Gedenkfeier und Hochamt zum Ende des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren. Basilika Dreifaltigkeit Bern. Foto: Pia Neuenschwander

«Seid Helden, indem ihr heute friedlich bleibt»

Gedenkfeierlichkeiten 100 Jahre Ende Erster Weltkrieg in der Dreifaltigkeitskirche Bern

Mit einer von Hoffnung erfüllten Messe in der Dreifaltigkeitskirche und einem Gedenkanlass für gefallene Soldaten auf dem Bremgartenfriedhof ist am 11. November in Bern dem Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gedacht worden. Die Redner*innen appellierten an die Verantwortung der heutigen Generationen und die Wahrung der Menschenwürde.

Von Hannah Einhaus

Abbé Christian Schaller trägt in der sonntäglichen Messe vom 11. November Violett, Sinnbild für den Übergang und die Verwandlung. Das Ende des 1. Weltkrieges war ein Übergang zu etwas Neuem, ein Übergang zum Frieden und damit ein Ausdruck von Hoffnung. Christian Schaller steht in der bis auf den letzten Sitz gefüllten Dreifaltigkeitskirche in Bern. Gekommen sind nicht nur die treuen Gläubigen seiner Gemeinde, sondern über 50 Diplomat*innen und Militärattachés, Vertreter*innen des Bundes und der Schweizer Armee, Berns Stadtpräsident Alec von Graffenried sowie Vertreter anderer Religionsgemeinschaften.

Auf den Tag genau 100 Jahre sind verstrichen seit dem Ende des Ersten Weltkriegs, dem rund 20 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Dessen nicht genug: Zusätzlich forderte die Spanische Grippe allein im Jahr 1918 in der Schweiz 24'000 und weltweit 50 bis 100 Millionen Todesopfer. Ein Zeichen der Hoffnung also will Christian Schaller setzen und lässt ein Kind eine Kerze anzünden: «Denn Gott ist der Urheber und ein Freund des Friedens.»

Eine Brücke baut der Priester, der in der Schweizer Armee einen Offiziersgrad trägt, zwischen den Generationen und von der Vergangenheit zur Gegenwart. «Im Wort Verantwortung steckt das Wort Antwort», sinniert er. Eines Tages müsse sich jede und jeder den Fragen der Kinder und Enkel stellen. Eines Tages würden die Fragen lauten: Was ist damals in Syrien und im Jemen passiert? oder: Warum werden jährlich 1739 Milliarden Dollar für Rüstung und Sicherheit ausgegeben statt Krankheiten wie die Lepra aus der Welt zu schaffen?

Schaller mahnt: «Wir sind unseren Kindern Antworten schuldig» und erinnert an das Zitat des amerikanischen Musikers Jimi Hendrix: «When the power of love overcomes the love of power the world will know peace» (Wenn die Macht der Liebe die Liebe zur Macht überwindet, wird Frieden einkehren).

International, vielsprachig und interkonfessionell wie das Publikum verläuft die Messe weiter. Biblische Texte werden von reformierter und jüdischer Seite vorgetragen, und es folgen Fürbitten auf Polnisch, Rumänisch und Koreanisch.

Mit Fahnen, Fanfaren und Kränzen

Nach der Messe in der Dreifaltigkeitskirche finden die Feierlichkeiten zu 100 Jahren Kriegsende auf dem Bremgartenfriedhof mit Fahnen, Fanfaren und Kranzniederlegungen ihre Fortsetzung. Dort sind in Bern verstorbene Soldaten aus Frankreich, Belgien und Polen begraben.

Auch dieses Jahr sprechen die diplomatischen Vertreter*innen dieser drei Länder, aussergewöhnlich sind die Delegationen zahlreicher weiterer Staaten. Belgiens Botschafter in Bern, Willy Debuck, appelliert an die heutige Jugend, die durch Schüler*innen der Ecole française internationale de Berne an der Zeremonie vertreten ist: «Seid Helden, indem ihr heute friedlich bleibt.»

Frankreichs Botschafterin Anne Paugam erinnert daran, wie vor 100 Jahren Volk gegen Volk und Soldat gegen Soldat kämpften. Sie verweist auf die Feierlichkeiten zur selben Stunde in Paris, wo Präsident Emmanuel Macron und Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel ein weiteres Zeichen der Versöhnung setzen und im Beisein von Vertreter*innen aus 60 Staaten dieses Jahr auf Militärparaden verzichten.

Polens Botschafter Jakub Kumoch erinnert an die 15'000 polnischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg an der Seite Frankreichs kämpften und von denen zahlreiche verletzt in die Schweiz zur Pflege kamen. Nach einem kritischen Seitenhieb an die Adresse Russlands wegen dessen Präsenz in der Ukraine schliesst er mit einem «Vive la Pologne, vive la France, vive la Bélgique, vive la Suisse et vive l’Europe».

Aldo Schellenberg, Korpskommandant der Schweizer Armee, fordert in seiner Rede den Respekt und die Ehrerbietung für Frauen und Männer aller Völker und Ethnien. «Die Geschichte zeigt, in welch kurzer Zeit die Barbarei auch in einer zivilisierten Welt Überhand nehmen kann.» Die Würde des Menschen müsse jedoch unantastbar sein. Deshalb müsse sich «jede und jeder überlegen, welchen Beitrag er oder sie leisten kann, um zur Menschenwürde beizutragen.»

 

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