Nächstenliebe, Licht, Glück. Foto: sol-b / photocase.de

Mein Bestes darf sichtbar werden

Gedanken zum Sonntag, 5. Februar

«Teile mit den Hungrigen, nimm die Obdachlosen auf!» Diese Aufforderungen aus der biblischen Lesung für den aktuellen Sonntag bringen zum Ausdruck: Nächstenliebe ist Christen- und Christinnen-Pflicht!

Doch wir spüren eine Spannung, wenn es um Menschen auf der Flucht geht, Menschen in Not oder Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben.
Denn es geht uns allen ähnlich: Wir hören den moralischen Anspruch und fragen, ob wir genug tun, und spüren vielleicht sogar ein Gefühl von Schuld.

Nächstenliebe macht glücklich
Doch der Text zum heutigen Sonntag im 58. Kapitel des Propheten Jesaja sagt noch etwas anderes, das wir vor lauter Moral-Botschaft schnell überhören: Engagement für Menschen am Rand ist nicht eine einseitige Angelegenheit: Wenn du hilfst, dann «geht dein Licht auf» und «die Finsternis wird hell»! Da-sein für andere Menschen heisst erst einmal, mich auf anderes, Unbekanntes einlassen – darum liegt dieses ja am Rand, darum ist es ja nicht dort, wo ich Obdach habe, wo ich – auch im übertragenen Sinne – zu Hause bin. Nun hat dieses Mich-Einlassen auf das, was ausserhalb liegt, zuerst einmal eine ganz direkte Wirkung auf mich selber: Erst wenn ich mit diesem Andern, Fremden, Nackten in Kontakt trete, kann ich mein eigenes Licht entdecken, erst dann bricht Glück auf.
In der Nächstenliebe geht es nicht nur darum, dass es andern besser geht, sondern dass wir uns selber sein und Gott in die Welt bringen können. Der Evangelist Matthäus führt dies aus, wenn er schreibt: «Ihr seid das Salz und Licht der Erde». Was Jesaja zum Einzelnen sagt, gibt Matthäus allen jenen weiter, die bis heute von Jesus Christus begeistert sind.

Sich selber werden
Als Christinnen und Christen sind wir eingeladen, einzeln unser Licht in unsere Beziehungen und als Gemeinschaft in die Gesellschaft einzubringen, damit Gott wirkkräftig wird. Die Bibeltexte des heutigen Sonntags ermutigen uns, unsere Rolle als Christinnen und Christen im Einzelnen wie als Gruppe in die Gesellschaft einzubringen: Wir machen den Kern christlicher Wertorientierung für uns und andere lebendig, indem wir Menschen am Rand helfen. Daraus wächst, dass wir wirklich uns selber werden und leuchten, dass wir Glück in der Welt sichtbar machen können und Gott in die Welt bringen dürfen.

Thomas Wallimann

 Thomas Wallimann-Sasaki ist Theologe und Sozialethiker. Er ist Präsident a.i. der Nationalkommission «Justitia et Pax» der Schweizer Bischofskonferenz

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