Ohne Freiheit kein wahres Christsein

Der Luzerner Kirchenrechtler Adrian Loretan hat ein Buch über demokratische Freiheitsrechte und ihre Spannung mit der katholischen Kirche geschrieben.

«Die Grösse Gottes konkurrenziert nicht die Würde des Menschen, im Gegenteil.» Mit diesem theologischen Appell resümiert der Luzerner Kirchenrechtler Adrian Loretan sein neuestes Werk. Aus verschiedenen Perspektiven und reich dokumentiert versucht er, das römisch-katholische Selbstverständnis mit den Grundlagen des modernen Rechtsstaates zu versöhnen – und scheut sich dabei nicht, heikle Themen anzugehen.

Loretan hält fest, dass die römisch-katholische Kirche nach wie vor die Hälfte ihrer Mitglieder aufgrund ihres Geschlechts von wichtigen Leitungsämtern ausschliesst (251f.). Und zugleich erhebt sie mit ihren offiziellen Erklärungen zur Würde der Frau und dem Verbot von Diskriminierungen den Anspruch, in der Gesellschaft die Rolle einer ethischen Instanz wahrzunehmen. Wie sollte sie da im öffentlichen Diskurs zum Beispiel über die Rolle der Frau im Islam – die Loretan auch anspricht – glaubwürdig mitdiskutieren? Kann eine Kirche sich als Stütze des Rechtsstaates verstehen, wenn es ihr nicht gelingt, einen Grundrechtskatalog in ihr Rechtssystem aufzunehmen? Und schliesslich stellt der Autor eine berechtigte Frage an die Politik: «Sind staatliche Behörden … berechtigt oder eventuell sogar verpflichtet, staatliche Leistungen an die römisch-katholische Kirche von einer bestimmten Form der Gleichstellung von Geschlechtern abhängig zu machen?» (253)

Neues Selbstverständnis notwendig

Loretan betont aber, dass die Veränderung in den Religionen nicht Aufgabe des Staates sein kann. Vielmehr fordert er eine Erneuerung des Selbstverständnisses der römisch-katholischen Kirche. Er formuliert sein Prinzip, nach dem eine Religion in einer pluralistischen Welt in einen echten Dialog mit den Menschen in Freiheit treten kann, wie folgt: «Absolute Wahrheitsansprüche sind immer relativ absolut, da diese Wahrheitsansprüche von einem Menschen vorgetragen werden, der, in einem historischen Erkenntnisprozess stehend, das von ihm als absolut Erkannte vorträgt.» (54) Es ist dem engagierten Professor dafür zu danken, dass er die für die Zukunft der Kirche entscheidenden Freiheitsrechte immer wieder ins Gespräch bringt.

Florian Flohr

Adrian Loretan: Wahrheitsansprüche im Kontext der Freiheitsrechte (Religionsrechtliche Studien, Teil 3), TVZ-Verlag, 308 Seiten, Fr. 55.-

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