Zeitpunkt für einen Wechsel. Rudolf D. Sinzig. Foto: Pia Neuenschwander

Neues ausprobieren

Katholischer Kirchenchor Thun

Gleich drei Jubiläen dürfen der römischkatholische Kirchenchor Thun und dessen Leiter, Rudolf D. Sinzig, feiern: zum einen das Bestehen des Chors seit 120 Jahren, zum zweiten das 25-Jahr-Jubiläum als Dirigent von Rudolf D. Sinzig und zum dritten die Gastgeberrolle am 100-Jahr-Fest des Bernischen Verband der Cäcilienchöre (BCV). Das ist Grund für ein grosses Jubiläumskonzert am 31. Okober in der Marienkirche Thun. Und für ein Gespräch mit dem langjährigen Dirigenten Rudolf D. Sinzig.


«pfarrblatt»: Rudolf Sinzig, Sie leiten seit 25 Jahren den römisch-katholischen Kirchenchor Thun. Sind Sie kein bisschen müde?

Rudolf D. Sinzig: Die Motivation ist ungebrochen und voll vorhanden. Aber natürlich spüre ich das fortschreitende Alter bei intensiven Vorbereitungen und Probearbeiten schon.

Sie haben im vergangenen Januar an der Hauptversammlung Ihren Rücktritt auf Ende 2016 bereits angekündigt. Wie sehen Sie die Zukunft des Kirchenchors Thun?

Jetzt ist der Zeitpunkt für einen Wechsel und neue Impulse gekommen – vielleicht durch jemand Junges, der oder die den Chor leiten wird. Aber nicht nur bei der Chorleitung ist ein Wechsel angebracht. Auch im Chor selber braucht es dringend eine Verjüngung, denn einige unserer Aktivmitglieder weisen ein respektables Alter auf.

Ihre Stelle und diejenige des langjährigen Organisten Martin Heim ist in Personalunion ausgeschrieben. Bestehen reelle Chancen, einen Nachfolger zu finden, der sowohl Organist als auch Dirigent ist?

Das ist schwierig zu beurteilen. Ich denke, für den oder die Nachfolgerin ist es wichtig zu wissen, mit wem er oder sie überhaupt noch rechnen darf. Einige unserer Sängerinnen und Sänger haben aus Altersgründen ihren Rücktritt angekündigt. Daher hoffe ich sehr, dass mein Nachfolger jüngere Aktivmitglieder gewinnen kann.

Worin liegt denn der Reiz der Kirchenmusik?

Für mich ist es eine Bereicherung, wenn Musik im Gottesdienst stattfindet. Zudem bin ich ein grosser Fan von klassischer Kirchenmusik. Wenn sie eingebettet wird in die Liturgie, ist sie auch sinnvoll aufgeführt. Dadurch lässt sich Neues ausprobieren, das in einem Konzert kaum Platz finden würde.

Zum Beispiel?

Beispielsweise die beiden Werke, die wir am Jubiläumskonzert unseres Chors und des BCV-Fests aufführen werden: Alexandre Gretchaninoffs «Missa festiva» und Martin Völlingers «Latin Jazz Mass» sind beides Werke, die bewusst für die Liturgie komponiert worden sind.

Das sind zwei völlig unterschiedliche Werke. Wo liegen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede?

Gemeinsam ist ihnen, dass beides Messevertonungen sind. Musikalisch sind sie völlig unterschiedlich: Gretchaninoff hat sein Werk 1937 komponiert, die «Missa festiva» klingt aber hochromantisch. Völlingers «Latin Jazz Mass» hingegen baut auf den mitreissenden lateinamerikanischen Rhythmen und Gospel auf. Bei beiden Werken war bei unseren Sängern die Skepsis zuerst gross; mittlerweile ist der Kirchenchor Thun richtig Fan der beiden Werke geworden.

Der Thuner Kirchenchor führt die «Missa festiva» aufgrund seines 120-jährigen Bestehens am 31. Oktober auf. Was hat Sie an Gretchaninoffs Werk berührt?

Er präsentiert eine Musikart, die sehr tief geht. Das Werk wurde zwar 1937 komponiert, aber die Gregorianik ist sehr stark eingeflossen. Das ist dem Komponisten namentlich im Credo sehr eindrücklich gelungen.

Der Kirchenchor Thun singt unter Ihrer Leitung fast ausschliesslich lateinische Messen, darunter Perlen, die Sie aus der Vergessenheit holen. Wie gehen Sie bei Ihren Recherchen vor?

Manchmal höre ich etwas im Radio, das mich nicht mehr loslässt. Oder ich frage im Musikalienhandel und erhalte einen ganzen Stapel an Notenblättern. Hin und wieder geben mir auch Drittpersonen Hinweise auf bestimmte Werke. Und nicht zuletzt gelange ich mittels Stichwort im Internet hin und wieder an eine musikalische Perle.

Sie sind ausgebildeter Bariton und haben einige Jahre am Stadttheater Bern gesungen. Haben Sie die grossen Opernbühnen dieser Welt nie gereizt?

Oh doch, in Gedanken natürlich schon. Aber ich bin wohl zu wenig der Typ, der die Ellenbogen rauslässt. Ich habe sehr jung eine Familie gegründet, da war mir Sicherheit wichtiger. Zudem habe ich in Bern hinter die Kulissen des Theaterlebens gesehen. Gegen aussen wirkt alles nach Glanz und Gloria, aber dahinter steckt knallharte Knochenarbeit. Und ich wäre auch nicht gemacht, um aus dem Koffer zu leben und von Bühne zu Bühne zu reisen. Für mich stimmt meine musikalische Karriere.

Interview: Heinerika Eggermann Dummermuth 

Jubiläumskonzert
Zum 120. Geburtstag des Kirchenchors und dem 25-Jahr-Jubiläum des Dirigenten führt der Kirchenchor mit dem Organisten Martin Heim die «Missa festiva» von Alexandre Gretchaninoff (1864–1956) auf.
Gleichzeitig findet das 100-Jahr-Jubiläum des Bernischen Verbands der Cäcilienchöre (BCV) statt; unter der Leitung von Dominik Nanzer wird «The Latin Jazz Mass» von Martin Völlinger (*1977) aufgeführt.
Das Konzert: Samstag, 31. Oktober, 17.00, Marienkirche Thun.
Eintritt frei, Kollekte. Infos: www.kath-thun.ch

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