Die Gewächshäuser sind klimatisiert, vieles ist automatisch geregelt, die Wasserzufuhr jedoch nicht. Das erfordert grosses Fingerspitzengefühl.

Lernen und wachsen im Garten Eden

Über die einzige Gartenbauschule der Schweiz, die nach biologisch-dynamischen Grundsätzen arbeitet, und auch einen Nährboden für menschliches Wachstum bietet.

 

Umsichtig mit Boden, Wasser und Luft umgehen, die Pflanzen und deren spezifische Bedürfnisse kennenlernen und respektvoll mit anderen Menschen zusammenarbeiten – das wird den Lernenden an der Gartenbauschule Hünibach täglich vermittelt.

Von Susanne Glättli*

Die Gartenbauschule ist mit ihrer Ausrichtung auf biologischen Anbau einzigartig in der Deutschschweiz und gibt auch Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten eine Chance auf eine Lehrstelle. Der Erhalt einer Schule mit diesen Eigenschaften, findet die Erziehungsdirektion des Kantons Bern, sei nicht ihre Angelegenheit; sie will die Unterstützungsbeiträge im Rahmen eines Sparpakets streichen.

Eine alte Steinmauer zieht sich der Strasse entlang, darin eingelassen eine schmale metallene Tür. Ein Guckloch weckt die Neugier und lässt die Vorbeispazierenden einen Blick erhaschen auf das Dahinterliegende: blühende und bodendeckende Pflanzen in holzeingefassten Beeten, ein alter Apfelbaum, Mispel und Sanddorn, Holunder und Rosen – ein Klostergarten?
Nein, es ist die einzige Gartenbauschule der Schweiz, die nach biologisch-dynamischen Grundsätzen arbeitet. Sie bietet zurzeit 53 Lernenden einen Platz.

Am Hofeingang werden Setzlinge verkauft, weiter hinten liegt ein schön gestalteter Laden mit Gemüse, Blumenarrangements, Brot und Bio-Lebensmitteln. Die grossen Gebäude beherbergen Büros, eine Mensa, einen Verarbeitungsraum für die Floristen, Kühlräume für Gemüse und einen Raum zum Pikieren und Umtopfen. Dahinter reihen sich grosse Gewächshäuser, in denen bereits die Pflanzen für die nächste Saison heranwachsen.

«Die Gärtnerinnen und Gärtner sind den Jahreszeiten immer etwas voraus – wir bereiten schon den Frühling vor», erklärt Marianna Serena, Direktorin der Gartenbauschule Hünibach, während wir durch den kühl-herbstlichen Garten streifen. «Hier draussen sind die mehrjährigen Pflanzen, diese ertragen die Kälte gut und brauchen nur etwas Schutz vor dem Schnee.»

Menschliches und pflanzliches Wachstum

Im Pikierraum stossen wir auf drei angehende Zierpflanzengärtner, die winzige Sämlinge pikieren. Fingerspitzengefühl ist angesagt. Weiter hinten schichten zwei weitere Gemüsekisten aufeinander. Hier braucht es eher Kraft und klare Ordnung. Manuel Vogt und Nathanael Geng sind beide im ersten Lehrjahr. Manuel will sich nach der dreijährigen Lehre noch weiterbilden und vielleicht studieren.
Die Arbeit als Gärtner mache viel Sinn. Nathanael wollte schon von Anfang an Gärtner werden. Er habe sich für diese Lehrstelle entschieden, weil ihm der biologische Ansatz wichtig ist. Ja, und auch die Stimmung unter den Mitarbeitenden sei hier gut.

Die angehenden Gärtnerinnen und Gärtner müssen wissen – pro Pflanzenart –, wie oft und wie viel sie giessen müssen. Die Gewächshäuser sind zwar klimatisiert, das heisst, Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind automatisch geregelt, die Wasserzufuhr jedoch nicht. Um ein optimales Wachstum zu erreichen müssen die Lernenden also die Eigenheiten und Bedürfnisse der Pflanzen kennen. Denn wenn alles stimmt – Temperatur, Luftfeuchte und Wasserzufuhr –, wachsen sie rasch und können sich gut vor Schädlingen und Krankheiten schützen.

Den Boden erhalten und aufbauen

Auf dem Feld jenseits der Strasse, inmitten der Stauden, arbeitet jemand vertieft und ungeachtet des feinen Nieselregens. Hier wachsen die Mutterpflanzen – von ihnen schneiden die Gärtner und Gärtnerinnen regelmässig ein Stück Wurzel oder Triebe ab, um neue Pflanzen aufzuziehen.

Der Boden hier wird seit der Gründung der Gartenbauschule 1934 sehr schonend bearbeitet, nur selten fährt eine Bodenbearbeitungsmaschine darüber. Erde und Pflanzen werden mit Kompost gedüngt und mit biodynamischen Präparaten in ihrer Struktur gefördert.
So baut sich der Boden nicht ab, wie es bei intensivem Anbau mit mineralischen Düngern der Fall ist, sondern bleibt in seiner Qualität erhalten. Er kann Nährstoffe und Wasser gut speichern und langsam stetig den Pflanzen abgeben.

Unser Gespräch dreht sich weiter um die natürlichen Ressourcen Boden, Wasser, Luft und Klima: Sie alle sind essenziell für das gute Gedeihen. Die Gartenbauschule würde darauf achten, dass sie die Gewässer nicht mit Pestiziden oder Düngern belaste und die Lernenden sensibilisiere, immer wieder über die Pflanzenproduktion oder über den Gartenzaun hinaus an die Auswirkungen ihrer Aktionen zu denken. 

«Wir kontrollieren hier den Befall mit Trauermücken.»

Zurück im Gewächshaus, macht mich Marianna Serena auf die gelben Klebestreifen aufmerksam, die über den Pflanzentischen hängen. «Wir kontrollieren hier den Befall mit Trauermücken. Das sind winzige Schädlinge, die ihre Eier in die Erde legen.» Während andere Gärtnereien ein chemisches Mittel einsetzen, regulieren die Mitarbeitenden hier den Befall mit den Klebefallen und – wenn die Mücken überhandnehmen – mit einem biologischen Giessmittel.
Dieses enthält Bakterien, welche die Eier und Larven der Mücke schädigen. Wichtig sei aber, dass den Pflanzen optimale Bedingungen fürs Wachstum geboten würden. Denn so könnten sich diese besser selber schützen, und die Gärtnerinnen und Gärtner müssten weniger intervenieren.

Schade, können wir die aufgereihten Topfpflanzen nicht um ihre Meinung fragen: Sie stehen etwas stumm da. Ob sie einverstanden sind?

 

Jugendlichen eine Chance geben

«Etwa ein Drittel unserer Lernenden hatte Schwierigkeiten beim Einstieg in die Arbeitswelt. Wir möchten ihnen eine Chance geben, wenigstens eine Lehre zu beginnen», erklärt Marianna Serena. Dass nicht alle gleich parat sind, führe in den gemischten Teams zu Reibungen, und alle Beteiligten müssten lernen, mit unterschiedlichen Arbeitstempi umzugehen. Jeder habe seine eigene Geschwindigkeit.

Ein Teil der Lernenden wohne vor Ort in den Gebäuden, so dass auch Jugendliche von weiter weg die Lehre hier absolvieren könnten. Im Winter, wenn die Arbeitszeiten draussen kürzer seien, hätten sie gemeinsames Chorsingen und studierten ein Theaterstück ein, das dann im Dorf aufgeführt werde. Vielleicht ist das der Nährboden für menschliches Wachstum?

Dass sich so viele junge Erwachsene für einen Ausbildungsplatz an der Gartenbauschule interessieren, zeugt jedenfalls von einer guten Kombination von sozialem und fachlichem Lernen. Der Kanton hält eine solche Ausbildungsstätte aber offenbar nicht für sehr wichtig: Er will die Unterstützungsbeiträge im Rahmen eines Sparpakets streichen.

Private Gärtnereibetriebe sollen die Lehrlinge ausbilden. Es sei nicht Sache der Erziehungsdirektion, Jugendlichen mit Einstiegsschwierigkeiten eine vereinfachte Lehre anzubieten. Ausserdem sei der biologische Gartenbau in keinem gesonderten Berufsprofil festgehalten. Als ob wir in Zukunft keine gereiften jungen Erwachsenen mit praktischem Nachhaltigkeitswissen brauchen könnten.

*Susan Glättli ist Fachjournalistin, betreibt die Agentur «ecotext» in Bern und schreibt regelmässig zu Nachhaltigkeits- und Umweltthemen.

Homepage der Gartenbauschule Hünibach

Der Kanton Bern will die finanziellen Mittel an die Gartenbauschule Hünibach ab 2021 streichen. Dies bedeutet das Aus für die traditionsreiche Schule und Lehrwerkstätte! Es gibt eine Bewegung, welche das verhindern will. Dazu kann man die Online-Petition unterschreiben: https://rettet-die-gsh.ch

 

 

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