Hosh al-Bieaa in der Altstadt von Mossul. Hier hat der Papst gerade für Kriegsopfer gebetet. Ein irakischer Polizist weist am Rande des Platzes Kinder zurecht. 7. März 2021. Foto: Reuters, Yara Nardi

Papst Franziskus im Irak

Nicht nur apostolische Reise sondern Brückenschlag in Zeiten des Terrors.

Vom 5. bis 8. März 2021 besuchte Papst Franziskus den kriegs- und krisengeschüttelten Irak. Wegen der Corona-Restriktionen war dies keine Massenveranstaltung, wie man sie sonst von Reisen der Päpste her kennt, sondern hatte fast den Charakter einer privat angelegten Pilgerreise. Ein Meinungsbeitrag von Reinhard Schulze*.

Die Reise wurde anfangs skeptisch beurteilt: Was will der Papst in einem Land, wo nur 1% der Bevölkerung einer der fünf mit Rom unierten katholischen Kirchen angehört, wo immer noch bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, wo grosse Teile der Bevölkerung jedwedes Vertrauen in die staatlichen Organe verloren haben?

Sicherheitsbedenken im Kriegsgebiet

Zudem wurden Sicherheitsbedenken erhoben. So reiste der Papst auch über den Flughafen der Stadt Nasiriyya, um in die Ebene von Ur, zu langen, wo eine Interreligiöse Begegnung stattfand. Zeitgleich gingen in der Stadt Nasiriyya die teils militanten Strassenproteste gegen die irakische Regierung unter al-Kazimi weiter, was aber die Reise nicht beeinflusste. Und aus der Gegend von Mossul feuerten wenige Tage vor der Ankunft des Papstes schiitische Milizen Raketen auf Positionen am Flughafen der kurdischen Stadt Erbil. Glücklicherweise verlief die Reise ungestört.

Der Papst würdigte, wie nicht anders zu erwarten war, in erster Linie die katholischen Gemeinden im Land. Doch produzierte die Reise auch ganz andere Bilder. Da trafen sich der 90jährige schiitische Grossayatullah Sayyid Ali al-Sistani und der Papst in einem bescheiden eingerichteten Raum in der Stadt Nedschef, und besprachen sich ohne grosse Formalitäten. Die Bilder zeigten zwei im Zwiegespräch vertiefte ältere Herren, das Bescheidenheit und Demut als politische Tugenden eines Dialogs vermittelte. Kein Aussenstehender weiss, was daran inszeniert war, doch die Bilder waren effektiv.

Beten um Heilung inmitten von Terror

In der kleinen Zeremonie in der Ebene von Ur, wo an Abraham erinnert wurde, gelang es auch aufgrund der Mitwirkung lokaler Amtsträger, eine Stimmung von gemeinsamer Anstrengung zu erzeugen, um tatsächlich einen abrahamitischen Geist wirksam werden zu lassen. Und in Mossul beziehungsweise der nahegelegenen christlichen Stadt Baghdida (Karakosch) vermochte es der Papst, das Leid des Kriegs und des Terrors anzusprechen und Heilung von den Schrecken zu erbitten, und zugleich zu Vergebung einzuladen.

Fehlender Pomp wurde positiv aufgenommen

Das alles wurde von der irakischen Öffentlichkeit wie den arabischen Medien positiv vermerkt. Es wurde darauf verwiesen, dass diesmal der Pomp grosser Erklärungen fehlte, wie noch im Frühjahr 2019, als der Papst und der Rektor der islamischen al-Azhar-Hochschule in Kairo, Ahmad al-Tayyib, in Abu Dhabi eine als bahnbrechend bezeichnete «Erklärung über die universale Geschwisterlichkeit der Menschen» unterzeichnet hatten, für deren Ausarbeiten beide Seiten allerdings sechs Monate gebraucht hatten. Das Treffen des Papstes mit dem schiitischen Grossayatullah liess die Hoffnung aufkeimen, dass es zwischen der katholischen Kirche und der schiitischen Geistlichkeit zu einer ähnlichen Verständigung kommen würde. Da dies aber zugleich bedeuten würde, auch mit der Geistlichkeit in Iran in engere Verbindung zu treten, dürfte eine solche Verständigung noch in weiter Ferne stehen.

Wandel in der religiösen Landschaft

Doch die Reise des Papstes hat etwas anderes deutlich gemacht: die Religionslandschaft im Nahen Osten erlebt einen tiefgreifenden Wandel. Wie die israelische Zeitung Jerusalem Post festgestellt hat, kehrt das Judentum nach und nach wieder in viele nahöstliche Länder zurück und bereichert dort das religiöse Leben. Kirchbauten und Kirchorganisationen am Golf zeugen von einer neuen Vitalität des Christentums, selbst die iranische Regierung feiert plötzlich die im Lande noch sehr lebendige Tradition der Zoroastrier.

Der Papst sprach dies in Mossul indirekt an: In Mossul sagte er: «Tatsächlich wird ein kulturelles und religiöses Gefüge, das in seiner Vielfalt so reich ist, durch den Verlust eines jeden Mitglieds geschwächt, und sei es auch noch so klein.» Genau das scheint sich nun nach den schrecklichen Erfahrungen des Terrors ultraislamischer Bünde zu bestätigen. Doch bleibt es nicht bei einer Versöhnung zwischen den Religionsgemeinschaften, indem sie sich in ihrer natürlichen Gleichheit finden; einen ebenso tiefgreifenden Wandel erleben vor allem die islamischen Religionsgemeinschaften. Die alten islamischen politischen Ideologien und die wahhabitischen Puritaner auf der arabischen Halbinsel verlieren deutlich an Einfluss, die Bevölkerung in Libanon, Syrien und Irak kehrt den alten konfessionellen Ordnungen den Rücken.

Die Reise des Papstes war so weit mehr als eine normale apostolische Reise zur Stärkung der Position der unierten Kirchen im Irak mitten in Zeiten, wo immer noch eine konfliktreiche Konfessionsordnung Bestand hat. Sie war das bildliche Symbol für einen Brückenschlag auch in Zeiten der Krise und des Kriegs.

*Reinhard Schulze ist Leiter des Forums Islam und Naher Osten an der Universität Bern. Zwischen 1995 und 2018 war er ordentlicher Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie an der Universität Bern

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