Präsidiumswechsel im Verein «Haus der Religionen – Dialog der Kulturen». Regula Mader (links) hat das Amt im Juni von Gerda
Hauck (rechts) übernommen. Foto: Pia Neuenschwander

«Wir sind ein Vorzeigeprojekt, wir sind Vorbild»

Präsidiumswechsel im Haus der Religionen: Gerda Hauck und Regula Mader im Gespräch.

Vor drei Jahren wurde das Haus der Religionen in Bern eröffnet. Organisatorisch wird das Haus vom Verein «Haus der Religionen – Dialog der Kulturen» getragen. Nach zehn Jahren gibt es nun einen Präsidiumswechsel. Gerda Hauck übergibt an Regula Mader.

Im ersten Stock im Haus der Religionen treffen wir die beiden Frauen zum Gespräch. Eine grosse Glasfront gibt den Blick frei auf den Europaplatz.
Gerade ist das Freitagsgebet zu Ende gegangen, Menschen mit unterschiedlichstem kulturellem Hintergrund strömen auf den Platz.

«pfarrblatt»: Gerda Hauck, wo ist Ihr Lieblingsplatz im Haus der Religionen?

Gerda Hauck: Ich finde diesen Platz «hier oben links» so schön, diese Sitzgruppe hier. Das Kommen und Gehen ist von da aus wunderbar sichtbar.
Man bekommt das Gefühl, dass wir hier Teil des Alltags sind. Gleichzeitig sieht man auch die Vielfalt dieses Alltags. Wenn ich jetzt wieder rausschaue – all diese Menschen, die hier zirkulieren. Das ist eine richtige Wohltat.

Gibt es für Sie, Frau Mader, einen Ort, an den Sie sich zurückziehen können, trotz des Trubels?

Regula Mader: Wenn ich wirklich Ruhe brauche, dann gehe ich in die Kirche hier im Haus oder in die Dergâh, den Sakralraum der Alevitinnen und Aleviten.
Diese Räume sind sehr schlicht. In der Kirche gibt es zudem Nischen, wo ich mich hinsetzen und zurückziehen kann.

Mit Ihnen, Frau Mader, übernimmt wieder eine Frau das Präsidium, wieder aus der Schweiz und wieder eine Katholikin ...

Regula Mader: ... Ich muss hier festhalten, dass ich vor über 30 Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten bin ...
Gerda Hauck: Für das Präsidium ist weder die Religion noch der kulturelle Hintergrund irgendwie ein Thema. Wichtig sind Führungsqualitäten, und es muss eine Person sein, die verbinden kann. Wir haben Bewerbungsgespräche geführt, und dann haben der Vorstand und die Mitgliederversammlung einstimmig Regula Mader gewählt.

Was ist ihre persönliche Motivation, Frau Mader? Sind Sie ein grosser Religionsfan?

Regula Mader: Ganz und gar nicht. Ich muss noch erwähnen, dass ich seit 2001 an diesem Projekt mitarbeite. 2001 hatte ich in meiner Funktion als Regierungsstatthalterin eine Pfarrinstallation in Bümpliz. Der Initiator des Hauses der Religionen, Hartmut Haas, kam bei dieser Gelegenheit auf mich zu und motivierte mich, mich für das Projekt zu engagieren.
Ich habe mich dann ab 2006 im Stiftungsrat engagiert. Als Freiwillige habe ich Führungen gemacht oder beim Servieren geholfen. Als jetzt diese Anfrage für das Präsidium kam, habe ich zugesagt.
Wenn ich sage, ich sei kein Fan der Religion, dann finde ich gerade das Haus der Religionen so wichtig. Es ist ein Vorzeigeprojekt, wir sind Vorbild.
Wenn man schaut, was weltweit im Namen der Religionen geschieht, dann finde ich das haarsträubend. Wir setzen einen Gegenpol dazu. Das ist meine grösste Motivation.

Wir wollen das nicht übergehen: Wieso sind Sie aus der Kirche ausgetreten?

Regula Mader: Ich kam aus der Ostschweiz nach Bern. Das war eine völlig andere Welt. Ich habe immer schon gehadert mit dieser Kirche. Ich war im Kirchenchor, ich war in der Pfadi. Ich bin klar katholisch geprägt.
Für mich war aber klar, dass ich die Struktur dieser Kirche, mit dem Papst und der ganzen Hierarchie, dass ich all das loslassen will. Und das sage ich trotz all dem Schönen, dem Sinnlichen, das diese Kirche ja auch hat.

Sind sich eigentlich die beteiligten Religionen hier bewusst, dass sie Vorbild sind mit diesem Projekt?

Regula Mader:
Ein Beispiel: Der Hindupriester und der buddhistische Mönch waren bereits mehrfach in Sri Lanka. Sie sind dort daran, nach Berner Vorbild ein Haus der Religionen aufzubauen. So etwas wäre vor zehn Jahren noch nicht möglich gewesen.
Der muslimische Imam hätte am Anfang niemals den Hindutempel betreten, und heute besuchen sie sich bei Festen gegenseitig.

Was war in der Rückschau für das Projekt insgesamt die grösste Schwierigkeit?

Regula Mader: Als damalige Stiftungsrätin war für mich die grösste Schwierigkeit tatsächlich, die Finanzierung des Baus zu gewährleisten. Es gab Momente, wo wir wirklich meinten, dass jetzt das ganze Projekt abgebrochen werden müsste.
Gerda Hauck: Bei der Eröffnungsfeier zum «Tram Bern West» habe ich die Hindus gesehen, wie sie hier unten an dieser Stelle am Europaplatz standen und glücklich zueinander sagten, dass dereinst ihr Tempel genau hier stehen werde.
Ich wandte mich ab, hatte Tränen in den Augen, weil ich zu diesem Zeitpunkt schlicht nicht wusste, ob das Projekt überhaupt noch weiterentwickelt werden könnte.
Regula Mader: Es hing wirklich an einem seidenen Faden. Dann aber gab es verschiedene Aktionen zur Finanzbeschaffung. Die beiden Kirchen sprachen Beträge, die Rudolf und Ursula Streit Stiftung, die Burgergemeinde und schliesslich auch der Grosse Rat über den Lotteriefonds; zudem sehr viele private Spenderinnen und Spender.
Heute hat der Verein mit der Stadt einen Leistungsvertrag zur Finanzierung des Betriebs und verschiedene Projektbeiträge.
Gerda Hauck: Um das noch zu Ende zu führen: Die wirkliche Schwierigkeit war, das Vertrauen aufzubauen. Das gelang nur durch beständige und intensive Beziehungsarbeit.

Ist es nicht etwas frustrierend, dass mit dem neuen Landeskirchengesetz keine weiteren Religionsgemeinschaften anerkannt werden sollen?

Gerda Hauck: Ganz am Anfang sah es so aus, als ob man das tatsächlich wollte. Es war dann der politische Entscheid des Regierungsrates, dass man das nicht alles in die Vorlage packen wollte. Der Regierungsrat wollte möglichst schnell eine neue Regelung für die Uralt-Privilegien der beiden Kirchen. Die Gespräche gehen aber weiter.
Hier müssen sich aber nicht nur unsere staatlichen Behörden und die privilegierten Kirchen bewegen, sondern auch die Religionsgemeinschaften selber.

Es scheint sich aber inzwischen doch die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass der interreligiöse Dialog wichtig ist?

Gerda Hauck: Die enormen gesellschaftlichen Veränderungen müssen bewältigt werden. Der interreligiöse Dialog ist dazu ein wichtiger Baustein.
Regula Mader: Es geht übrigens nicht nur um den interreligiösen Dialog. Im Haus der Religionen findet auch der innerreligiöse Dialog statt. Ich beobachte, dass dieser innerreligiöse Dialog anspruchsvoller ist als der interreligiöse.
Die Grundwerte aller Religionen sind sehr ähnlich.

Wurden Sie also selber offener, Frau Hauck?

Gerda Hauck: Ich bin katholischer geworden. Bitte nicht missverstehen. Nicht besser oder wichtiger. Es geht darum, dass ich fröhlicher katholisch geworden bin. Ich habe selber einen Weg gemacht. Es gibt keinen Klotz am Bein mehr, dieser ist weg.

Was möchten Sie Frau Mader ans Herz legen?

Gerda Hauck: Sie weiss selber sehr genau, was ihr Herz braucht. Was aber ein Wunsch wäre: Man kann hier sehr fruchtbare Erfahrungen machen, das gab mir als Mensch, ganz persönlich, sehr viel Wind in die Segel für den ganzen Rest des Lebens – das wünsche ich ihr ebenfalls.

Diese Vielfalt, diese Diversität, die verschiedenen Kulturen, Religionen, Menschen – verschlossen darf man nicht sein, wenn man sich hier engagieren will?

Regula Mader: Offenheit ist sicher wichtig. Aber wichtiger noch ist das Loslassen von Mustern, von althergebrachten, eingeübten Mustern und Bildern. Das Haus der Religionen eignet sich dafür exzellent. Es ist und bleibt das Vorzeigeprojekt, um zu zeigen, wie das Zusammenleben verschiedenster Kulturen und Religionen gelingen kann.

Interview: Andreas Krummenacher, Jürg Meienberg

 

Zu den Personen


Regula Mader (55),
Rechtsanwältin, EMBA HSG, CAS Mediation, Master in angewandter Ethik, erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bern, dann von 2000 bis 2009 Regierungsstatthalterin des Amtsbezirkes Bern, bis 2013 Direktorin der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern, seit 2015 Direktorin des Schlossgartens Riggisberg für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen. Regula Mader ist verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder.


Gerda Hauck (73), Dr. rer. pol., engagiert sich beruflich zeitlebens im sozialen Bereich (Bundesamt für Sozialversicherung, Caritas usw., 2001 wird sie Integrationsbeauftragte der Stadt Bern, ist seit 2007 Mitglied im Kleinen Kirchenrat der Katholischen Kirche Region Bern, war seit 2002 Mitglied im Verein «Haus der Religionen – Dialog der Kulturen». Den Verein präsidierte sie seit ihrer Pensionierung 2007. Gerda Hauck ist verheiratet und Mutter von drei Söhnen.

 


Hintergrund

Haus der Religionen:
Gebäude am Europaplatz in Bern mit sakralen Räumen von fünf Religionsgemeinschaften: Hindutempel, buddhistischer Tempel, muslimische Moschee, christliche Kirche und alevitische Dergâh. Es gibt ausserdem den Bereich Dialog mit zahlreichen interkulturellen, religiösen und weiteren Veranstaltungen. Hier arbeiten auch Sikhs, Bahai und Juden mit.
Website

Verein:
Der Verein «Haus der Religionen –Dialog der Kulturen» wurde 2002 gegründet; in ihm sind alle Religionsgemeinschaften und viele Einzelmitglieder vertreten. Der Verein mietet das Gebäude von der Stiftung, führt den Dialogbereich und koordiniert zwischen den Religionsgemeinschaften. Der Verein vermietet die sakralen Räume den einzelnen Religionsgemeinschaften.

Stiftung:
Die Stiftung «Haus der Religionen – Dialog der Kulturen» wurde 2006 gegründet. Sie hat das Haus der Religionen gebaut und finanziert und ist für dessen Unterhalt verantwortlich. Die Stiftung vermietet das Gebäude an den Verein.
red.

 

 

 

 

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