Die Theologin Prof. Dr. Elisabeth Gössmann 2009. Bild: KNA, Barbara Just

Was fängt man im Jahr 1963 mit einer Professorin an?

In einen grauen Mantel gehüllt, die Haare hochgesteckt zu einem Bürzi, schwer beladen mit Büchern – so sehe ich sie vor mir auf dem Weg zur U-Bahnstation. Es ist Winter 1990 und Theologin Elisabeth Gössmann ausserordentliche Professorin der Philosophie in München.

Für mich eine unvergessliche Erfahrung: ich höre Vorlesungen von einer Frau und sitze bei ihr im Seminar! Dass Gössmann an einer deutschen Universität regelmässig zu hören war, verdankten wir der Initiative von Studierenden. Gössmann, Pionierin der theologischen Frauenforschung, lehrte seit Jahrzehnten in Japan. Doch der Reihe nach. Geboren 1928 in Osnabrück, kam Gössmann bereits 1952 nach München – wegen eines Satzes, der im neuen Reglement der Universität fehlte. Da stand nicht mehr, wer doktoriere, müsse bereits die Diakonatsweihe empfangen haben. Ob das auch für Frauen galt? Wenn Sie nicht mit einer durchschnittlichen Arbeit kommen, meinte ihr Professor. Elisabeth Gössmann und Ute Ranke-Heinemann, Tochter des ehemaligen Bundespräsidenten, waren 1954 die ersten promovierten Theologinnen. Acht Jahre später, inzwischen zweifache Mutter und Lehrbeauftragte der Universität Tokyo, folgte der nächste akademische Schritt. Gössmann präsentierte in München ihre Habilitationsschrift. Ihr Doktorvater hoffte auf Rückenwind vom Konzil, es gab jedoch bischöflichen Einspruch: «Ich wurde zu Kardinal Döpfner gerufen, der mir erklärte, dass der Abbruch des Habilitationsverfahrens keineswegs an meiner Leistung liege, sondern daran, dass ‹wir Bischöfe ja noch nicht wissen, was wir mit habilitierten Laien in der Theologie anfangen sollen›.» Gössmann ging zurück nach Tokyo, wo sie sich bald gezwungen sah, in japanischer Sprache zu unterrichten, um ihren Job zu behalten.
1978 ermöglichte ihr Eugen Biser, Theologe an der philosophischen Fakultät in München, aufgrund ihrer zahlreichen Publikationen eine Habilitation in Philosophie. Die Bewerbungen an eine deutsche Universität brachten ihr 37 Absagen ein; lange passte das Geschlecht, am Schluss das Alter nicht. Gössmann widmete sich wieder dem Studium der Frauentexte aus Mittelalter und Neuzeit und fand darin «sogar Trost und Mut».

Angela Büchel Sladkovic

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