Rezept für «Dessi», ein Reisdessert aus Tibet: 300 g Basmatireis, je eine handvoll Sultaninen, Cashewnüsse und Datteln, 2 bis 3 EL Butter, 2 EL Zucker. Zubereitung: Reis kochen, Butter in einer Pfanne erhitzen, Nüsse darin rösten, Reis, Sultaninen, Datteln und Zucker dazugeben, auf kleiner Flamme alles vermengen. Etwas Minze darüber geben. Fertig! Kann auch kalt gegessen werden.

Verständnis geht durch den Magen

Wie schmeckt Heimat? Ein aussergewöhnliches Kochbuch erzählt von Begegnungen mit Flüchtlingen und ihren kulinarischen Reichtümern.

Autorin Séverine Vitali besucht regelmässig Flüchtlinge aus aller Welt – und sie kocht gern. Aus diesen Zutaten entstand ihr Buch «Heimat im Kochtopf».

Zu meiner Studentenzeit wohnte ich am Untermattweg im Westen Berns. Die Nachbarschaft war multikulturell zusammengesetzt. Unvergessen ist mir eine irakische Familie, die eines Tages in der Kellerwohnung eingezogen war. Still und leise, fast unbemerkt. Die Frau war stets vollkommen verschleiert, und man sah sie jeweils nur kurz über den Flur huschen oder ganz schnell in der Wohnung verschwinden. Das Misstrauen im Haus war gross.

Eines Tages stand ihr Mann, er sprach ganz gut Deutsch und arbeitete auf dem Bau, vor meiner Tür und lud mich zum traditionellen islamischen Fastenbrechen abends spät zu sich in die Wohnung ein. Das war mir alles nicht ganz geheuer, aber ich nahm die Einladung an. An besagtem Tag, nach dem Eindunkeln, fand ich mich in der Wohnung der irakischen Familie wieder, viele aus der Nachbarschaft waren auch gekommen. Die Neugierde hatte gesiegt, wir waren 15 Personen aus allen Teilen der Welt. Es gab Lamm und Couscous, es gab gefülltes Gemüse und Salat, es gab Rosinen und Kokoskuchen – es war ein Fest.
Wir tauschten uns buchstäblich mit Händen und Füssen über unsere kulinarischen und kulturellen Eigenheiten aktueller und früherer Heimatländer aus. Das Misstrauen verschwand an diesem Abend. Die irakische Gastgeberin erfuhr auch, dass sie sich nicht verschleiern muss, um respektiert zu werden. Nur wenige Wochen später wich ihr Tschador einem normalen Kopftuch. Wir haben viel voneinander gelernt an diesem Abend.
Das alles kam mir natürlich wieder in den Sinn, als ich das Kochbuch «Heimat im Kochtopf» gelesen habe. Es sind darin all diese wunderbaren Rezepte versammelt. Menschen, die gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen, müssen meist so gut wie alles Materielle zurücklassen. Dafür bringen sie ein reiches kulturelles Gepäck mit – etwa ihre kulinarischen Traditionen. Die Menschen in diesem Buch laden zu Tisch ein, teilen ihre Rezepte und erzählen ihre Geschichte: aus Afghanistan, Eritrea, Guinea, Honduras, Irak, Iran, Jemen, Libanon, Mongolei, Peru, Senegal, Sri Lanka, Südossetien, Syrien, Tibet und der Ukraine. Ihre Rezepte spiegeln die grosse Vielfalt der verschiedenen Landesküchen wider: von Curry bis Kohl, von Fisch bis Fingerfood, vom einfachen Gemüseeintopf bis hin zum grossen Menü, für das auch gerne einmal mehrere Tage lang gekocht werden darf. Und sie zeigen den enormen sozialen Stellenwert, den das gemeinsame Essen besitzt.

Es ist ein aussergewöhnlich schön gestaltetes Buch, mit tollen Fotos. Es entführt an unbekannte Orte und vor allem an Orte, die wir in komplett negativem Zusammenhang aus den Nachrichten immer wieder hören. Nun aber bekommen sie ein Gesicht in Form von Menschen und ihren Speisen. Probieren Sie es aus.
Die Fastenzeit einmal anders. Ich schlage ein Röstifasten vor, dafür gibt es Ferni, Barani banjan, Sabsi palak, Dolma Yaprach oder Momo und Schabale. Die Zutaten mögen speziell sein, die Zubereitung bisweilen ungewohnt. Aber man lernt etwas Neues kennen und vielleicht einander verstehen. Ein ganz klein wenig.

Andreas Krummenacher

Hinweis: Séverine Vitali, Heimat im Kochtopf, Rezepte von Flüchtlingen aus aller Welt, Rotpunktverlag 2015, 272 Seiten, Fr. 39.–

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