Dr. Agnes Abuom. Foto: Magnus Aronson / WCC

Mann in Weiss, Lady in Black

Resümee und Dossier zum Papstbesuch vom 21. Juni in Genf. Ein erfreulicher Tag mit Wermutstropfen.

Ein hoher Gast wird unter blauem Himmel an diesem 21. Juni in Genf erwartet. Der ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) feiert seinen 70. Geburtstag. Der Besuch von Papst Franziskus wird als Pilgerweg der Dankbarkeit dargelegt, unter dem Motto «Gemeinsam unterwegs sein, beten und arbeiten». Franziskus‘ Anwesenheit ist «ein Zeichen der Hoffnung und der Ermutigung für die Mitgliedkirchen des ÖRK und viele Menschen guten Willens weltweit», so die ÖRK-Vorsitzende Agnes Abuom.


So bewegen sich die Kirchen auf einem Weg der Dankbarkeit: Dankbarkeit für alles, was in der Ökumene seit 70 Jahren erreicht wurde. Auch wenn die römische Kirche, die sich als katholisch – allumfassend – wahrnimmt, nicht Mitglied des ÖRK ist (oder vom Wesen her es kaum sein kann), vieles wurde schon gemeinsam und unter der Leitung des Heiligen Geistes erarbeitet: Gegenseitige Anerkennung der Taufe, Arbeit an einem gemeinsamen Verständnis von «Kirche», gemeinsame Friedensinitiativen, Engagement für Flüchtlinge, gegen den Klimawandel, Kampf gegen die Armut und für eine gerechtere Wirtschaftsordnung, Förderung des interreligiösen Dialogs.

Die Kirchen des ÖRK und die Römisch-katholische Kirche «machen gemeinsam mobil für nachhaltige Entwicklungsziele; sie bereiten gemeinsam die jährlich stattfindende – auch in Bern – Gebetswoche für die Einheit der Christen vor», erinnert Pastor Olav Fykse Tveit, ÖRK-Generalsekretär, in seiner Willkommensrede. Zeichen des göttlichen Segens / Papst Franziskus betont, dass die Zahl 70 biblisch an ein Zeichen des göttlichen Segens erinnere.

Er dankt dem ÖRK für sein Engagement für die Einheit der Christen, zeigt sich aber besorgt, dass die Ökumene und die Mission nicht mehr so eng miteinander verbunden seien wie am Anfang. Mission sei zentral, weil sie mit unserer christlichen Identität zu tun habe. Die Welt brauche eine neue Evangelisierung. Die Kirche Jesu Christi sei eine verkündigende Kirche, die über sich hinauszugehen habe, um das Licht des Evangeliums in die Welt zu tragen. Ökumene könne nicht gelingen, wenn man das Eigene retten wolle, argumentiert Papst Franziskus.

Wer Christus nachfolgen wolle, müsse «mit heiliger Hartnäckigkeit den Weg des Evangeliums wählen und die Schleichwege der Welt ablehnen ». Die getrennten Christinnen und Christen ermahnte der Heilige Vater dazu, «in der Vergebung fortzuschreiten». Dies gehe nicht «mit der dröhnenden Gangart der Machtanmassung, sondern mit jener, die dem Rhythmus eines einzigen Gebotes folgt: ‹Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst›». Gemeinsam zu gehen sei Christen «nicht eine Strategie, um grösser herauszukommen, sondern ein Akt des Gehorsams zum Herrn und der Liebe gegenüber der Welt».

Der Respekt aber auch die Liebe – das Wort ist nicht übertrieben – mit denen Franziskus in Genf empfangen wird, ist tief berührend. Auch das Selbstbewusstsein, das der ÖRK an seinem Tag ausstrahlt, ist begeisternd. Mit Bedauern / Gegen Ende des eintägigen Besuchs des Papstes wird eine Messe für die Bevölkerung gefeiert, an der etwa 40 000 Menschen aus Genf, dem naheliegenden Frankreich und der ganzen Schweiz teilnehmen. Schade, dass diese Vielfalt, die während des ganzen Tages sichtbar ist, plötzlich unsichtbar wird.

Zwar ist klar, dass Nicht-Katholiken nicht explizit zur Eucharistie eingeladen werden, aber ein Platz im liturgischen Ablauf hätte man Vertreterinnen und Vertretern anderer Konfessionen geben können. In Genf – der Stadt des Reformators Johannes Calvin, die lange mit einer Prise Ironie als protestantisches Rom bezeichnet wurde – arbeiten, beten und leben selbstverständlich Katholiken und Reformierte zusammen (um Vertreter anderen Konfessionen nicht zu nennen), oft ganz eng sogar. Einheit hat viele Farben / Es gibt kontrastreiche Bilder an diesem historischen Tag, die bei mir nachhaltig wirken.

Ein erstes Bild: Der ÖRK kommt als bunte, junge und – auch – weibliche Kirchengemeinschaft an. Eine koreanische Pfarrerin mit wunderbarer Stimme leitet den Gesang während des ökumenischen Gebets am Morgen, eine junge Samoanerin liest aus der Bibel, in der Eingangsprozession marschieren zwei junge Frauen. Die Vielfalt der Gewänder lässt die Vielfalt der Mitgliedkirchen des ÖRK ahnen, die Vielfalt der Gläubigen. Ein zweites Bild: Am Nachmittag sitzen sie nebeneinander: Der Mann in Weiss, ein Mann aus dem Süden, der sich Petrus‘ Nachfolger nennen darf, und Dr. Agnes Abuom, die Frau in Schwarz, aus Afrika, als Vorsitzende des ÖRK-Zentralausschusses deren höchste Vertreterin.

Die Kenianerin ist die erste Frau und die erste Afrikanerin an der Spitze einer Institution mit 500 Millionen Mitgliedern, ein Zeichen der Hoffnung für viele engagierte Frauen in der Kirche, auch ein Zeichen der Vitalität der Kirchen im Süden. Sie hat Schwarz gewählt, im Sinne der ÖRK-Kampagne «Donnerstags in Schwarz» – ein Appel, sich Donnerstags (und der Besuch des Papstes findet am Donnerstag, 21. Juni statt) schwarz zu kleiden als Erinnerung an Frauen, die sich einer Kultur der Gewalt und der Ungerechtigkeit widersetzen, damit niemand – Mann oder Frau, Mädchen oder Bube –, Vergewaltigung und Gewalt erleben muss.

Auch Agnes Abuom dankt dem Papst «für die neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen ÖRK und dem Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen». Ohne diese vielen Farben, ohne diese Vielfalt, wäre die Kirche bestimmt ärmer.

Anne Durrer
Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz AGCK.CH und Präsidentin «pfarrblatt»-Gemeinschaft

Hintergründe:

Der Ökumenische Rat der Kirchen

Historisch liegen die Wurzeln des ÖRK in einer Enzyklika des Patriarchats von Konstantinopel aus dem Jahr 1920, welche die Schaffung eines Kirchenbundes nach dem Vorbild des Völkerbundes forderte. Die Umsetzung wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg möglich. Nach dem Krieg ermutigte der Rat die Kirchen zum Ausbau ihrer Entwicklungshilfe und führte selbst Hilfsprogramme unter Flüchtlingen, Migranten und mittellosen Bevölkerungsgruppen durch.

Während des Kalten Krieges diente der ÖRK als Forum für den Dialog zwischen Ost und West. Seit der Vollversammlung in Nairobi 1975 verfolgt der ÖRK das klare «Ziel der sichtbaren Einheit im einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube».

Nach den Besuchen von Paul VI. 1969 und Johannes Paul II. 1984 in Genf ist es der dritte Aufenthalt eines Papstes beim Weltkirchenrat. Heute gehören 348 orthodoxe, protestantische, anglikanische sowie Pfingstkirchen dem ÖRK mit 500 Millionen Christinnen und Christen in 120 Ländern an. Sein Sitz ist in Genf.


Donnerstags in Schwarz

Der ÖRK erneuerte 2013 seine Kampagne «Donnerstags in Schwarz» und fordert Frauen und Männer auf, sich der Bewegung anzuschliessen und sich gegen eine Kultur zu erheben, die Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt zulässt. Ursprünglich war die Kampagne von bestehenden Frauengruppen wie den argentinischen «Müttern der Plaza de Mayo» inspiriert worden, die jeden Donnerstag vor dem Präsidentenpalast in Buenos Aires protestierten und Auskunft darüber forderten, was mit ihren Kindern geschehen war, die in der Zeit der früheren Militärdiktatur «verschwunden» waren.

Oder den Gruppen von schwarz gekleideten Frauen, die mit stillen Protesten in Israel und Palästina anfingen und sich später auch in anderen konfliktgebeutelten Ländern wie Ruanda während des Völkermords und Bosnien während des Balkankrieges ausbreiteten. Oder sogar noch vor allen die Black Sash-Bewegung (schwarze Schärpe) von weissen Frauen in Südafrika, die gegen die Anwendung von Gewalt im Apartheid-Regime protestierte.

 

Lesen Sie auch:

Die Rede von Dr. Agnes Abuom, Vorsitzende des ÖRK-Zentralausschusses, vom 21. Juni gibt es gibt es
hier als Download (PDF).

Theolog*innen machen sich an Papstmesse sichtbar. Artikel auf www.facebook.com/pfarrblattbern zur Tatsache, dass im Altarraum bloss Priester und Diakone zugelassen waren.

Dieses Thema greift auch Anne Burgmer vom Aargauer Pfarreiblatt «Horizonte» auf: Sichtbare Unsichtbare – Theologinnen und Theologen mit Albe in Genf.


«Einmal Papstmesse und zurück, bitte!» Erlebnisbericht von Anna di Paolo

Papst warnte vor kirchlich-konfessionellem Egoismus. Ein Kommentar des reformierten Schweizer Ökumene-Experte Martin Hirzel auf kath.ch.


Alle Texte und Reden des Papstes während seines Besuches in Genf gibt es hier.


Mehr als eine symbolische Geste, Einordnung durch Martin Hirzel vorab zum Papstbesuch in der Schweizerischen Kirchenzeitung 12/2018, hier als Download (PDF).

 

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.