Was mach' ich eigentlich hier?

Theologe, Novize, Praktikant: Ein Gespräch mit Jonathan Gardy, der von der Uniseelsorge im aki Bern nach Nürnberg ins Noviziat geht.

Er schmirgelt, putzt und streicht am antiken Gartenhaus des aki in Bern. Sommerarbeit für Jonathan Gardy, der Mitte September sein Pastoral- Praktikum in der katholischen Uniseelsorge in Bern beendet, um in Nürnberg das Noviziat bei den Jesuiten anzutreten. Eine Begegnung.

Seine Praktika im aki Bern und in der Pfarrei St. Franziskus Zollikofen, haben ihm viel gegeben, meint Jonathan Gardy. Er habe bisher die Unigemeinden in Freiburg im Breisgau, in Paris und jetzt in Bern erlebt. Die Berner hätten das offenste Programm, seien am nächsten dran an den Studierenden. Das Kompliment wirkt ehrlich, nicht wie eine Höflichkeitsfloskel eines abtretenden Praktikanten.

Der 25-Jährige ist als Einzelkind in Bochum im Ruhrgebiet aufgewachsen. Seine Eltern sind evangelische Christen, die Mutter konvertierte aus kritischem Geist zum Katholizismus «nicht wegen des damaligen Papstes», lacht Gardy. Jonathan Gardy wurde katholisch getauft und durchlief die «klassische Theologenlaufbahn », wie er schmunzelnd bemerkt: Ministrant, Jugendleiter, aktiv im Pfarreileben vor Ort. Sein Vater blieb evangelisch. Die ansässigen Zisterzienser von Heiligenkreuz spielten eine Rolle in seiner religiösen Prägung: «Allerdings keine Entspannte», erzählt Gardy: «Ich erlebte dort Oberflächlichkeit im Glaubensvollzug und menschliche Abgründe. Man lästerte, ging miteinander nicht gut um. Das kann eben auch in einem Orden Realität werden.» In der Schule neigte er, seinen Begabungen entsprechend, zu den Geisteswissenschaften: «Neben dem Glauben hat mir kritisches Denken immer schon Freude gemacht. Dazu war ich auch politisch interessiert», erläutert er freimütig. Er ist Mitglied der Partei «Die Linke» in Deutschland, «weil diese Partei eine Vision von Frieden und sozialer Gerechtigkeit hat und diesen Anspruch auch konsequent vertritt», sagt er. «Es gibt auch in Deutschland viel versteckte Armut, Kinder die in Armut leben müssen.» Er schwankte deshalb auch in der Wahl des Studiums zwischen Politik und Theologie. Ein Besuch in Taizé liess den spirituellen Funken springen. Die ökumenische Gemeinschaft, die Wärme und Geborgenheit der Gesänge, das herzliche Miteinander der Menschen aus den verschiedensten Ländern und «die Stille, der eigentliche Schatz von Taizé», beeinflussten seinen Entscheid, Theologie zu wählen.

In seinem Freundeskreis machte sich Gardy damit zum Exoten und er begegnet oft den gleichen Fragen wie: Welchen Reiz hat ein zölibatäres Leben, was willst du in einem Weltkonzern, der Frauen nicht gleichberechtigt, eine verquere Sexualmoral pflegt und Reformen verschläft? «Mein Interesse aber an existenziellen Fragen, am Sinn des Menschseins, der in Christus sichtbar wird, lässt für mich diese leidigen Themen in den Hintergrund treten. » Gott und Glaube, was bedeuten sie dem jungen Absolventen der Theologie? Er hält kurz inne und sagt: «Ich glaube, dass Gott die Menschen liebt und ihre Freiheit will. Gott ist für mich Beziehung, ein ganz grosses Du, ein grosses vor mir, in mir und über mir.» Kann Jonathan Gardy diese Beziehung konkreter fassen? Er kann: «Es ist wie ein grosser Frieden, ein Herzensfrieden in mir. Ich fragte mich, wie ich diesen Frieden weitergeben kann. Dafür schien mir Theologie geeigneter.»

Politik und Kirche bleiben für ihn aber Herausforderung: «Die Kirche und die Politik haben meiner Ansicht nach in Westeuropa so eine Art Nichtangriffspakt geschlossen, was für beide sehr komfortabel ist. Die Kirche kann in Frieden ihren ‹Kernaufgaben› nachgehen und die Politik muss sich nicht mit lästigen, religiös motivierten Forderungen herumschlagen. Ich finde aber, dass die Kirche in dieser Hinsicht überhaupt keine gute Figur macht. Es ist dringend nötig, dass die Kirche zu politischen Themen ihre Stimme erhebt und zwar nicht für Positionen, die schon Konsens sind, sondern dass sie zum Beispiel viel stärker für eine gerechtere Verteilung von Kapital plädiert. Da wir aber eine bürgerliche Kirche haben, schaut sie, zugespitzt gesagt, mehr auf ihre eigene Klientel, statt für alle Menschen einzutreten.»

Mitte September steigt Gardy ins Noviziat bei den Jesuiten in Nürnberg ein. «Was man sich sonst so vorstellt, für junge Menschen, Geld, Karriere, eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten, das wird mir schnell schal. Das zölibatäre Leben lässt mehr Zeit für das Gebet und um für andere da zu sein. Das zeigen nicht zuletzt viele Ordensleute in Krisengebieten der Welt.» Das Noviziat dauert zwei Jahre: «Es ist eine Zeit der Ausbildung und der Prüfung. Ich kann mich prüfen, der Orden prüft mich. Und dann werde ich entscheiden.»

Jonathan Gardy hilft in Bern über den Sommer ein altes Gartenhaus zu renovieren. Hat Christus, der kein Priester war, nicht mal ein Christ, hat dieser Christus mit seinem Projekt Menschlichkeit noch eine Chance in unserer Welt? Gardys Augen leuchten und er sagt mit Überzeugung: «Ich glaube, es gab noch nie einen vielversprechenderen Zeitpunkt als heute. Christus hat als Person auf eindrückliche Weise vorgelebt, wie man zu seinem Wesen steht, zu dem, von dem man tief überzeugt ist. Diesem inneren Ruf ist er gefolgt und lebte konsequent dafür und hat letztlich sich selbst dafür zurückgestellt. Wenn es gelingt, das sichtbar zu machen und nicht nur vom lieben Jesus und seinen Predigten zu sprechen, hat Christus nach wie vor ein grosses, fruchtbares und heilsames Potenzial gerade für den Menschen von heute, der sich doch auch fragt, was mach’ ich denn eigentlich hier, was soll ich tun?» Sagt’s und werkelt vergnügt weiter an der Auffrischung des alten Gartenhauses. Und an seinem Lebensentwurf.

jm

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