Neue Medienwelt und alte Religion? Foto: zVg

Popkultur und Religionsunterricht

Hat Religion noch irgendeine Funktion als Leitkultur in unserer Gesellschaft? Oder wurde sie ersetzt? Und was hat die Pädagogik zu tun?

Heute ist die Religion in keiner Weise mehr Leitkultur. Tonangebend sind die neuen Medien, die Popkultur und da vor allem Serien, Games, Songs, Musikvideos, Comics, Werbespots. Für Patrik Böhler Grund genug, hier Möglichkeiten für einen zeitgemässen Religionsunterricht zu ergründen.

Waren früher die Familiensysteme Garant für die naht- und kabellose Vermittlung biblischen Wissens, religiöser Haltungen und christlicher Rituale, sind es heute die neuen Medien und da insbesondere die Popkultur, die sie transportieren und die prägend ist für den Aufbau von Welt und Menschenbildern. Dazu gehören Medien wie Filme, Serien, Songs, Musikvideos, Comics, Werbespots, Games. Populärkultur ist heute faktisch die Leitkultur der Gegenwart und hat der Leitkultur Religion den Rang abgelaufen.

Am konkreten Beispiel

Die teilweise enorme Wirksamkeit der Popkultur in den neuen Medien hat auch einen elementaren Einfluss auf die religiöse Bildung. Als Beispiel dazu dient uns hier das Video zum Lied «House'llelujah» des belgischen Musikers Stromae. Das Video zeigt exemplarisch Facetten des Umgangs der Popkultur mit Religion.
Der Song beginnt wie ein Choral. Sofort setzt der Rhythmus ein. Der Schatten eines Mannes ist vor einem gotischen Fenster zu sehen. Anstelle der Bibel schlägt diese Person ein Buch mit Musiknoten auf. Schnitt. Der Sänger Stromae ist auf einem überdimensionalen Bildschirm zu sehen. Menschen stehen still in Reih und Glied in der Kirche. Dazu dieser Text (Übersetzung): «Stundenlang bete ich zu Gott, man hat mir gesagt er sei zu alt für unsere Tränen …» Was hier wie eine Provokation klingt, ist die Erfahrung vieler Kinder und Jugendlicher. Ein Gott, der nicht erhören will oder kann – ob all dem Leid in der Welt. Nach dieser Anklage durchflutet ein heftiger Wind den Raum. Wie vom heiligen Geist erfüllt beginnen die Menschen zu tanzen. Aus dem gottesdienstähnlichen Anlass entwickelt sich eine Houseparty: «Im Namen des Rhythmus und der Menschheit, schreie ich ‹House'llelujah›, gesegnet sei die Musik und ‹House'llelujah›. Das, was ich in der Nacht bete, wenn ich meine Hände in den Himmel strecke, wenn ich springe und wenn ich schreie, die Ewigkeit sagt mir ‹House'llelujah›.»

Gesprächsgrundlagen

Das Video macht Aussagen über Religion. Es lässt uns erahnen, was junge Menschen vom Leben erwarten, welches Sehnen sie prägt: Gemeinschaft, Bewegung, Dazugehören, etwas bewegen können, Transzendenz. Das Video ist voll von christlichen und religiösen Symbolen. Ebenso wird mit dem «House'llelujah» natürlich Halleluja assoziiert. Heute wissen wir: Die Lebenswelt hat sich stark geändert. Kinder und Jugendliche kommen über vielfältige Formen und Kanäle der Popkultur ohnehin in den Kontakt mit religiösen Themen und Deutungen. Die Frage ist, ob das unbegleitet passiert oder begleitet durch religionspädagogische Gestaltung und Personen, welche die Deutungen mit den Kindern und Jugendlichen reflektierend weiterführen können. Die neuen Medien und die Popkultur sind Andockbasen für das religiöse Gespräch mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Ihre Lebenswelt wahrzunehmen und wertzuschätzen, zu sehen, was ihnen wichtig ist, was sie anspricht und umtreibt, was sie «unbedingt angeht» und was für sie «Sinn macht» im Leben – das ist Aufgabe einer zeitgemässen Religionspädagogik.

Patrik Böhler, Fachstelle Religionspädagogik

Das Musikvideo von Stromae finden Sie hier: Stromae - House'llelujah

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