Mit Hagar in der Wüste

Gott sprach: Hagar, Sklavin von Sarai, woher kommst du? Und wohin gehst du? (Gen 16,8)

Seit mehr als fünf Jahren lese ich den kurzen Text immer wieder, ich grüble, lese, denke, er lässt mich nicht los.
Hagar ist Sklavin, nicht einmal über ihren eigenen Körper kann sie selbst  bestimmen. Sie ist ganz unten auf der Skala des Ansehens. Hagar nimmt ihr Leben in die Hand und flieht aus der ihr unerträglichen Situation. Sie flieht in die Wüste, zu einem Brunnen. Hier trifft sie Gott.

Gott findet sie, heisst es im Text, und spricht sie mit Namen an: «Hagar, Sklavin von Sarai, woher kommst du? Und wohin gehst du?» Eigentlich ganz simple Fragen, wie zum Anknüpfen eines Gesprächs.
Es sind aber gleichzeitig Fragen, die ins Zentrum der Existenz weisen. Woher? Wohin? Es sind Fragen, die ich aus vielen Märchen kenne. Für eine (auf)richtige Antwort wird dort die Heldin oder der Held mit einem zukunftsweisenden Hinweis belohnt. Auch Hagar erhält einen solchen.

Er ist schrecklich und grossartig. Er lotet die Grenzen der Existenz aus. Hagar versteht. Sie sieht sich selbst und ihr Leben mit neuen Augen, neuer Einsicht. Und sie tut, was sonst in der ganzen Bibel niemand tut: Sie gibt Gott einen Namen.
Seit mehr als fünf Jahren gehe ich immer wieder mit Hagar in die Wüste, finde mich gefunden, angesprochen. Ich frage nach dem Woher und dem Wohin, benenne, was mich bewegt. Immer  neu mich den Fragen Gottes stellend. Immer neu mich von den Antworten an die Grenzen bringen lassend.

Moni Egger (1976),
Fachmitarbeiterin Fachstelle Katechese – Medien, Aarau, FAMA-Redaktorin. Ihre Dissertation zu Hagar erscheint im Herbst 2011 im Herder Verlag.

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