«Denn alle seid ihr einzig-einig in Christus Jesus» (Gal 3.28). Foto: Danielle Macinnes, unsplash.com

Mancherlei liebend

Die Segensfeier «herzwärts» zeigt seit 14 Jahren, dass unterschiedlichste Menschen sich als Liebende verstehen.

Die Segensfeier «Herzwärts» zeigt seit 14 Jahren, dass unterschiedlichste Menschen sich als Liebende verstehen.

von Felix Klingenbeck

Vor 15 Jahren beschlossen die Pfarreien und Missionen der katholischen Kirche der Region Bern, jeweils eine Segensfeier am 14. Februar durchzuführen, am Tag des Heiligen Valentins, Patron der Liebenden. Nur, wer sollte angesprochen werden? So lud man «mancherlei Liebende» ein und war gespannt, wer kommen würde.

Weit offene Türen

Die jährlich 50 bis 200 Teilnehmenden der Segensfeiern in den letzten 14 Jahren sind sehr vielfältig. Menschen, die schon seit Jahrzehnten verheiratet sind, nehmen teil, genauso wie frisch verliebte Paare. Ein einzelner Mann, der in seinem Beruf viele Menschen zu führen hat, ist da, genauso wie die alleinstehende Frau, die um Segen für die Beziehung zu den ihr anvertrauten Menschen bitten will. Einzelne gleichgeschlechtliche Paare sind mit dabei.

Eine Mutter kommt mit ihrer Tochter im Primarschulalter zur Feier. Ein Paar kommt zusammen mit Tochter und Schwiegersohn. Betagte Menschen finden sich genauso ein wie junge Erwachsene. Kurz: Die Situationen, in denen sich Menschen als Liebende verstehen, sind vielfältig. Die gewählte Formulierung «mancherlei Liebende» hat die Türen weit geöffnet. Was vor ein paar Jahrzehnten kaum ein Thema war, findet mittlerweile Beachtung: Die Vielfalt der Menschen ist grösser als gedacht. Die Natur und Identität der Menschen sind bunter als lange angenommen. Im Spannungsfeld von weiblich und männlich gibt es viele Zwischenformen – von der Biologie wie auch vom Erleben der Menschen her. Die geschlechtliche Orientierung der Menschen ist vielfältig: sich vom anderen oder gleichen Geschlecht angezogen fühlen, zu beiden oder zu keinem.

Noch vielfältiger wird es, wenn man in Betracht zieht, dass einige Menschen aufgrund ihres Erbguts, ihrer körperlichen Gestalt oder ihrer Hormone bei der Geburt nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. Die biologische Ausprägung oder das ihnen zugewiesene Geschlecht entspricht nicht bei allen dem, was sie sind oder wie sie sich empfinden. Die vielfältige Identität von Menschen ist eine Tatsache. Es sind Möglichkeiten, welche die Natur bereithält. Es ist, was es ist.

Biblischer Spielraum

In den Urgeschichten der Bibel, die in Erzählungen Grundlegendes über Gott und die Welt festhalten, heisst es: «Gott schuf den Menschen als sein Bild. Als Bild Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie.» Es geht im Text um den Menschen. Es heisst dort nicht Mann und Frau, sondern männlich und weiblich. Männlichkeit oder Weiblichkeit wird keinem einzelnen Individuum zugesprochen, sondern zwei Polen. Das lässt Raum. Ähnliches gilt im Galaterbrief, wo es heisst: «Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich und weiblich, denn alle seid ihr einzig-einig in Christus Jesus.»

Auch hier ist von männlich und weiblich die Rede. Auch hier lässt das Raum für eine Vielfalt an Ausprägungen rund um diese beiden Pole. Von der oben beschriebenen Vielfalt hatten die biblischen Verfasser keine Kenntnis. Grundlegend bleibt: Es geht um den Menschen als Menschen. 14 Jahre Erfahrung mit der Segensfeier «Herzwärts» am Valentinstag bestätigen, dass Menschen sich als mancherlei liebend verstehen. Das deckt sich mit Tatsache, dass die Natur und Identität der Menschen äussert vielgestaltig ist. Es ist ein Grundzug des Glaubens, dass es immer um Menschen geht, die nicht nach Herkunft, Geschlecht oder sozialer Stellung schubladisiert sein wollen. Im Alltag und in rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Diskussionen steht Christ*innen von ihrem Glauben her eine grosse Weite zu: Menschen in ihrer unterschiedlichsten Ausprägung als Spielart der Schöpfung zu schätzen und sie ganz einfach als Menschen zu sehen und zu achten.

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