Generalvikar Martin Kopp. Foto: Georges Scherrer, kath.ch

Streit im Bistum Chur

Generalvikar Kopp hinterfragt Klerikalismus und wird entlassen

Martin Kopp, der bisherige Generalvikar der Urschweiz, ist aufgrund öffentlicher Aussagen zur Churer Bischofswahl entlassen worden. Viele kritisieren dieses Vorgehen. Die Kantone der Urschweiz gehören zum Bistum Chur.

Das Bistum Chur ist seit knapp einem Jahr ohne Bischof. Die Kandidatensuche gestaltet sich offenbar schwierig, die Verhältnisse sind kompliziert. Papst Franziskus hat als vorübergehenden Verwalter den Walliser Pierre (Peter) Bürcher bestimmt. Dieser hat nun Martin Kopp, den bisherigen Generalvikar der Urschweiz, wegen Aussagen zur Bischofswahl entlassen.

Martin Kopp hat im Churer Bischofrat seit langem immer wieder vor den unguten Entwicklungen im Bistum Chur gewarnt. Die Bischofswahl sei für die pastorale Situation im Bistum Chur, für die Stimmung unter den Mitarbeitenden und für das Verhältnis zur Öffentlichkeit entscheidend.

Hanspeter Schmitt, Ethiker an der Theologischen Hochschule Chur, kritisiert die Entlassung von Martin Kopp scharf. Auf kath.ch fordert er auf, den Diskurs über die anstehende Bischofswahl fortzuführen: Lesen Sie hier den Artikel «Vier Kriterien für das Amt des Churer Bischofs»

Meinung

Wann kommt das Bistum Chur endlich zur Ruhe?

Von Prof. Dr. Angelo Garovi, Bern

Der Apostolische Administrator für das Bistum Chur, Bischof Peter Bürcher, hat den Urschweizer Generalvikar Martin Kopp abgesetzt, besonders verwerflich – in einer Zeit einer gefährlichen Pandemie. Das Bistum wirft ihm vor, er habe in einem Interview in der «NZZ am Sonntag» ein Eingreifen des Staates bei der anstehenden Bischofswahl begrüsst (was Kopp sogleich in Abrede stellte). Kopp habe öffentlich eine Initiative unterstützt, die darauf abziele, die Freiheit des Papstes und des Domkapitels bei der Wahl des Bischofs einzuschränken. Kopp habe damit das Vertrauen des Apostolischen Administrators verloren.

Kaum zu glauben. Die Geschichte wiederholt sich: März 1988: Wolfgang Haas wird zum Weihbischof des Bistum Chur ernannt, zum Bischofskoadjutor mit dem Recht der Nachfolge. Die Ernennung erfolgte unter Umgehung der Mitwirkungsrechte des Domkapitels von Chur.

Prominente Politiker*innen wie Ludwig von Moos, Elisabeth Blunschi-Steiner, Franz Muheim und andere schlugen in einem Brief an Bischof Johannes Vonderach vor, Wolfgang Haas solle von sich aus auf dieses Nachfolgrecht verzichten. Wolfgang Haas wurde dessen ungeachtet im Jahr 1990 Bischof und setzte nicht nur die katholische Kirche in der Schweiz sondern auch ihr Verhältnis zum Staat schweren Belastungen aus.

Im Jahr der Ernennung von Wolfgang Haas zum Bischof liest man, auch in Schreiben an den Nuntius in Bern: «Sein Stil, mit dem er regiert, ist selbstherrlich und diktatorisch. Er lässt keinen Widerspruch zu, umgibt sich mit Leuten seiner Richtung, eliminiert jeden, der eine andere Meinung hat. Es ist kein Dialog mehr möglich.» Man weiss inzwischen, wohin dieser Vertrauensverlust geführt hat. Und wie steht es heute?

Unbegreiflich, was nun unter dem Apostolischen Administrator Peter Bürcher in Chur passiert. Wiederum diese Selbstherrlichkeit, diese arrogante Massregelung und Absetzung des beliebten und weitsichtigen bischöflichen Beauftragten für die Urschweiz.

Ja – die Geschichte wiederholt sich tatsächlich: Im Jahr 1947 schrieb der damalige Obwaldner Kantonsrat Josef Durrer in einer Einzelinitiative zum Bistum Chur: «Der Bischof von Chur zeige für die besonders geartete Mentalität der innerschweizerischen Bistumsangehörigen kein Verständnis.» Er habe sogar kirchliche Sonderrechte, päpstliche Privilegien, missachtet. Durrer schliesst mit dem Satz: «Offenbar läuft im Grauen Haus zu Chur die Uhr unbekümmert über die Zeit, welche die Uhr im Hofe geschlagen hat.»

Es ist auch bekannt, dass der mittelbare Nachfolger von Wolfgang Haas, Bischof Vitus Huonder, die staatskirchenrechtlichen Strukturen im Kanton Zürich immer wieder infrage gestellt hat – der Kirchenrechtler Martin Grichting, vermutlich ein Kandidat für das Bischofsamt, ist daraus klar vernehmbar (Kirche oder Kirchenwesen? Zur Problematik des Verhältnisses von Kirche und Staat in der Schweiz, 1997).

Die Initiative der Zürcher Regierungsrätin Jaqueline Fehr ist aus den bisherigen Erfahrungen deshalb verständlich. Auch Bundesrat Flavio Cotti intervenierte im Fall Haas beim Papst.

Man fragt sich, wie lange das Ordinariat in Chur noch so weiterwirken kann? Ist sich die Kurie bewusst, dass das Ansehen des Bischofsamtes abgewertet und in weiten Kreisen nicht mehr ernst genommen wird?

Vor allem junge Leute emigrieren offen oder still aus der kirchlichen Gemeinschaft. Will die römische Amtskirche mit den Helfern aus Chur ihre Interessen und Machtansprüche wieder – wie bei der Wahl von Wolfgang Haas – durchsetzen und sich dabei über berechtigte Sorgen und Einwände engagierter Bistumsangehöriger hinwegsetzen? Werden die Bischöfe von Chur und ihre Adlaten zu «Totengräbern der Diözese Chur»?

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