Spitalseelsorger Helmut Finkel. Foto: Pia Neuenschwander

Mit Helm und Hostie

Spitalseelsorger Helmut Finkel im Interview.

 

Helmut Finkel ist seit Dezember 2019 Haus-, Heim- und Spitalseelsorger in Interlaken. Im Interview spricht er über seine Arbeit, für die er ein offenes Herz und Ohr, Fingerspitzengefühl sowie einen Rucksack an Erfahrungen im Umgang mit schwierigen Situationen mitbringt.


Interview: Anouk Hiedl


Was macht gute Spitalseelsorge aus?

Da sollten Sie im Spital nachfragen und mir die Antworten weiterleiten. So kann ich sicher noch einiges lernen. Ich sehe mich als Zuhörer, der kommt und da ist, der spürt, reflektiert und begleitet. Empathie, Nächstenliebe, Gelassenheit und etwas Humor gehören sicher auch dazu.

Sie fahren im Sommer oft mit dem Motorrad zur Arbeit. Was geht Ihnen da durch den Kopf?

Ich sehe die Berge, den See und die Schönheit der Natur. Ich sehe Menschen unterwegs, und meine Gedanken sind dort, oder ich gehe meinen geplanten Tag durch und freue mich auf die Begegnungen. Oder ich singe unterm Helm ein Lied. Oft denke ich auch nichts, konzentriere mich auf den Verkehr und bin ganz bei mir. Vor den Zimmertüren ist es ähnlich. Ich erkundige mich selten vorab über den Grund des Spitalaufenthalts. Wenn sie möchten, erzählen mir die Menschen darüber. Wenn kein Gespräch möglich ist, bin ich einfach mal da, beobachte und versuche, den Menschen zu spüren.

Wann werden Sie gerufen?

Nach einer schwierigen Diagnose, nach Unfällen oder wenn sich das Leben dem Ende zuneigt. Bei ethischen Fragestellungen oder auch bei Fragen im Rahmen einer Patientenverfügung. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Ich besuche weit mehr Menschen, zu denen ich nicht explizit gerufen werde.

Inwiefern unterscheiden sich Seelsorgegespräche mit Patient*innen und medizinischem Personal?

Die Themen sind oft dieselben. Ich kann mit einem Patienten genauso über eine schwierige Familiensituation sprechen wie mit einem Spitalmitarbeitenden. Auch Sterben und Tod sind Themen, die uns alle betreffen. Freudige Ereignisse gibt es natürlich auch, darüber zu sprechen fällt wohl allen leichter.

Wie gehen Sie aus einem Seelsorgegespräch heraus?

Meistens recht gut. Wenn es mal nicht gut gelaufen ist, versuche ich, dem auf den Grund zu gehen. Habe ich etwas überhört oder nicht bemerkt? Dinge, die ich nicht lösen kann, nehme ich mit ins Gebet. Oft bleibt gar nicht viel Zeit, um lange darüber nachzudenken. Im nächsten Zimmer erwartet mich eine neue Situation.

Was halten Sie schwer aus? Was tun Sie in solchen Momenten?

Schwierig sind für mich Ereignisse, die Kinder, Junge oder Menschen betreffen, die ich gut kenne. Da versuche ich, Gedanken und Gefühle in der Stille zu sortieren. Auf dem Motorrad funktioniert das auch bestens. 

«Das innerliche Gebet ist ein Gespräch mit einem Freund, mit dem man oft und gern allein zusammenkommt, um mit ihm zu reden, weil man sicher ist, dass er uns liebt.» 
Theresa von Avila

Ein Austausch mit dem reformierten Kollegen im Spital oder im Pfarreiteam hilft ebenfalls. Gute Rückmeldungen gibt es auch in Weiterbildungen und der Supervision. Die Schweigepflicht wird immer gewahrt. Seit meinem 14. Lebensjahr bin ich bei der Feuerwehr. Ich war im Care Team und 20 Jahre in der Krankenpflege tätig, lange auch im Fachbereich Psychiatrie. So habe ich einige gute Instrumente im Umgang mit schwierigen Situationen mitbekommen. Wenn ich merke, dass etwas nicht stimmt, frage ich mich stets: Wann habe ich das letzte Mal gegessen, getrunken, geschlafen, gebetet? Stelle ich einen Mangel fest, gilt es, diesen umgehend zu beheben.

«Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.»
Theresa von Avila

Seit Jahren begleitet mich ein Gebet von Teresa von Avila, das man nach ihrem Tod fand. Für mich ist es bis heute hochaktuell: «Nichts soll dich verstören, nichts dich erschrecken, alles vergeht, Gott ändert sich nicht. Geduld erlangt alles; wer Gott hat, dem fehlt nichts: Gott nur genügt.»

Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Wirkt sich das auch auf die Spitalseelsorge aus?

Spitalseelsorge kann von allen Patient*innen, deren Angehörigen und von Spitalmitarbeitenden beansprucht werden. Ich frage nicht nach, ob die Kirchensteuer pünktlich bezahlt wurde. Ökumenische und interreligiöse Zusammenarbeit ist wichtig. Die Gespräche sind unabhängig von der Weltanschauung. Wünscht jemand die Krankensalbung, nehme ich mit einem Priester Kontakt auf, ebenso beim Abendmahl.
Für Gläubige anderer Religionsgemeinschaften sind wir oft auch Vermittler. Ob die Bedeutung religiöser Begleitung abnimmt und ein multikultureller, interkonfessioneller Ansatz in Zukunft mehr gefragt ist, kann ich noch nicht beantworten, die Literatur beschreibt jedoch diese Richtung. Es geht zunehmend um Begleitung in emotionalen Notsituationen. Deshalb sind wir mit dem Pflegepersonal, Ärzt*innen und dem Sozial- und psychologischen Dienst eng vernetzt.

Was bleibt Ihnen unvergessen?

«O weh, sie wollen zu mir? Ist es wirklich schon soweit?» So amüsiert oder verwundert reagieren oft gerade jüngere Menschen, wenn ich vorbeikomme. Unvergessliche Situationen gibt es einige, die Schweigepflicht allerdings auch. Die Krankenkommunion zu feiern bewegt mich stets. Zu Beginn sind die Menschen oft abgelenkt und unruhig. Das «Vater unser» ist ihnen von Kindheit an vertraut, sie beten mit und versuchen, ihre Hände zu falten. Nach der Kommunion spüre ich einen inneren Frieden und grosse Dankbarkeit in ihnen. Es erfüllt mich immer wieder, diese Ruhe, ja, diese Kraft überbringen zu dürfen. 

Spitalseelsorge ist Spezialseelsorge
Spezialseelsorge ergänzt die Pfarreiseelsorge. Sie umfasst die Spitalseelsorge, die Seelsorge für bestimmte Berufsgruppen wie Polizei oder Feuerwehr, die Hochschul- oder Zirkusseelsorge, die Gefängnisseelsorge und einige weitere spezielle Gruppen in unserer Gesellschaft. Ihre seelsorgerliche Begleitung ist auf einen bestimmten Abschnitt im Leben begrenzt.

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