Der Olavsweg in Norwegen wurde 2011 vom Europarat zum «Europäischen Kulturweg» erklärt. Er ist recht gut mit vielen roten Olavskreuzen markiert. Es ist jedoch wichtig, Kartenmaterial mitzunehmen.

Warum wandern, wenn man auch fahren kann...

Eine alte Pilgerroute, entlang von Seen und Fjorden, durch tiefe Wälder und windige Hochplateaus: Der Olavsweg in Norwegen. Ein Bericht.

In Norwegen gibt es ein Netz historischer Pilgerwege, die alle zur Grabstätte des Heiligen Olav, dem Nidarosdom in Trondheim, führen. Der längste dieser Pilgerwege ist der «Olavsweg», auch «Gudbrandsdalsweg» genannt. Er führt über 600 Kilometer von Oslo nach Trondheim. Der Kaufdorfer Markus Ehrler ist diesen Weg im Sommer 2015 gepilgert und schildert für das «pfarrblatt» seine Eindrücke.

Von Markus Ehrler*, Text und Fotos

Bei der Stabkirche von Ringebu, einer der grössten noch erhaltenen Stabkirchen Norwegens, treffen wir auf einen Schweizer, der mit einer Reisegruppe per Bus aus dem Aargau hergefahren ist. Als wir ihm berichten, dass wir zu Fuss unterwegs sind, ist er sehr erstaunt, dass wir den langen Weg nicht mit dem Auto fahren, und fragt: «Worum au loufe, we’ me cha fahre?»

Wahrscheinlich gibt es auf diese Frage keine einzige und sofort einleuchtende Antwort. Umso mehr, als auf einer solchen Pilgerreise auch spirituelle Erfahrungen gemacht werden können, die persönlich und nicht einfach zu erklären sind. Ich habe mich auf dem Weg, bei Regen, sumpfigem Pfad und keiner Beiz weit und breit, tatsächlich oft gefragt: «Worum au loufe, we‘ me cha fahre?» Aber viele Gründe sprechen dafür, diesen eindrücklichen Pilgerweg unter die Füsse zu nehmen.

Natur pur und grandiose Landschaften

Der Weg führt durch tiefe Wälder, entlang von Seen und Fjorden, durch kleine Dörfer, aber auch zur grösseren Stadt Lillehammer, durch nasse Wiesen und entlang von Feldern. Mal auf kleinen Waldpfaden, auf historischen Wegen, aber durchaus auch entlang asphaltierter Strassen.

Der landschaftliche Höhepunkt der Wanderung ist der beeindruckende Dovrefjell-Nationalpark! Auf diesem Hochplateau knapp über der Baumgrenze liegen die Wolken meist tief, der Wind pfeift um die Ohren, und der einsame, 100 Kilomenter lange Pfad führt durch farbige Flechtenteppiche. Oft geht’s auf glitschigen Brettern über sumpfiges Gelände.

Einsamkeit erleben

Obwohl seit 2011 als offizieller Pilgerweg anerkannt, ist der Olavsweg nicht sehr bekannt. Nur selten treffe ich Mitpilger. Wenn jedoch tatsächlich in einer Herberge ein «Pilgrim» vorbeikommt, bin ich froh um Gesellschaft, wir tauschen Erfahrungen aus und wandern ein Stück zusammen. Aus solchen Begegnungen haben sich sogar gute Freundschaften entwickelt.
Norwegen ist ein dünn besiedeltes Land, und vor allem als allein wandernder Pilger muss ich mich an die menschenleere Weite gewöhnen. Die Einsamkeit ist für mich eine ganz neue und beeindruckende Erfahrung! Die Norweger sind meist etwas zurückhaltend, aber ein freundliches «hei» höre ich oft unterwegs.

Einkehr in «echten» Pilgerherbergen

Übernachtung und vor allem Verpflegung bleiben auf dem Weg eine gewisse Herausforderung. Planung ist angesagt. Es gibt durchaus sehr schöne, «richtige» Pilgerherbergen. Diese «Stabbur» (alte Speicher-Gebäude) sind einfach, aber liebevoll eingerichtet, sauber und immer preisgünstig. Es ist mir ein unvergessliches Erlebnis, wie wir zu dritt nach einem langen Marsch auf dem einsamen Dovrefjell bei einem schönen Bauernhof herzlich willkommen geheissen werden. Dann werden die Schuhe getrocknet, und nach einer warmen Dusche geniessen wir einen heissen Tee auf dem Schaukelstuhl am Cheminéefeuer. Und am Abend werden wir sogar eingeladen zu einem besinnlichen Abendgebet im Schafstall, der zu einer schönen Kapelle umgebaut worden ist. Hier wird es uns wieder stark bewusst, dass eine Pilgerwanderung eigentlich eine religiöse Tradition hat.

Einfachheit und Ursprünglichkeit

Der Weg ist für Leute geeignet, welche die Einsamkeit in der Weite des Nordens schätzenund eine Alternative zum viel begangenen Jakobsweg suchen. Als Pilger bin ich oft allein, der Weg kann steinig sein, sumpfig, steil, selten leicht, oft beschwerlich, karg, windig. Aber ich erlebe auch eine faszinierende Weite, lange helle Tage (von Juni bis August), liebliche Landschaften, riesige Wälder und tiefblaue Seen. Inmitten der ursprünglichen Natur wird mein Kopf richtig leer und durchgelüftet. Der Alltag ist weit weg, mit der Zeit lasse ich einfach los und wandere, wandere, wandere. Mit den wenigen Habseligkeiten im Rucksack kommt ein Gefühl von Freiheit auf – eigentlich braucht es gar nicht viel zum Glück!

«Drum loufe!»

Mit dem Auto ist die Reise von Oslo nach Trondheim eindeutig bequemer und viel schneller zu bewältigen. Aber ob der Trip mit dem Auto wohl auch ein solch einmaliges und unvergessliches Erlebnis ist wie das Pilgern auf dem Olavsweg?

*Angaben zur Person
Markus Ehrler, 63 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Dank seiner frühzeitigen Pensionierung geniesst er es, noch mehr Zeit zum Wandern zu haben. Neben Freiwilligenarbeit schätzt Markus Ehrler die neugewonnene Freiheit, um vermehrt Reisen mit dem VW-Camper zu unternehmen und Tai-Chi zu üben. Er lebt in Kaufdorf.

Informationen und Hinweise

Offizielle Seite des Netzwerkes der Olavswege, mit Infos auch in Deutsch, inkl. Tipps zur Planung: www.pilegrimsleden.no/de/

Büchertipps: Helfried und Renate Weyer, Olavsweg. Pilgern in Norwegen. Wegbeschreibung von Oslo nach Trondheim, Tecklenborg Verlag 2014, 206 Seiten, Fr. 24.70. Dieser «Pilger-Reiseführer» stellt den Olavsweg, Geschichte und Kultur vor und ermöglicht die optimale Planung: Pilgertipps, Routenvorschläge, Ausrüstungstipps, Unterkunftsangaben, Karten. Hilfreiches, aber nicht optimales Buch.
Janet Hall, Eat, Sleep, Walk. A companion to one of the most magical of all journeys – pilgrimage. PDF als Download 13 Euro, in Englisch. Nützliche praktische Hinweise und auch philosophische Gedanken, welche Lust machen zum Pilgern: www.pilgrimpatterns.com

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