Informationstour durch die Schweiz: Guido Fluri. Foto: Keystone

Verdingkinder: Recht auf Entschädigung

Ehemalige Verding- und Heimkinder können bis zum 31. März 2018 einen Solidaritätsanspruch geltend machen. Der Vorgang ist umkompliziert und es gibt Hilfestellung.

Ehemalige Verding- und Heimkinder haben einen Anspruch auf einen Solidaritätsbeitrag, wenn sie vor 1981 Unrecht erlitten haben. Sie müssen das bis zum 31. März 2018 geltend machen.

Der Vorgang ist völlig unkompliziert. Ausserdem gibt es kantonale Anlaufstellen, an die man sich wenden kann.
Guido Fluri hat vor über zehn Jahren die Wiedergutmachungsinitiative gestartet; ehemalige Verding- und Heimkinder sollten endlich Respekt, Gehör und Entschädigung erhalten.

In kürzester Zeit kam die Initiative zustande. Das Parlament verfasste einen Gegenentwurf, der die wichtigsten Punkte der Initiative enthielt: Aufarbeitung des Unrechts und Entschädigung für die Opfer. Das fand eine parlamentarische Mehrheit, Guido Fluri zog die Initiative zurück. Das entsprechende Bundesgesetz trat diesen April in Kraft.

Wie einfach die Gesuchstellung tatsächlich ist, darüber hat am vergangenen Freitag Guido Fluri im Senevita in Burgdorf referiert. Es gehe um die Opfer des dunkelsten Kapitels der Schweizer Geschichte, so Fluri, jene Menschen, die von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen betroffen waren.
Menschen also, die verdingt, versteigert, misshandelt, missbraucht, weggesperrt oder zwangssterilisiert worden seien. Menschen, an denen ohne ihr Wissen Medikamente getestet wurden, Menschen, die ohne Gerichtsurteil zwangsadoptiert oder auch zur Abtreibung gezwungen wurden.

«Administrativ versorgt» – so lautete der behördliche Terminus. Kein Geld der Welt könne den Missbrauch an diesen Menschen ungeschehen machen. Aber es sei eine Geste. Das Leid werde zur Kenntnis genommen.
Viele Betroffene seien nun aber verunsichert, hegten ein grosses Misstrauen gegenüber den Behörden. Viele meinten, sie müssten alles bis ins letzte Detail beweisen, darlegen und auflisten. Das sei aber alles gar nicht der Fall. Die Anlaufstellen würden die Formulare auch für die Hilfesuchenden aufüllen, ausserdem sei das zuständige Bundesamt äusserst kulant.

Die Gesuche würden grosszügig anerkannt. Gefordert seien jetzt Beistände, Spitexmitarbeitende, Seelsorgende – all jene, die mit diesen Menschen im Kontakt stehen. Sie müssten sie auf ihr Recht aufmerksam machen und sie an die Anlaufstelle verweisen.
Im persönlichen Gespräch lobt Guido Fluri schliesslich die heutige Beteiligung der Bischofskonferenz am ganzen Prozess.

Massgebend sei die Arbeit der bischöflichen Kommission Justitia et Pax gewesen. Dennoch vermisst er nach wie vor eine umfassende Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Auf die Bischofskonferenz werde sicher noch einiges zukommen im Zusammenhang mit der akribischen Aufarbeitung, die das Bundesgesetz ebenfalls vorsehe. Er hätte sich von den Bischöfen vor allem am Anfang mehr Unterstützung gewünscht.
Es wirke bisweilen befremdlich, wenn die Kirche den Missbrauchsopfern mitteile, man habe selber Anlaufstellen, kommt zu uns, meldet euch. Man erwarte also von den Opfern, dass sie am Ort ihres Missbrauchs wieder anklopfen. Das könne nicht funktionieren.

Andreas Krummenacher

Hinweise

Informationsveranstaltungen zum Thema: 3. November im Tertianum Fischermätteli (Könizstrasse 74) in Bern und am 7. November in der Residenz Bellevue-Park Thun.
Unkomplizierte Hilfe erhält man bei der Berner Anlaufstelle für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen: Frau Maurer und Herr Allgaier, Tel. 031 370 30 70.

Homepage der Guido-Fluri-Stiftung  
Das EJPD zum Solidaritätsbeitrag  
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund: Neue Publikation zur reformierten Beteiligung in der Heim- und Verdingkinderpraxis.

 

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