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Offener Brief fordert Papst Franziskus heraus

«Die katholische Kirche steht in Flammen», schreiben Verantwortliche der Zürcher Kantonalkirche in einem offenen Brief an Papst Franziskus.

In einem offenen Brief an Papst Franziskus fordern führende Exponent*innen der Zürcher Kantonalkirche und der Vertreter des Bischofs Reformen für die katholische Kirche und Massnahmen gegen sexuelle Gewalt. Das alles spielt sich vor dem Hintergrund der Suche eines neuen Bischofs für das Bistum Chur ab, zu dem der Kanton Zürich gehört.

«Die katholische Kirche steht in Flammen. Das Entsetzliche daran ist: Hirten, die zum Dienst am Evangelium bestellt wurden, haben diesen Flächenbrand gelegt», so lautet die Einleitung des offenen Briefes, mit dem sich namentlich der Generalvikar Josef Annen und die Präsidentin des Synodalrates der katholischen Zürcher Kantonalkirche Franziska Driessen-Reding an Papst Franziskus wenden. Offenbar sind im vergangenen Jahr rund 6000 Zürcher*innen aus der katholischen Kirche ausgetreten.

Der offene Brief erschien in mehreren Schweizer Tageszeitungen als Inserat. Darin heisst es, dass am Ursprung sexualisierter Gewalt in der Kirche und ihrer Vertuschung die «Häresie des Klerikalismus» stehe, die «Herrschaft von Priestern über das Volk». Wichtig für eine nachhaltige Bewältigung der gegenwärtigen Krise sei die Einsicht, dass der sexuelle Missbrauch in den Strukturen der katholischen Kirche begründet sei. . Die Kirche habe, so heisst es im offenen Brief weiter, die menschliche Sexualität während Jahrhunderten verdrängt und verteufelt, «statt sie zu pflegen und zu kultivieren». Eine verdrängte und unreife Sexualität sei der Boden, auf dem der Missbrauch gedeihe. «Notwendig ist deshalb eine an der Liebesbotschaft des Evangeliums und der heutigen Humanwissenschaften orientierte sowie lebensnahe kirchliche Sexualmoral», schreiben Josef Annen und Franziska Driessen-Reding.

Es folgt eine Auflistung konkreter Forderungen. In der Kirche brauche es beispielsweise Gewaltenteilung; unabhängige Gerichte, um Grundrechte einzuklagen, es brauche Frauen in Leitungsverantwortung; synodale Prozesse, in denen etwa über den Pflichtzölibat regional entschieden werden könne.

Zum Schluss heisst es, an den Papst gerichtet: «Die Zeit drängt. Setzen Sie die Reformprozesse in Gang. Wir unterstützen Sie. Wie Sie setzen wir uns für eine Kirche ein, die niemanden ausschliesst und alle willkommen heisst. Wir teilen Ihr Engagement für Arme, Kranke, Fremde und Benachteiligte. Wie Sie verpflichten wir uns, Machtmissbrauch in jeder Form zu bekämpfen. Und wie Sie stehen wir ein für eine Kultur der gegenseitigen Achtsamkeit.»

Der offene Brief ist mit Sicherheit auch ein Positionierung in der Auseinandersetzung um die Neubesetzung des Bischofsstuhls in Chur. An Ostern tritt mit Vitus Huonder (76) der Bischof des Bistums Chur ab, dem auch Zürich angehört. Vom Nachfolger erwarten insbesondere die Exponent*innen der Zürcher Kirche, dass er sich für ihren liberalen Kurs einsetzt. Im offenen Brief heisst es denn auch an einer Stelle, dass die katholische Kirche im Kanton Zürich erwarte, dass der neue Bischof im Bistum Chur vorbehaltlos Ja sage zu einer synodalen Kirche.

Andreas Krummenacher

Der offene Brief im Wortlaut als PDF

 

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