Bild: Kreuz der floristischen Künstlerin Beatrix Chopard.

«Religion sollte sich nie aufdrängen, sondern einladend sein»

Unter dem Titel «Passion in Ins» finden im Seeland alle zwei Jahre Kunst, Film, Musik und Diskussion eine ökumenische Plattform.

«Passion in Ins» heisst es alle zwei Jahre im Seeland. Auf dem Programm stehen in der Passionswoche vielfältige Veranstaltungen, alles ökumenisch natürlich. Film, Diskussion, Nacht der Klänge, Texte, Fotografie und Floristikausstellungen, Gottesdienste und die Karfreitagsliturgie. «Kunst, Gewerbe und Kirche reichen sich die Hand», heisst es im Pressetext. Es ist eine faszinierende Programmvielfalt. Ein Gespräch mit Eberhard Jost, dem Gemeindeleiter der Pfarrei Ins-Täuffelen.

«pfarrblatt»: Sie präsentieren ab Palmsonntag ein umfangreiches Programm. Woher kommt ihr persönliches Engagement in dieser Sache? Sie begannen damit immerhin vor 10 Jahren...
Eberhard Jost: Mein Vorgänger Martin Berchtold hat diese Idee mit der floristischen Künstlerin Beatrix Chopard und der Pfarrerin von Ins, Sylivia Käser-Hofer, entwickelt. Meine Motivation mich für die «Passion in Ins» zu engagieren liegt für mich im Verständnis von Religion im Allgemeinen. Alles, was zutiefst menschlich ist, hat eine religiöse Dimension. Die göttliche Dimension der Wirklichkeit liegt in den einfachen menschlichen Vollzügen. Florale Kunst, Bilder, Klänge, thematische Auseinandersetzung nehmen dies auf und führen dies weiter, jedoch auf eine defensiv einladende Weise. Religion sollte sich nie aufdrängen, sondern einladend sein. Und so haben wir verschiedene Personen eingeladen, die in diesem Sinne aktiv sind. Die Begegnung mit diesen Personen und den Besucherinnen und Besuchern dieser Tage in Ins ist für mich eine grosse Bereicherung.

Was heisst in diesem Zusammenhang eigentlich Passion?
Wir wollen mit unserem Programm die Menschen ermutigen, zu trauern. Das Thema in diesem Jahr ist «Lebens-Revue – Was bleibt?». Es geht in der «Passion in Ins» immer um Trauer in verschiedenen Erscheinungsformen. In der Zeit der Kar- und Ostertage laden wir ein zur Auseinandersetzung mit Trauer, Sterben und Loslassen. Im Sinne des «memento moriendum esse» (bedenke, dass wir sterblich sind) bringen sowohl die DarstellerInnen als auch BesucherInnnen ihre persönliche Wirklichkeit oder Passion der Trauer mit und ein. Wir geben in einem geschützten Rahmen einen Resonanzraum der Trauer. Niemand muss sich mit seiner Geschichte «outen», jedoch kann jede und jeder seiner Trauer nachgehen.

Wie setzen Sie das im Programm um? Die Künstler beispielsweise oder die Floristin, gibt es da im Vorfeld vertiefte theologische Diskussionen?
Die Vorbereitungen beginnen jeweils über ein Jahr im Voraus. Und so kommt eins zumanderen. Es ist ein kreativer Prozess, der immer mehr Aktive einbindet. Die Form ist gegeben durch die Kar- und Ostertage. Die Angebote wollen die verschiedenen Sinne ansprechen. So finden in dieser Woche Gesprächsforen, Nacht der Klänge, Film und Liturgie statt. Das Zentrum bildet die Ausstellung der floralen Werkstätte von Beatrix Chopard in Zusammenhang mit den Exponaten des Fotografs Heini Stucki.
Während der Planung wird die existenzielle Bedeutung des Themas immer wieder spürbar. Trauer betrifft alle. Und weil es alle betrifft, gestaltet sich das Programm so vielseitig.

Inhaltlich ist das keine einfache Kost. Was sind Ihre Beobachtungen: Interessieren sich die Menschen dafür? Lassen sie sich darauf ein? Oder banal gefragt: Haben Sie trotz Tod und Leid und Trauer mit den Veranstaltungen Erfolg? 
Die Resonanz war in den letzten Jahren enorm. Es ist die Verbindung von der Einladung zur Trauer in verschiedenen Formen und Anlässen mit dem Respektieren der Privatsphäre der einzelnen Person. Trauer ist etwas sehr Intimes. Es braucht Vertrauen und Sicherheit, damit ich Trauer zulassen kann. Bisher ist es uns gelungen, die Menschen auf diese Weise anzusprechen. Gegen Ostern hin entwickelte sich jeweils in den Begegnungen während der Anlässe eine verdichtete Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung und Anteilnahme.

Braucht es heute diese etwas anderen Zugänge, als sonst in der Kirche üblich, um an die alten Menschheitsfragen heranzugehen? Können Sie andere dazu ermutigen hier mitzuarbeiten?
Wenn Kirche Gemeinschaft bedeutet und wir einladen, dürfen wir niemanden ausschliessen. Das hat Konsequenzen. Wenn wir niemanden ausschliessen wollen, sind wir auch verpflichtet, die Themen derer, die da sind, wertzuschätzen und aufzugreifen. Das geht weit über den liturgischen, sakramentalen oder diakonischen Rahmen hinaus. Oder anders gesagt, führt es diese drei kirchlichen Bereiche zur Relevanz, die sie für sich beanspruchen. Das Engagement in der Kirche ist für mich in diesem Sinne eine faszinierende Aufgabe, auch wenn man manchmal über sich oder die anderen erschrickt.

Zum Schluss noch die Frage: Was darf ich auf keinen Fall verpassen?
Natürlich die Ausstellung mit Heini Stucki und Beatrix Chopard, den Film «Freifall» im Inser Kino, das Gesprächsforum mit Heini Stucki und Christiane Wagner, die Nacht der Klänge mit Tom Morley, Erik Bosgraaf, Ernst Rijsegger, Paul & Menno Noojier und Andreas Keck, die Abendmusik mit Jean Pierre Gerber und Ursula Weingart sowie die liturgischen Feiern.

In diesem Sinne also rein gar nichts verpassen. Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Andreas Krummenacher

Lesen Sie auch den Veranstaltungshinweis zur Nacht der Klänge

Weitere Infos zur Passionswoche in Ins finden Sie unter www.passion-in-ins.ch oder auf Facebook.
Und hier ein kleiner Vorgeschmack auf die Nacht der Klänge!

Tickets sind erhältlich auf Ticketcorner.

Das komplette <link file:35445 _blank icon-file>Programm und Informationen als PDF
Informationen zur <link file:35446 _blank icon-file>Nacht der Klänge

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