Christiane Faschon begrüsst alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf beim Gottesdienst zur Eröffnung der neuen Legislatur im Berner Münster am 30.11.2015. Foto: Christoph Knoch

Ökumene, Ökumene, Ökumene

Das kirchliche Engagement war auch eine Antwort auf ihre Jugenderfahrungen - Christine Faschon ist pensioniert worden.

Die erste katholische Frau in einer solchen Position! Zehn Jahre war sie Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen in der Schweiz (AGCK.CH): Christiane Faschon. Jetzt gibt sie ihren Posten ab und schaut auf eine bewegte Zeit zurück.

Von Francesca Trento

Sie hat viel zu erzählen, mit ihrem wachen Blick. In einem grossen Haus mit einem kleinen japanischen Garten, nahe der Schweizer Grenze wohnt Christiane Faschon. Im Obergeschoss lebt ihre pflegebedürftige Mutter, um die sich Faschon seit sieben Jahren kümmert. Betreuerinnen helfen ihr dabei. «Wer Angehörige in der Schweiz pflegt, erhält wenig finanzielle Unterstützung - auch vom Kanton», sagt sie fast beiläufig. Kein frustrierter Unterton ist zu hören, obwohl es sie betrifft. Und das seit sieben Jahren.

«Denen eine Stimme geben, die keine hatten.»
Voller Leidenschaft hat sie sich ihr Leben lang für Benachteiligte eingesetzt, im interreligiösen Dialog oder für Frauen- und Kinderrechte. Sie wollte denen eine Stimme gegeben, die keine hatten. «Meine Eltern haben in Deutschland den zweiten Weltkrieg miterlebt», erzählt sie. «Das Engagement war auch eine Antwort auf das Erlebte.»

Erinnerung an die Vergessenen
Der Krieg war eine traumatische Zeit, vor allem für den Vater. «Er litt sein Leben lang unter Angstzuständen und war stets bereit zur Flucht.» Dies sei für die Familie oft zermürbend gewesen. Dies sei für die Familie oft zermürbend gewesen. Er war katholisch mit jüdischen Wurzeln und litt unter dem Nazi-Regime.
Über die Verfolgung der Juden gibt es viele Zeugnisse. «Christen mit jüdischen Wurzeln wurden ebenfalls verfolgt. Über sie ist weniger bekannt.» Sie sei seit vier Jahren an einer Studie über diese Menschen. Unterstützung habe sie dafür trotz vieler Anträge nur von einer Freikirche bekommen. Das Thema werde den Kirchen nicht viel Freude bereiten, hiess es. «Deshalb mache ich das in meiner Freizeit.»

Ihre Mutter leidet auch an den Erinnerungen des Krieges. Deren reformierte Familie war aus christlichen Gründen gegen Hitler. «Meine Eltern lehrten mich vor allem eins: Wehr dich für andere, setz dich gegen Ungerechtigkeiten ein, schweige nicht.» Sie hält kurz inne. «Auch, wenn es bedeutet, dass es unangenehm für dich sein könnte», fügt sie dann hinzu. Wieder nicht frustriert oder betroffen. Obwohl sie schon viel habe einstecken müssen.

Hilfe für Alleinerziehende
Das hat Faschon ihr Leben lang getan. Sich für andere Menschen eingesetzt. «Ich werde es auch weiter tun», sagt sie bestimmt. Sie setzte sich für alleinerziehende Eltern ein, was sie selbst auch war. «Die meisten Betroffenen sind eh schon müde von der Arbeit, von der Erziehung, von allem. Die können sich nicht noch mit Anwälten, Alimenten und anderem rumschlagen.» Dass sie selbst betroffen war, hat sie motiviert, im Kanton Thurgau etwas für diese Gruppe zu bewegen. «Meine Eltern stärkten mir den Rücken», so Faschon.

Auch Jugendliche, die nicht wussten, wohin, fanden bei ihr Unterstützung. Immer wieder hätten welche bei ihr gewohnt. «Wir haben im Haus Platz gemacht», meint sie beiläufig, als ob es das Normalste der Welt wäre.
Vor 35 Jahren habe sie eine Bibelgruppe ins Leben gerufen, die es immer noch gibt. «Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren und sind in der Kirche tätig. Das freut mich sehr», meint Faschon, die auch über die voranschreitende Säkularisierung spricht. «Die Kirchen haben es heutzutage immer schwieriger, Menschen für sich zu gewinnen. Kirche bedeutet aber Gemeinschaft – ohne Menschen, keine Kirche.»

Vollgas in der Ökumene
In ihrer Zeit als Generalsekretärin habe sie den Fortschritt der Ökumene erlebt. Neben der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen sind verschiedene orthodoxe Kirchen, kleine Kirchen und Freikirchen Mitglieder der AGCK.CH. «Wer sagt, dass die Ökumene sich nicht bewegt, ist schlecht informiert», so die Noch-Generalsekretärin. Sie verweist dabei auf die Charta Oecumenica oder die gegenseitige Taufanerkennung 2014 als wichtige Schritte.

Sie weiss, wovon sie spricht. Ihre Eltern zum Beispiel hatten es noch schwer, als sie kirchlich heiraten wollten. «Es ist noch nicht so lange her, dass Katholiken und Reformierte nichts miteinander zu tun haben durften.» Und heute feiern Orthodoxe, Reformierte, Christkatholiken, Katholiken zusammen Ostern. «Das ist wunderbar! Die AGCK.CH leistet dabei wichtige Unterstützung.»

Eine männerdominierte Umgebung
Was sie als Generalsekretärin ebenso erstaunte, war die schnelle Akzeptanz, die ihr entgegengebracht wurde. Es hätte in der männerdominierten, katholischen Umgebung auch ganz anders sein können, so Faschon. «Obwohl ich die erste katholische Frau in dieser Position war, wurde ich akzeptiert, ernst genommen und integriert.» Dies sei ein starkes christliches Zeichen gewesen.

 

Neue AGCK-Generalsekretärin ist Anne Durrer. Die katholische gebürtige Genferin ist neben ihrer Tätigkeit beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund auch Präsidentin der «pfarrblatt»-Gemeinschaft Bern. Lesen Sie hierzu auf kath.ch: Anne Durrer wird Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen

 

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