«Toleranz, Respekt, Wertschätzung der Menschen» - Regierungsrat Hans-Jürg Käser sprach in Thun über tragende Säulen unserer Gesellschaft. Foto: kr

Toleranz und Respekt als wichtige Säulen der Gesellschaft

Regierungsrat Hans-Jürg Käser sprach am 5. Mai an der Mitgliederversammlung des bernischen Kirchgemeindeverbandes über die Kirchen im Dienst am Gemeinwohl.

Regierungsrat Hans-Jürg Käser sprach am 5. Mai an der Mitgliederversammlung des bernischen Kirchgemeindeverbandes über die Kirchen im Dienst am Gemeinwohl.

Seine Frau sei Organistin, erzählte Regierungsrat Hans-Jürg Käser an der Mitgliederversammlung des Kirchgemeindeverbandes in der katholischen Marienpfarrei in Thun. Er ist also gleichsam «partnerschaftlich» mit der Kirche verbunden. Ausserdem sei für ihn die Präambel der Schweizer Bundesverfassung, «Im Namen Gottes des Allmächtigen!», ein zentraler Wert.

Der Dienst am Gemeinwohl durch die Kirchgemeinden war das Thema seines Referates im Anschluss an die Versammlung. Käser ist noch bis Ende Monat im Amt und scheint auf Abschiedstour zu sein. Er berichtete von Begegnungen mit liberalen Imamen, von beeindruckend-selbstbewussten Benediktinermönchen in Disentis, von wenig begeisterungsfähigen Synodalräten der evangelischen Kirche. Der Vorsteher der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern konnte aus einem vollen Korb an Anekdoten und Erfahrungen schöpfen. Seine wohlkomponierte Rede begann mit einer sehr negativen, sehr deprimierenden Bestandsaufnahme der Gegenwart. 24 Stunden lang müsse alles subito und immer zu Verfügung stehen, ohne Rast und Ruh, verbunden mit einer unfassbaren Informationsflut. «Viele können kaum mehr Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden, haben rasch eine Meinung zu allem und jedem», so Hans-Jürg Käser. Er machte auch vor Medienkritik nicht Halt. «Schuldzuweisungen, an den Pranger stellen, Populismus» – alles vorhanden.

Dann schwenkte er geschickt um und präsentierte seine Rezepte, schliesslich sei er Optimist. Unsere Gesellschaft würde auf verschiedenen Säulen ruhen. Das seien namentlich «Toleranz, Respekt, Wertschätzung der Menschen und die Erwartung an die Bürger, Leistung zu zeigen und sich einzubringen auf der Arbeit, in der Politik und in der Familie. Sozial Schwächere haben die Gewissheit, dass ein engmaschiges Geflecht sie trägt und ihnen trotz wirtschaftlicher Schwäche ein Leben in Würde ermöglicht.»

Die Buchhalter würden die Welt regieren, «wir kennen den Preis, aber den Wert nicht.» Er wolle eine Wertediskussion. Die Kirchen würden nicht bloss aus Gottesdiensten und Kirchensteuer bestehen, die Seelsorge komme oft zu kurz. Man dränge die Pfarrerinnen und Pfarrer in ein «Prozent-Korsett». Das sei falsch. «Gerade in der Seelsorge besteht meines Erachtens ein wesentliches Element des Dienstes am Gemeinwohl», so Käser. Die Kirchen könnten hier einen wesentlichen Beitrag leisten. In der Gesellschaft fehle es nämlich oft an «Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Zuhören können und wollen und Anteil nehmen am Schicksal Einzelner». Käser plädierte dafür, die Seelsorgenden seien prädestiniert, hier zu helfen, den einfachen Menschen, den älteren Menschen.

Als weiteren Schwerpunkt empfahl er den Verantwortlichen in der Kirche die Jugendarbeit. Die Jugendlichen wollten geistige Nahrung, sie würden etwas spüren wollen, fühlen. Diese Arbeit sei wichtig. Zuletzt fügte Hans-Jürg Käser an, dass es ihm wichtig scheine, dass «sich die Kirchgemeinden zeigen, Anteil nehmen am gesellschaftlichen und politischen Geschehen in den Gemeinden.» Er fordert auf aktiv zu sein und mitzudenken.

Ökumene und Verantwortung

Der Präsident des Kirchgemeindeverbandes, Hansruedi Spichiger, sprach gleich in seiner Eröffnungsrede von der Wichtigkeit der Ökumene, der Zusammenarbeit der verschiedenen Konfessionen. Der Kirchgemeindeverband sei nämlich die einzige wirkliche ökumenische Organisation im Kanton Bern. Die Zahlen geben ihm recht, erreicht doch der Verband eine beinahe 100prozentige Abdeckung. Knapp 230 Kirchgemeinden aller drei grossen, christlichen Konfession sind momentan Mitglied. Sie bezahlen unverändert 150 Franken Jahresbeitrag. Rechnung und Budget sind ausgeglichen, wurden demensprechend auch gutgeheissen. Vorstand und Präsident wurden einstimmig wiedergewählt. Eine Statutenänderung gab schliesslich Anlass zu kleineren semantischen Diskussionen

Nach neun Jahren ist der Oberländer Hanspeter Grossniklaus, Unterseen, aus dem Vorstand zurückgetreten. Die Versammlung wählte an seiner statt Esther Richard, Präsidentin der ev.-ref Kirchgemeinde Spiez, Pflegefachfrau und Stationsleiterin.

Der Kirchgemeindeverband hat statutarisch jeweils ein eigenes Traktandum zum Thema Ökumene. Vorgestellt werden «Beispiele ökumenischer Vernetzung». In diesem Jahr präsentierte Christian Furrer, Präsident der röm.-kath. Kirchgemeinde Heiligkreuz Bremgarten, die Umwälzungen seiner Pfarrei, des Um- und Ausbaus des Johanneszentrums in Bremgarten und des dortigen ökumenischen Miteinanders. Die Pfarrei Heiligkreuz und die reformierte Kirchgemeinde Matthäus gehen hier gemeinsame Wege, räumlich und teilweise auch inhaltlich. Ein echter Coup.

Neues Kirchengesetz

Hansruedi Spichiger wies an der Versammlung darauf hin, dass mit der Annahme des neuen Kirchengesetzes die Arbeit erst beginne. Jetzt müsse man die Strukturen anpassen. Die Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Kirchen durch den Kanton sei nicht in Stein gemeisselt. Wichtig sei, dass die Kantonsverfassung nicht angetastet worden sei. Die Kirchgemeinden würden also ihre Steuerhoheit und ihre Autonomie behalten. Mehr Verantwortung bedeute auch steigende Anforderungen. Man solle sich auch in einem Milizsystem nicht scheuen, kompetente Führungsunterstützung zu suchen. Gefragt sei ausserdem gemeindeübergreifende Zusammenarbeit.

Markus Rusch, Präsident der röm.-kath. Synode und Mitglied im Vorstand des Kirchgemeindeverbandes, hat mit seiner « Groupe de réflexion» wichtige Konsequenzen aus dem neuen Kirchengesetz gezogen. Es brauche erstens eine «neue Regelung der Kompetenzen und Verantwortung», zweitens werde die «Führung der Mitarbeitenden sehr wichtig», hier betonte er die Aufwertung der Mitarbeitergespräche und drittens brauche es eine «zentrale Anlaufstelle auf Stufe Landeskirche für Kirchgemeinden in den Bereichen» Finanzen oder Personal.

Martin Koelbing, Beauftragter für kirchliche Angelegenheiten, wies anschliessend darauf hin, dass es im Kanton Bern mit dem neuen Kirchengesetzt keine Trennung von Kirche und Staat gegeben habe, man gehöre weiterhin zusammen. Der Berner Jura könne man auch nicht vom übrigens Kanton wegdenken. Für ihn sind auch die Kirchensteuern für juristische Personen, die gerne in Frage gestellt werden, vollkommen gerechtfertigt. Kirchensteuern würden in der Gesellschaft einen Ausgleich zwischen den Menschen – zwischen Arm und Reich beispielsweise – schaffen. Die Kirchen seien prädestiniert, hier wichtige Impulse für das friedliche Zusammenleben zu schaffen. Unbürokratisch, konkret, an der Basis. Wenn jemand an all dem Interesse haben müsse, dann die Firmen und Unternehmen.

Wenn einer nun aber Geld gebe, so Koelbing, dann wolle er auch wissen, was damit geschehe. «Das ist kein Misstrauen, man verlangt bloss Rechenschaft», führte er weiter aus. Der Kanton gebe Geld, also wolle er Auskunft darüber, welche Beträge für allgemeine, personelle und kultische Zwecke aufgewendet worden seien. Die Landeskirchen müssen künftig Bericht erstatten, also nicht jede einzelne Kirchgemeinden selber. Neben allem andern seien die Leistungen für Freiwilligeneinsätze von grossem Interesse, so Koelbing. Die Erhebung erfolge mittels bestimmter Formulare, sei standardisiert und damit sehr einfach auszufüllen.

Mutig

Die Versammlung näherte sich damit ihrem Ende, die «männer»-Gruppe der Thuner Marienpfarrei machte sich an die Bereitstellung des Apéros. Die Anwesenden hatten klare Aufgaben gefasst, auf den Punkt gebracht von Hansruedi Spichiger mit einem Gotthelf-Satz: «Dem Mutlosen gilt alles nichts, dem Mutigen wenig viel.» 

Andreas Krummenacher

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