelle der Kirche stehen. Es muss gelingen, ihnen die Räume zu öffnen, damit sie eintreten können. Wo und in welcher Form auch immer, vielleicht nur, dass sie das «pfarrblatt» lesen.

Wenn die Sprache aber nicht mehr verständlich ist, ausschliesst, quält, unterdrückt, kriminalisiert und wenn die Menschen merken, dass es nicht nur die Sprache ist, sondern reale Handlungen und Haltungen – dann verliert die Kirche diese Menschen für immer. Wir sind das Volk Gottes, wir gestalten Kirche. Wir alle sind beteiligt, wir alle sollten Teil sein, Subjekt sein dieser Kirche.

Von ihrer Anlage her ist die katholische Kirche ein weitgefächertes Konstrukt, eine allumfassende Institution. Vom Bettelorden bis zur akademischen Bildungsstätte, von der Managerbegleitung bis zur Gassenarbeit. Es gibt und gab aufmüpfige Frauenorden, Laienvereinigungen, stramm konservative Priestergemeinschaften und charismatische Gebetsgruppen. In diesem weiten Bogen eröffnete sich ein Spektrum an Positionen.

Identische Haltungen zu ethisch-moralischen Fragen hat eine Gruppe nur in einer Sekte, niemals in einer Volkskirche. Es ist gesund, wenn verschiedene Exponent*innen ihre unterschiedlichen Haltungen kundtun können. Das gibt Diskussionen, Meinungsaustausch, so erst kann man um Haltungen ringen, zu Haltungen kommen. Man bleibt lebendig und schmort nicht immer im selben Saft.

Es tut mir leid, dass diese Frauen aus der Kirche austreten. Es tut mir leid für die Kirche. Ihre Haltungen, Meinungen und ihr Engagement werden fehlen. Wir brauchen als Kirche die Herausforderung und als Menschen den Trost. Wer ihn spenden kann, soll ihn spenden – egal ob Mann oder Frau.

kr

 

Hinweise

Die Medienmitteilung und Stellungnahmen dazu finden Sie hier

Die «pfarrblatt»-Jahresseire 2016 widmete sich der «Kirche mit den Frauen». Darin gab es auch ein Kurzporträt von Regula Strobel und Doris Strahm.

Im Frühling 2012 gab Ruth-Gaby Vermot dem «pfarrblatt» ein Interview zum 70-Jahre-Jubiläum des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes: <link file:79504 _blank icon-file>«Sie sollen einfach lästig bleiben»

 

 

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