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Wert des Lebens, der –

Gesundheit vs. Wirtschaft. Der Wert des Lebens in der aktuellen Ausnahmesituation.

Auch ich kann das Wort Corona nicht mehr hören – trotzdem bitte ich um Nachsicht, dass ich dieses omnipräsente Thema doch bearbeite. Die Krise hat gewisse Aspekte, die theologisch äusserst brisant sind, jedoch im öffentlichen Diskurs nur am Rande oder aus eingeschränkter Perspektive betrachtet werden, auftauchen lassen.

Eine solche Thematik wird im Moment diskutiert – die Parteien der Wirtschaftsbosse pochen auf eine Lockerung der Massnahmen schon in naher Zukunft. Linke Parteien dagegen möchten die Entscheidung der Lockerung allein der Wissenschaft und den Gesundheitsexpert*innen überlassen. Woanders taucht dieselbe Frage in anderer Form auf: Müsste man einen gewissen Teil der Bevölkerung in einem solchen Krisenfall nicht einfach opfern? Schliesslich würde der langfristige Shutdown der Wirtschaft viel mehr Leid zur Folge haben als der Tod einer kleinen Gruppe älterer, schwächerer Personen.

Die Probleme, die sich hier stellen, berühren zentrale, ethische Fragen. Es zeigt sich in solchen Überlegungen ein radikaler Utilitarismus – menschliches Leid bzw. Nutzen werden gegeneinander aufgerechnet und so die Lösung gewählt, die summa summarum am wenigsten Leid fordert. Aber schon da stellt sich das Problem: Welches Leid? Die Wirtschaftskrise hat Armut zur Folge, Arbeitslosigkeit psychologische Probleme. Aber wie soll das «summiert» werden? Zudem: Ist ein Leben nicht unverhandelbar? Dürfen Menschen, auch Ältere, Kranke, geopfert werden, wenn es der Gesellschaft insgesamt grosses Leid erspart? Oder hat das menschliche Leben solch absoluten Wert, dass alles getan werden muss, um gefährdete Personen zu schützen?

Wir sehen uns plötzlich mit Entscheidungen konfrontiert, die uns bis jetzt nur als ethische Gedankenspiele begegnet sind, irrelevant für das Alltagsgeschehen. Ethik war etwas für Ethiker*innen und hatte in Wirtschaft und Politik nur etwas zu suchen, wenn sie nichts kostete. Und nun? Hat niemand Antworten.

Sebastian Schafer

«Katholisch kompakt» im Überblick

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