«Ich verstehe mich als feministische Theologin und ich lasse das nicht vor der Türe.» Barbara Kückelmann. Foto: Pia Neuenschwander

«Wir werden daran gemessen, was den Menschen dient»

Barbara Kückelmann, die Dekanatsbeauftragte des Dekanats Region Bern, bricht auf. Ein Gespräch zum Abschied.

Barbara Kückelmann bricht auf. Die Deka­natsbeauftrage des Dekanats Region Bern wechselt ins Bischöfliche Ordinariat nach Solothurn. Sie hinterlässt geordnete Ver­hältnisse, denn Gleichgültigkeit ist ihre Sache nicht. Ein Gespräch zum Abschied.

«pfarrblatt»: Sie waren verantwortlich für Fachstellen, haben Strukturen weiterent-wickelt und Konzepte erstellt und angepasst. Wohin geht die Reise im Dekanat noch?
Barbara Kückelmann: Es ist wirklich einiges passiert, vor allem im Bereich der Fachstellen, den ich aufgrund meiner Zuständigkeit am besten überblicke. Diese überlegen heute sehr viel stärker, wie sie ihre Arbeit mit den Pfarreien vernetzen können. Wo gibt es gemeinsame Projekte, wo ist Zusammenarbeit möglich, wo können wir voneinander profitie­ren und die Wirksamkeit erhöhen. Ich denke beispielsweise an die Arbeit der Fachstelle Sozialarbeit im Bereich Migration. Es werden auch vermehrt Menschen angesprochen, die nicht in traditionellen Pfarreiveranstaltungen anzutreffen sind. Die Jazzvesper ist so ein Bei­spiel. Ein Angebot der Fachstelle Kirche im Dialog, in Zusammenarbeit mit Jazzmusikern. Ein weiteres Beispiel ist das Food-Save-Ban­kett vor der Heiliggeistkirche, das wesentlich von den Kirchen mitorganisiert wurde. Dank der Mitarbeit der Fachstellen können ganz neue gesellschaftliche Gruppen angespro­chen werden.

Was wollen Sie denn von dieser katholischen Kirche Region Bern für ein Bild vermitteln?
Wir sind eine Kirche, die dem Leben dient. Das mag formelhaft klingen. Aber wir müssen uns fragen, was den Menschen dient. Daran werden wir als Kirche gemessen.

Wird das auch so wahrgenommen? Gelingt dieser hohe Anspruch?
Das gelingt uns partiell ganz bestimmt. Die Krux ist aber schon die Vermittlung. Viele krie­gen gar nicht mit, dass sich die Kirchen so sehr engagieren. Nehmen wir wieder das Beispiel des Food-Save-Banketts. Die Mitarbeit der Kirchen kam in den Medien kaum vor. Viele verbinden Kirche nur mit den klassischen kirchlichen Handlungen wie Taufe und Hoch­zeiten und nicht mit dem sonstigen grossen Engagement, etwa in der Diakonie.

Leiden Sie darunter?
Wahrscheinlich würde ich eher sagen, dass es manchmal frustrierend ist. Es gilt wohl nicht länger, Gutes zu tun und darüber huldvoll zu schweigen.

Helfen die neuen Strukturen, dies zu ändern?
Ich denke schon. Beispielsweise vereinbart die Dekanatsleitung Mehrjahres- und Jahres­ziele mit allen Teams der Pfarreien und Fach­stellen. Standards können eingehalten wer­den. Das gibt eine Richtung vor, in die wir gemeinsam arbeiten wollen. Dieses Denken: «Hier ist mein Kirchturm und das war’s» – das haben wir durchbrochen.  

Und dann sind wir bei den Pastoralräumen ...
Ja genau, das ist der Sinn der Pastoralräume. Es gibt Leute, die sind ganz auf ihre Pfarrei ausgerichtet. Aber diese gibt es immer weni­ger. Viele schauen eher: Wo ist ein Vortrag, der mich interessiert, man entdeckt, dass es irgendwo anders eine Jodlermesse gibt und so weiter. Wir sind noch nicht am Ziel. Wir möchten die Pfarreiprofile beispielsweise schärfen. Dass es also Schwerpunkte gibt. Es gibt Themen, die können eher auf einer regi­onalen Ebene behandelt werden. Vorträge, Erwachsenenbildung kann man in einer Pfar­rei fast nicht mehr machen, weil das Publikum nicht da ist. Auf regionaler Ebene aber kann man das sehr wohl und dann kommen Leute aus der ganzen Stadt und Region.

Was werden Sie in Solothurn künftig tun?
Ich werde im «Bischofsvikariat Pastoral und Bildung» arbeiten. Als Pastoralverantwortli­che arbeite ich in einem Team: Jugend, Diako­nie, Religionspädagogik, Glaubensbildung Erwachsener, Gemeinschaftsbildung, Litur­gie, Pastoralraumkonzepte – das sind die The­men, um die wir uns kümmern. Es gehört kon­zeptionelle und strategische Arbeit dazu wie etwa die Frage der Kirchenentwicklung. Dann gibt es natürlich auch viel Gremienarbeit. Wir organisieren die interne Weiterbildung, Deka­natsweiterbildungen – also die Ausbildung für die Angestellten, auch interdiözesan.

Wie viele Mitarbeiter hat diese Abteilung?
Wir sind fünf Personen. Ein Bildungsverant­wortlicher und drei Pastoralverantwortliche. Chef des Bischofsvikariats ist Weihbischof Denis Theurillat.

Man kann also auch in der katholischen Kirche als Frau durchaus Karriere machen?
Wenn man es als Karriere bezeichnen möchte. Für mich ist es einfach ein Perspektivenwech­sel. Zunächst war ich in einer Pfarrei tätig, dann in einem Dekanat und jetzt ist die Pers­pektive noch etwas grösser durch das Bistum. Das hätte ich im Studium so noch nicht für möglich gehalten. Das ist im Übrigen schon länger in unserer Bistumsleitung so, dass auch sogenannte Laien in Verantwortung genom­men werden. Weltkirchlich ist das nicht selbst­verständlich.  

Aber Sie können keine Weihe empfangen.
Wenn ich mich dafür entscheide, innerhalb des Systems katholische Kirche zu arbeiten, dann kann ich nur gesund leben, indem ich diese Rahmenbedingung akzeptiere. Nicht, dass ich das grundsätzlich gut finden würde, im Gegenteil, es ist diskriminierend und bleibt eine Hürde, die es vielen Frauen verunmög­licht, sich innerhalb dieser Kirche zu engagie­ren. Aber ich kann mich nicht jeden Tag in mei­ner Arbeit aufreiben, dass es so ist.

Spielt das alles für Ihre künftige Stelle im Bistum eine Rolle?
Für mich ist klar, dass ich meine Erfahrungen und meine Prägung mitbringen werde. Ich kann gar nicht anders. Ich verstehe mich als fe­ministische Theologin und ich lasse das nicht vor der Türe.

Was wünschen Sie zum Schluss den Berner Katholikinnen und Katholiken?
Den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Auf diesem Weg immer wieder zu fragen, was können und sollen wir tun, um relevant zu blei­ben. Die Mitarbeitenden sollten sich immer wieder fragen, was den Menschen nützt. Ich wünschte mir, dass man die Kirchturmzentrie­rung noch mehr überwindet.

Interview: Andreas Krummenacher, Jürg Meienberg

Anmerkung der Redaktion: Barbara Kückel­mann war auch Präsidentin der «pfarrblatt»-Gemeinschaft Bern. Dieses Amt hat sie auf Ende September abgegeben. Wir bedanken uns herzlich für die gute Zusammenarbeit und wünschen Barbara für die Zukunft alles er­denklich Gute und Gottes Segen.

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