Weder ein billiges Ja noch ein trotziges Nein

Bischof Joseph Bonnemain zur «Ehe für alle»

Verstehen denn alle, die «Ehe für alle» befürworten, unter «Ehe» dasselbe? fragt der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain. In seinem Meinungsbeitrag plädiert er für eine Umbenennung der Partnerschaft zwischen Mann und Frau, um zu differenzieren.

Von Joseph M. Bonnemain, Bischof von Chur

Anfangs Juli habe ich in einem Interview in der NZZ im Zusammenhang mit der Abstimmung vom kommenden September über die «Ehe für alle» unter anderem erklärt: «Kommt die «Ehe für alle» durch, sollten wir vielleicht die Partnerschaft zwischen Mann und Frau neu benennen: ‹Liebe für immer› oder ‹Bio-Ehe›». Zahlreiche Beiträge, Mails und Kommentare haben sich in der Folge Gedanken gemacht, wie das mit der «Bio-Ehe» sein könnte: Ernsthaft, kritisch, ironisch, bis hin zur Glosse. Ich danke allen, die meinen Steilpass aufgenommen haben, ihn weiterspielen und das Thema zur Diskussion bringen.

«Bio-Ehe» regt zu Diskussionen an

Tatsächlich habe ich eine erstaunlich rege Diskussion ausgelöst, die bis heute andauert. Zugegeben: Die Bezeichnung «Bio-Ehe» ist mehrdeutig und kann in verschiedene Richtungen interpretiert werden. Mir ist in dem Moment einfach keine bessere Bezeichnung in den Sinn gekommen. Bis jetzt aber hat noch niemand eine bessere Bezeichnung geliefert.

Eine gute Idee kann diesbezüglich neuen Schwung in die Diskussion bringen, für ernstgemeinte Vorschläge bin ich offen. Es liegt mir fern, mit der «Bio-Ehe» eine Wertung oder gar Abwertung vorzunehmen. So kann die Bezeichnung «Bio» mit Biologie und Natur in Verbindung gebracht werden. Das war aber nicht meine Absicht.

Um was es mir geht: zum Nachdenken anzuregen über die Bezeichnung Ehe von ihrem biblisch jüdisch-christlichen Ursprung her. Und dass auch andere Formen von Partnerschaft auf dauernde Liebe ausgerichtet sein können, ist für mich selbstverständlich.

Freier Entscheid an der Urne

Ich finde es gut und recht, dass verschiedenen Formen von stabilen Partnerschaften im staatlichen Bereich Rechte und Pflichten zuerkannt werden und an der Urne soll jede und jeder frei und aus eigener Überzeugung entscheiden, was die Partnerschaften am besten schützt und fördert.

Bibel spricht in Bildern

Wenn man im ersten Buch der Bibel liest, erkennt man, dass Mann und Frau aufeinander hin geschaffen sind und die Partnerschaft auch auf Fortpflanzung ausgerichtet ist: «Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch…» (Gen 1, 27-28). So wurde die Bibel von der Kirche und der Tradition immer interpretiert.

Es ist mir klar, dass die Bibel nicht buchstäblich verstanden werden darf, denn sie spricht in Bildern und allegorischen Erzählungen, welche aber die Offenbarung Gottes über Gott, Mensch und Welt darstellen. Die Ehe ist nicht bloss eine kulturell bedingte Institution.

Umbenennung soll differenzieren

Es gibt eine in der Bibel überlieferte, spezifische Beziehung zwischen Mann und Frau, die bis jetzt Ehe genannt wurde. Alles andere ist etwas anderes.

Einzig das ist mein Anliegen – weder wertend, noch abwertend: Ich plädiere dafür, in der Benennung diesen Unterschied aufrechtzuerhalten. Ich stelle auch die Frage: Verstehen denn alle, die «Ehe für alle» befürworten, unter «Ehe» dasselbe? Wenn nicht, warum soll man dann den gleichen Begriff verwenden?

Die Diskussion muss weiter gehen. Weder ein billiges Ja noch ein trotziges Nein werden dem ernsthaften Anliegen gerecht.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Schweizerischen Kirchenzeitung 16/2021.

 

 

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