Jede Mensch ist Quelle der Menschlichkeit, jede Frau ist Maria, jede Mutter versucht Tag für Tag der Menschlichkeit Geltung zu verschaffen. Foto: «REHvolution» / photocase.de

«Mit Maria auf dem Weg zu mehr Menschlichkeit»

Fehlt es unserer Gesellschaft an Menschlichkeit? Viktor Hofstetter, Dominikaner, bejaht.

Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen feiern am 21. Mai das «Internationale Marienfest» in Bern. Das Motto lautet: «Maria – Quelle der Menschlichkeit».

Von Viktor Hofstetter, Dominikaner

Immer wieder hören wir in den Nachrichten den folgenden Satz: «Es war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.» Solche Schreckensmeldungen machen uns betroffen. Die Gewalt in der Welt hat unglaubliche Dimensionen angenommen, und der Verlust an Menschlichkeit ist weltweit enorm.
Aber wie steht es um die Menschlichkeit bei uns? Stellen wir nicht auch im täglichen Umgang miteinander einen zunehmenden Mangel an Menschlichkeit fest?
Es sind solche Beweggründe, welche die Vorbereitungsgruppe zum Thema für das diesjährige 19. Marienfest inspiriert haben: Entstanden ist ein Fest unter dem Titel «Maria, Quelle der Menschlichkeit». Gerade Frauen und Männer aus anderen Kulturkreisen erleben bei uns, wie ihre Andersartigkeit als Vorwand benutzt wird, ihnen ihre Würde und ihre Rechte nicht zuzugestehen und sie unmenschlich zu behandeln. Es fehlt nicht nur auf der grossen Weltbühne zunehmend an Menschlichkeit. Wenn wir einen Blick in die Bibel werfen, dann stellen wir fest, dass dieser Mangel an Menschlichkeit auch etwas mit der Menschwerdung aller Menschen zu tun hat. Wir alle werden nicht einfach mit der Geburt Mensch; Menschwerdung ist ein lebenslanger Prozess.

Mutter der Menschwerdung

Mit Maria als Mutter wird Jesu’ Menschwerdung erst möglich. Ihr Ja bei der Verkündigung ist dafür entscheidend. Wie jede Mutter, steht sie mit der Geburt ihres Kindes am Anfang der Menschwerdung ihres Sohnes. Aber sie weiss auch, dass es erst der Beginn eines lebenslangen Prozesses ist. Für die Bibel hat Menschlichkeit immer etwas mit der Menschwerdung des Wortes Gottes zu tun.
Wie Jesus uns zur Menschwerdung und damit zu mehr Menschlichkeit einlädt, zeigt uns die Begegnung mit der Frau aus Samarien (Joh 4,1-42). Maurice Zundel schreibt: «Dieses Evangelium ist wie eine Quelle, die an einem klaren Morgen sprudelt, diese Gnade des Dialoges zwischen Jesus und der Frau! Erinnert euch an diesen Dialog: Wie Jesus vom Wasser des Brunnens ausgehend, sachte, Schritt für Schritt, das Bewusstsein der Frau (…) für den Sinn der göttlichen Gegenwart in ihr weckt. Wie er sie im Inneren ihrer selbst sehr präzise Gott entdecken lässt, im Geheimsten ihres Bewusstseins, wie eine sprudelnde Quelle ewigen Lebens.» Indem Jesus auf die Sorgen und Nöte der Frau eingeht, führt er sie nicht zu irgendeiner Problemlösung ausserhalb, sondern er zeigt ihr klar auf: «Die Quelle ist in dir!» Die wahre Reise ist die Reise nach innen, in die Tiefe seiner selbst.

Die Quelle ist in dir

Wir suchen oft ausserhalb, was in Wahrheit in uns verborgen liegt. Für Meister Eckhart ist der Weg, den Jesus der Samariterin aufzeigt, gleichsam das Paradigma unserer eigenen Menschwerdung, der Gottesgeburt in uns. Er fasst das für uns alle zusammen: «Da wird die Frau Gottes derart voll und überfliessend voll und überquellend von der Fülle Gottes, und sie beginnt zu predigen und zu rufen mit lauter Stimme. Und sie wollte all das zu Gott bringen und Gottes vollmachen, was sie mit ihren Augen erblickte, so wie sie selbst erfüllt war.» Wie sie können wir alle die Quelle in uns entdecken.
Für Meister Eckhart ist es klar: Die Frau konnte gar nicht anders, als ihre Glückseligkeit anderen mitzuteilen. Für sie ist die Entdeckung ihres wahren Menschseins eine so grosse Gabe, dass sie diese Quelle der Menschlichkeit in den anderen freisetzen will. «Sie wollte all das zu Gott bringen und Gottes vollmachen, was sie mit ihren Augen erblickte, so wie sie selbst erfüllt war.» Damit wir zur Quelle für andere werden können, muss dieses Vertrauen und diese Zuversicht in unserem Herzen freigelegt werden. Solches Vertrauen kann nur in wahrer Begegnung wachsen. Und Zuversicht ist eine Gabe, die es in einem offenen Herzen aufzunehmen gilt. Wie die Frau aus Samarien, machen wir uns auf den Weg zum Brunnen, um mit Jesu Hilfe die Quelle in uns neu zu entdecken. Wir wissen, dass wir das nicht alleine schaffen; es braucht dazu die Begegnung. Darum machen wir uns mit Maria auf den Weg zu mehr Menschlichkeit.

Hinweis
19. Internationales Marienfest: Sonntag, 21. Mai. 16.00 Gottesdienst mit Prozession, anschliessend Teilete / Potluck (etwas mitbringen). Ort: Kirche Dreifaltigkeit, Taubenstrasse 6, 3011 Bern. Auskunft: Regina Müller, Tel. 031 300 40 90 21. Mai: Internationales Marienfest «Mit Maria auf dem Weg zu mehr Menschlichkeit»

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