Stopp Homophobie!

Stehen Sie ein mit uns gegen die Diskriminierung homosexueller Menschen: Mit deinem Cercle de silence setzen wir ein Zeichen.

Setzen Sie mit uns ein Zeichen gegen die Diskriminierung homosexueller Menschen: Am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, stehen wir ein für den Respekt vor Homosexuellen, für ihre Würde, für besseren rechtlichen Schutz und Gleichstellung.

«Deine Kirche verurteilt mich», sagte mir ein Mann Mitte siebzig. Auf meine Frage nach dem Warum antwortete er: «Ich bin homosexuell. Und das habe ich mir übrigens nicht selbst ausgesucht!» Er hatte in seiner Jugend Freundinnen – wie das andere Jungs halt auch so hatten –, und als Erwachsener heiratete er. Nicht nur seine Eltern erwarteten dies so von ihm, sondern auch er selbst dachte, es sei richtig. Mit seiner Frau zusammen Kinder zu bekommen, empfand er als grosses Geschenk Gottes. Erst über Jahrzehnte hinweg merkte er, dass er die ganze Zeit nicht so gelebt hatte, wie es seiner Natur, seinem innersten Empfinden entsprach. Es folgte eine überaus beschwerliche Zeit des Ehrlich-Werdens und des Suchens nach einem gangbaren Weg für seine Frau, die Kinder und ihn selbst.

Vom Verurteilen…

In weiten Teilen der Kirchengeschichte – wie in der Religionsgeschichte überhaupt – wurden und werden homosexuelle Menschen bis heute diskriminiert, verurteilt und verfolgt. Christlicherseits wurde dabei oft pauschal behauptet, homosexuelle Liebe sei «unnatürlich », und es wurden vier weit über die Bibel verstreute Verse als scheinbare «Begründung » herbeigezogen. Dabei wurde unter anderem übersehen, dass es von Jesus Christus keine einzige Aussage gegen Homosexuelle gibt. Im Gegenteil: Seine zentrale Botschaft: «Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst», gilt ausnahmslos jedem Menschen – gerade auch Menschen, die einer Minderheit angehören.

…zur Bitte um Verzeihung

Der Richtungswechsel, den Papst Franziskus 2013 begonnen hatte und diesen Sommer bestärkte, ist für die katholische Kirche bedeutsam: «Ich unterstreiche weiterhin, dass Homosexuelle nicht diskriminiert werden dürfen, sondern pastoral begleitet werden sollen. Die Frage ist: Wenn ein Mensch so fühlt und dabei guten Willens ist und Gott sucht, wer sind wir, um zu urteilen? Ich glaube, die Kirche sollte die Homosexuellen dafür um Entschuldigung bitten, wie sie behandelt worden sind» (Radio Vatikan, 27. Juni). Diese Aussage von Papst Franziskus gewinnt an Bedeutung vor der grausamen Tatsache, dass auch heute noch in vielen Ländern der Welt homosexuelle Menschen von staatlicher und religiöser Seite verfolgt, verhaftet und ermordet werden.

…zu Gespräch und Begegnung

Die Bitte um Verzeihung und der Schutz vor Diskriminierung sind wichtige Schritte. Ein eigentlicher Dialog mit Homosexuellen ist ein weiterer Schritt. Ich denke da an eine Grossmutter: Ihre Enkelin vertraute ihr an, dass sie lesbisch ist. Für die Grossmutter kam dies völlig überraschend. Dennoch merkte sie deutlich, dass sie ihre Enkelin deshalb nicht weniger, sondern genau gleich liebte. Mit der Zeit spürte die Grossmutter zudem, dass das Lesbisch-Sein ihrer Enkelin nichts «Unnatürliches» war. Es gehörte zu ihrer Enkelin, genau so, wie zu andern Menschen anderes gehört. So kam sie zur Erkenntnis: Auch wenn ich mir etwas für mich persönlich nicht vorstellen kann, so kann es für andere ganz normal, natürlich und gut sein.

…zum gleichberechtigten Miteinander

Zu dieser Erkenntnis kommen meiner Erfahrung nach alle, die sich auf ein echtes Gespräch mit homosexuellen Menschen einlassen. Wer also Mühe hat, homosexuelle Menschen anzuerkennen, der suche doch einmal ein persönliches Gespräch. Persönliche Begegnungen sind der beste Weg, um eigene Standpunkte zu überdenken, um Vorurteile, Widerstände und Ängste abzubauen. Auch die Einstellung dazu, welche Rechte Homosexuellen zustehen, wird sich durch das persönliche Kennenlernen verändern. Und religiöse Menschen werden in der persönlichen Begegnung zur Überzeugung gelangen, die der ehemalige Priester und bekannte katholische Theologe Pierre Stutz in seinem eigenen Lebensweg gewann: «Das Lied der Liebe kennt viele Melodien. Homosexuelle Menschen sind gesegnet und sind ein Segen!»

André Flury

Stopp Homophobie
Samstag, 10. Dezember, 16.00: Cercle de silence, auf dem Rathausplatz Bern, 16.30: Ökumenische Feier, Kirche St. Peter und Paul, beim Rathausplatz Bern, unter Mitwirkung von Pierre Stutz und Nationalrätin Margret Kiener Nellen sowie einem Projektchor.
mehr unter: kirche-im-dialog.ch

 

Homophobe Vorurteile

Vorurteile, auch homophobe Vorurteile, erkennt man an blinden Flecken und Widersprüchen zwischen Sprechen und Handeln. Beispiele dafür bietet der Katechismus der katholischen Kirche, der in Nr. 2357–2359 über «Keuschheit und Homosexualität» handelt.

Die Paragraphen sind der vorhergehenden Überschrift «Verstösse gegen die Keuschheit (Nr. 2351–2356) untergeordnet. Diese Zuordnung entspricht einemklassischen homophoben Impuls, nach dem Homosexualität nicht erst dann, wenn sie in «homosexuellen Handlungen » gelebt wird, ein Verstoss gegen die Keuschheit ist. Die Zuordnung insinuiert, dass bereits die Sehnsüchte und Wünsche von Homosexuellen ebenso wie das Outing Akte der Unkeuschheit sind. Das wirkt sich bis heute in der Alltagserfahrung von homosexuellen Menschen in der Kirche schmerzhaft aus. Anstatt dem Themenbereich «Keuschheit» zugeordnet zu werden, sollte das Thema Homosexualität unter demStichwort «Menschenrechte » behandelt werden.

Der Katechismus der katholischen Kirche spricht einerseits in Nr. 2358 ein Diskriminierungsverbot von Homosexuellen aus. Andererseits wirkt das Diskriminierungsverbot widersprüchlich, seltsam verloren inmitten von diskriminierenden Aussagen über Homosexualität. Allein schon die Formulierung, man möge Homosexuellen mit «Achtung, Mitleid und Takt» (Nr. 2358) begegnen, ist herablassend und verletzt. Dass Homosexualität ein Kreuz sein soll, welches Homosexuelle «mit dem Kreuzesopfer des Herrn vereinen» mögen (Nr. 2358), vernebelt die eigentlichen Ursachen des Leidens Homosexueller. Nicht die Orientierung ist das Kreuz, sondern die Aversion und Feindlichkeit der Homophobie. (...)

Offen diskriminierend wird es, wenn der Katechismus Homosexualität als «schlimme Abirrung» bezeichnet und dazu als biblischen Beleg auf Gen 19,1–29 verweist. In der Geschichte der Männer von Sodom geht es um sexualisierte Gewalt, nicht um Homosexualität. Die Verwechslung von Homosexualität mit sexualisierter Gewalt lässt Rückschlüsse auf die homophoben Vorurteile der Autoren dieser Passagen zu.

Hier zeigt sich ein blinder Fleck.

Klaus Mertes SJ

Quelle: Universität Saarland

Klaus Mertes ist ein deutscher Jesuit, Gymnasiallehrer, Autor und Chefredakteur. Seit September 2011 ist er Direktor des Kollegs St. Blasien.

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