Sorgten für das leibliche Wohl: Migrantinnen und Migranten aus der Region Thun. Foto: gls

Menschen bedeuten Verantwortung

Ende Mai wird das Bundesasylzentrum in Thun geschlossen. Wir waren am letzten Infoabend dabei.

Ende Mai wird das temporäre Bundesasylzentrum (BZ) auf dem Waffenplatz Thun geschlossen. Seit der Inbetriebnahme im Dezember 2015 engagierten sich verschiedene Organisationen und Freiwillige für asylsuchende Männer, darunter auch Freiwillige vom Verein «Kirchen in Thun» (Akit). Mitte April lud die katholische Pfarrei St. Marien Thun zu einem Infoabend mit anschliessendem Nachtessen ein, zubereitet von Flüchtlingen.

«Zusammenkommen ist ein Beginn – zusammenbleiben ein Fortschritt – zusammenarbeiten ein Erfolg.» Mit Henry Fords Zitat begann der spannende Infoabend der Freiwilligenarbeit der Kirchen über die Einsätze im BZ Thun. Damit schlugen Koordinator Michael Bütikofer von der federführenden Betreuungsfirma «ORS Service AG», Kenana Korac von der Zentrumsleitung, Erika Urech von der Evangelischen Allianz RaumThun (Earth) und Hans Weber vom Verein «Kirchen in Thun» (Akit) auch den Übergang zu Apéro und Nachtessen, zubereitet und serviert von einer fröhlichen Schar von Pfarreimitgliedern aus Sri Lanka und einer Flüchtlingsfamilie.
«Der Aufruf zur Arbeit für Asylsuchende hatte ein grosses Echo», freute sich Hans Weber im Grusswort. «Deshalb wollten wir Christen etwas auf die Beine stellen und wurden dabei zu einem respektablen Team zusammengeschweisst. Nächsten Monat wird das Zentrum aufgelöst, trotzdem behalten wir die Organisation aufrecht und stehen der Gemeinde Thun zur Verfügung – wenn es uns braucht.»

Das A und O von Einsätzen der Freiwilligenarbeit im Auftrag des Staatssekretariats für Migration – klare und überschaubare Strukturen – bestätigte Michael Bütikofer. Das Anliegen der Freiwilligenarbeit: «Wir arbeiten mit Menschen und übernehmen Verantwortung.» Die Komplexität hatte sich aus der ungewohnten Ausgangslage des BZ Thun ergeben: «Wir mussten Beschäftigungen anbieten in einer Halle, wo zugleich gegessen und geschlafen wird.»
Nach dem geordneten Eintritt geflüchteter Männer aus verschiedenen Kulturen und Religionen standen Hausregeln im Vordergrund. Dazu verhalf die Organisationsstruktur mit kurzen Wegen und klaren Informationen, «wer was machen kann und darf».
Abendliches Ausgehen war untersagt. Wobei für Sanktionen ausschliesslich das Staatssekretariat zuständig war. Zur Wahrung des Datenschutzes durften die Asylsuchenden intern nur mit zur Verfügung gestellten Handys ohne Kamera und Internetzugang telefonieren. Allerdings mit eigener SIM-Karte, deren Einsatz ausserhalb des Asylzentrums nicht überprüft werden konnte. Nicht gebrauchte Kleider werden laut Bütikofer nun ins Asylzentrum im ehemaligen Berner Zieglerspital weitergereicht.

Erika Urech zeigte sich von den positiven Erlebnissen stark beeindruckt. Von der Kleidersammlung, die nach anfänglichemChaos bald geordnet abgelaufen war, über das Internetcafé in der Stadtbibliothek bis hin zu den Deutschkursen. Ebenfalls von den Begegnungen in der Open Church, in der die evangelische Allianz und die katholische Kirche Gottesdienstbesuche ermöglicht hatten. «Wir arbeiteten mit den Leuten, die sich gemeldet hatten, zusammen. Wenn man hilft, ist die Marke oder die Herkunft plötzlich nicht mehr wichtig. Verschiedene Gemeinden hatten ein Ziel, nämlich den Kontakt von Mensch zu Mensch zu ermöglichen.»
Lachend erzählte sie: «Mir fiel auf, wie viel Kuchen die Menschen assen.» Sie erinnerte sich: «Ein 15-Jähriger verabschiedete sich von mir mit dem Gruss: «Danke, Mama.» Ihr Fazit: «Wir haben Spuren hinterlassen und hoffen, die nächsten werden noch mehr Spuren hinterlassen.»

Michael Bütikofer bestätigte: «Es geht immer weiter, nach dem Aufenthalt in Thun bei den Kantonen und Gemeinden. Die Asylsuchenden machen einen langen Weg und überall bleibt etwas hängen.» Er fügte an, «imWissen einer temporären Situation konnten wir das Bestmögliche herausholen.» Bütikofer fasste die Erfahrungen wie folgt zusammen. «90 Prozent der Asylsuchenden schätzten unsere Angebote, leider wird meist nur von den restlichen zehn Prozent berichtet. Die gemachten Erfahrungen nach flexiblen Anpassungen an die hiesige Situation werden nach der Schliessung nicht versanden, wir geben sie an andere Zentren weiter.»

Für den Freiwilligeneinsatz dankte auch Kenana Korac, die vorher in einem Kantonszentrum gearbeitet hatte. «Nach der Eröffnung des Zentrums blieben nur fünf Tage, um von null auf hundert zu fahren.» Die Inbetriebnahme einer zweiten Halle hatte die Situation entschärft. Das Staatssekretariat für Migration war von maximal 600 Plätzen ausgegangen. 450 Männer waren schliesslich zugeteilt worden; derzeit sind es noch deren 102. Keine Ausnahmesituation vorausgesetzt, würde die Anzahl Asylsuchender bis zur Schliessung Ende Mai «tendenziell eher abnehmen », gab sich Kenana Korac vorsichtig überzeugt.

Guido Lauper

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