Flüssiger Geist – Musik, Musiktexte als mögliche Form, um über Gott zu «reden». Foto: TJ Dragotta on Unsplash

Über die kreative Kraft christlicher Gottesrede

Angela Büchel lässt sich für Glaubenssache online von Gregory Porters Musik inspirieren...

«Liquid Spirit» heisst ein Album des amerikanischen Soulsängers Gregory Porter. Im gleichnamigen Titelsong – laut Patrik Böhler «ein Funkstück, angetrieben durch klatschende Hände und einen schneidenden Bläsersatz» – singt er vom Durst der Menschen nach der Lebendigkeit des Lebens, nach Musik und Freiheit.

Die Lebensgeister, von Menschen eingezwängt in künstliche Bahnen und somit kraftlos, wollen fliessen: «Unreroute the rivers /Let the damned water be / There’s some people down the way that’s thirsty /So let the liquid spirit free.»

Der Song Porters, der als Kind mit seiner Mutter in der Kirche Gospel sang, lässt mit der Metapher des Wassers biblische Texte anklingen und verbindet sie mit der Erfahrung des Flow, des Fliessens, in der Musik. Zudem erinnert das Bild des eingezwängten Wassers an die Rassentrennung und das bis heute schwierige Leben der Schwarzen in den USA. Porter findet eine Sprache für die oft unbestimmte Sehnsucht. Er benennt den Durst und macht durch den Rhythmus und die Musik die Macht des «liquid spirit» zugleich spürbar. «Go’head and clap your hands now.»

Sprachbilder

Für mich ist Porters Song voller Spiritualität. Einem Gottespoeten gleich bringt Porter Gottes Lebensmacht zum Ausdruck. Dies gelingt durch die Kreation eines neuen, unverbrauchten Bildes, das Assoziationen freizusetzen vermag: Flüssiger Geist – trinkbar, erfrischend; fliessender Geist – durchströmend, nährend, befreiend, mittragend, mitreissend.

Es ist eine Metapher, die dem Geheimnis des Lebens Raum gibt. Gottesrede ist auf Metaphern angewiesen. Seit jeher stehen gläubige Menschen vor dem Problem, dass Gott nicht sichtbar und hörbar und doch in ihrem Leben erfahrbar ist.
Wie können sie von Gott sprechen? Die Frage stellt sich selbst dann, wenn eine lange religiöse Tradition und ein reicher Schatz an Gottesnamen vorhanden sind. Die bekannten, alltäglichen Worte vermögen das Neue ihrer Erfahrung unter Umständen nicht auszudrücken. «Nun gebricht mir mein Deutsch, und Latein kann ich nicht», schreibt Mechthild von Magdeburg im 13. Jahrhundert. Gotteserfahrungen setzen einen kreativen Sprachprozess in Gang. Gottesrede ist nie gegenständlich-fixierend, sondern schafft der Lyrik ähnlich Sprachbilder, sogenannte Metaphern, die wie Brücken fungieren, die das Unsagbare ins Wort kommen lassen.


«Das fliessende Licht der Gottheit»

Die Mystiker*innen des Mittelalters waren in besonderer Weise sprachschöpferisch tätig. So ist bei Mechthild die Gottheit «der Brunnen ohne Grund, der niemals versiegt».
Ähnlich paradox spricht Jan van Ruusbroec, ein Schüler Eckharts, vom finsteren Licht.
Das Licht ist in der Mystik eine wichtige, bei Mechthild eine allgegenwärtige Metapher. Dies täuscht leicht darüber hinweg, dass Mechthild die abgeschirmte, «heile» Welt ihrer Kindheit auf der Burg verliess, um sich in Magdeburg der Armutsbewegung der frommen Frauen (Beginen) anzuschliessen. Ihr mystisches Werk entsteht in Konfrontation mit dem Elend, das ihr die Stimme verschlägt. Sie weiss nicht, wie sie Gott in der um sich greifenden Armut verkündigen soll. In Bedrängnis und Not offenbart sich Mechthild als einzig wirkungsvolle Kraft die Liebe zum Leben.
Solidarisch mit den Elenden entdeckt sie, dass jenen, die sich beharrlich dem Leben zuwenden, eine Macht zufliesst. Wie durch einen Spalt in der Mauer kommt den Menschen das fliessende Licht der Gottheit entgegen.

Sprachlos ist von Gott die Rede

Die Erfahrung der Sprachlosigkeit verbindet die Mystik mit der biblischen Gottesrede. Den ersten Namen erhält GOTT von Hagar, der ausgebeuteten Sklavin, die in die Wüste flieht: «Du bist El-Roï – GOTT schaut auf mich» (Genesis 16,13b). Dem des Totschlags schuldig gewordenen Mose offenbart sich GOTT überraschend als der «Ich bin, der ich bin» (Exodus 3,14). Moses Zweifel waren gross: «Aber bitte, GOTT, ich bin keiner, der gut reden kann, weder gestern noch vorgestern, noch seitdem du mit deinem Knecht sprichst.» Verschlägt es den Menschen die Sprache, spricht die Stille Gottes Wort.

Angela Büchel-Sladkovic

Hinweis: Den vollständigen Text lesen Sie auf Glaubenssache online
Literaturtipp: Hildegund Keul: Wo die Sprache zerbricht. Die schöpferische Macht der Gottesrede, Mainz 2004.



 

 

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