Foto: Pia Neuenschwander

Staatlich verordnet

Am dritten Sonntag im September wird der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag gefeiert. Heute ist dieser Tag nicht mehr unumstritten. Zu unrecht?

Am dritten Sonntag im September wird der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag gefeiert. Staatlich verordnet, ist der Tag heute nicht mehr unangefochten. Zu unrecht?

von Andreas Krummenacher

Die Idee von Dank-, Buss- und Bettagen reicht zurück bis ins Mittelalter. 

Das Historische Lexikon der Schweiz schreibt zum Bettag:
«Die Buss- und B.e des Christentums sind aus der Praxis des Judentums hervorgegangen. In Notzeiten des SpätMA tauchten Buss- und Dankfeiern als Gegenstand eidg. Tagsatzungen auf. Die Tradition des ‹Grossen Gebets der Eidgenossen› ist erstmals 1517 schriftlich überliefert. Obrigkeiten reformierter Orte legten im 16. Jh. anlässlich von Pestzügen und Teuerungen wöchentl. oder monatl. Buss- und B.e fest (Basel 1541, Zürich 1571, Bern 1577), die später häufig mit Fastenübungen und Kollekten für notleidende Glaubensgenossen verbunden wurden (z. B. 1655 Waldenser). Nachdem 1619 zum Dank über den Erfolg der Dordrechter Synode ein erster gemeinsamer B. der evang. Orte stattgefunden hatte, beschloss die evang. Tagsatzung 1639 – während des Dreissigjährigen Kriegs, der die Busspraxis allgemein stark beeinflusst hat – aus Dankbarkeit für die bisherige Bewahrung die Einführung eines alljährl. B.s. 1643 vereinbarten auch die kath. Stände, Andachten und B.e anzuordnen. Im Juli 1796 beschloss die gemeineidg. Tagsatzung auf Antrag Berns und angesichts der drohenden Revolution, den B. am 8. September 1796 erstmals als allgemeine eidg. Festfeier durchzuführen. Der B. überdauerte Helvetik, Mediation und Restauration, wenn auch von Katholiken und Reformierten an versch. Tagen begangen. In der Regeneration legte die Tagsatzung am 1. August 1832 auf Antrag des Aargaus den B. für alle Kantone auf den dritten Sonntag im September fest. Graubünden beharrte indessen bis 1848 auf dem zweiten Donnerstag im November und in Genf findet der B. noch zu Beginn des 21. Jh. am Donnerstag nach dem ersten Sonntag im September statt. Die Anordnung des Eidg. Dank-, Buss- und B.s blieb auch im Bundesstaat seit 1848 Sache der Kantone bzw. der reformierten kant. Oberbehörden und der kath. Bistümer. Im Bundesrecht orientiert sich einzig das Geschäftsverkehrsgesetz bezüglich Beginn der Herbstsession am B. Zunächst erliessen die Kantonsregierungen Bettagsmandate, die aus religiöser Sicht auf die aktuellen geistigen, sittlichen, aber auch politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen eingingen. Als Zürcher Staatsschreiber verfasste z. B. Gottfried Keller (1863–1872) solche Mandate. Die Bischöfe beschlossen 1886 eine für die ganze kath. Schweiz verbindl. Festordnung und publizierten zu diesem Anlass einen Hirtenbrief. Seit dem 2. Vatikan. Konzil wird der Eidg. Dank-, Buss- und B. als ökumen. Festtag begangen.»

Seit dem 20. Jahrhundert hat der Bettag an Bedeutung verloren. Vor zwei Jahren veröffentlichte die Theologieprofessorin Eva-Maria Faber ein Buch zum Thema «Dem Bettag eine Zukunft bereiten». Im Interview sagte sie damals im «pfarrblatt»: «Die zunehmend interreligiöse Ausrichtung des Bettags (...) entspricht dem Faktum, dass der Bettag ein staatlich angeordneter Feiertag ist, der darum der religiösen Pluralität in unserem Land gerecht werden muss. Wie in früheren Jahrhunderten kann der Staat, beziehungsweise können Kantonsregierungen der Einsicht folgen, dass die Religionen eine fruchtbare Rolle im Zusammenleben der Bevölkerung und in der solidarischen Verantwortung füreinander und für weltweite Zusammenhänge wahrnehmen.»

Geblieben sind die Kollekten für notleidende Zeitgenoss*innen. Die sogenannte Bettagskollekte wird traditionsgemäss für die «Inländische Mission» aufgenommen. In diesem Jahr werden laut Medienmitteilung 87 Projekte in der ganzen Schweiz finanziell unterstützt. In Freiburg und Genf beispielsweise finanziere die Inländische Mission Anlaufstellen für Obdachlose und Randständige, Integrationsprojekte und spirituelle Angebote. Unterstützung würden das Ranfttreffen oder der Weltjugendtag in Luzern erfahren. Finanziell unterstützt würden kleine Bergpfarreien im Tessin, im Bündnerland und in der Innerschweiz.

In einem Beitrag für das Liturgische Institut in Fribourg schreibt Josef-Anton Willa: «Der Bettag beansprucht Öffentlichkeitscharakter, hat eine politische Dimension. (...) Es macht auch heute noch Sinn, wenn das Land seinen Bewohnerinnen und Bewohnern einmal im Jahr einen Halt anbietet, damit sie sich über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg auf gemeinsame Werte und Orientierungspunkte besinnen und verständigen. Letztlich aber sind es religiös, sozial oder ökologisch motivierte Initiativen vor Ort, die den Bettag am Leben erhalten.»

Unangefochten aber ist der Bettag nicht mehr. Er gilt als aus der Zeit gefallen. Er bleibt aber der einzige staatlich angeordnete und von allen christlichen Kirchen sowie von den israelitischen Kultusgemeinden begangene religiöse Feiertag.

 

Hinweis:
Ökumenische Gottesdienste zum Bettag gibt es im ganzen Kanton Bern. In Wangen, Herzogenbuchsee, Lyss, Spiez, Interlaken, Thun, in St. Marien Bern, in der Dreifaltigkeitspfarrei, in Ostermundigen, Bern-West oder Zollikofen. Details im Veranstaltungskalender oder im E-Paper der aktuellen «pfarrblatt»-Ausgabe.

 

LINKS

Bettag im Historischen Lexikon der Schweiz

Buch - Dem Bettag eine Zukunft bereiten. Interview mit Eva-Maria Faber, Theologieprofessorin in Chur und Daniel Kosch, General Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz, «pfarrblatt» online September 2017

Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag auf der Webseite des Liturgischen Instituts der deutschsprachigen Schweiz: «Betet, freie Schweizer ...», von Josef-Anton Willa

 

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