Bembet Madrid. Foto: Fastenopfer

«Wo Ungerechtigkeit herrscht, gibt es auch keine Würde»

Fastenopfer im Gespräch mit Bembet Madrid von den Philippinen

Seit über 25 Jahren setzt sich Bembet Madrid mit Fastenopfer auf den Philippinen für die Anliegen der Schwächsten ein, derzeit als Koordinatorin des Landesprogramms. Während der Fastenzeit erzählt sie in Schweizer Schulen und Pfarreien über die grössten Herausforderungen in ihrer Arbeit.

Interview: Madlaina Lippuner, Fastenopfer

Bembet Madrid, mit welchen Problemen haben Sie zu tun?

Zum einen mit wirtschaftlichen: Auf den Philippinen wird Saatgut stark von Konzernen wie Syngenta kontrolliert. Früher war es in den Händen der Bäuerinnen und Bauern. Jetzt müssen sie es kaufen, und das genetisch veränderte Saatgut lässt sich nicht weiterzüchten. Hinzu kommen immer wieder Dammprojekte. In Infanta etwa, im Nordwesten des Landes, will man 5000 Indigene für einen Staudamm vertreiben. Die zweite Herausforderung ist die Natur: 22 aktive Vulkane, tektonische Platten, die fast täglich zu Erdbeben führen, und bis 30 Supertaifuns pro Jahr. Letztere sind eine Folge des Klimawandels und verstärken die Armut.

Wie lässt sich angesichts der klimatischen Tatsachen nachhaltige Arbeit machen?

Wir haben viel investiert in Risikominderung. 2004 mussten wir in Infanta den Tod von rund 100 Indigenen hinnehmen. Während dem weltweit stärksten Sturm Yolanda in 2013 waren es – in unseren Projekten – noch 5. Dabei blieb es glücklicherweise, auch nach dem letzten Sturm Manghkut. Natürlich ist da noch der materielle Schaden. Aber die Menschen können sich besser wappnen, wenn wieder Taifune auftreten. Nebst den wirtschaftlichen und ökologischen Problemen im Land sehe ich aber auch die Situation der Frauen als prekär.

Weshalb?

Frauen gelten immer noch als zweitklassig. Sie gehören zu den Ärmsten, weil sie von vielen Formen der Armut betroffen sind: In der Öffentlichkeit haben sie immer noch kaum eine Stimme.
Hinzu kommt die weitverbreitete Gewalt gegen sie. Wir unterstützen sie individuell und national: Früher durften sie nicht mal selber Land besitzen, waren so immer von einem Mann abhängig. Und Vergewaltigung wurde nicht als Verbrechen geahndet. Auch dank Fastenopfer hat sich diese Gesetzgebung geändert. Nun setzten wir uns dafür ein, dass ihre Rechte respektiert werden - und Betroffene ihre Rechte kennen und sich wehren können.

85% der Bevölkerung auf den Philippinen ist katholisch. Sie arbeiten eng mit kirchlichen Partnerorganisationen. Inwiefern hilft Ihnen diese Zusammenarbeit?

Zum einen verhindert die Kirche vieles. Die konservative Kirche, die wir seit der Kolonialisierung durch Spanien haben, ist immer noch sehr dominant. Sie ist eine «Kirche der Reichen». Daneben gibt es zum Glück eine sozial und politisch engagierte Kirche, die sich solidarisch für die Armen und das Gemeinwohl einsetzt. Sie ist im Wachsen begriffen und stärkt unsere Anliegen.
Viele Ungerechtigkeiten lassen sich dabei den Menschen über den Begriff der Würde näherbringen. Wenn eine Frau häusliche oder sexuelle Gewalt erlebt, wird ihre Würde verletzt. Gott hat Mann und Frau als gleichwertige Wesen erschaffen. Und wo Ungerechtigkeit herrscht, gibt es auch keine Würde. Das verstehen viele.

Was motiviert Sie?

Ich weiss, dass ich nicht alleine bin. Ich bin Teil einer grösseren Gemeinschaft, die einen Traum von freien, gerechten und entwickelten Philippinen hat. Diese kollektive Vision gibt mir Kraft. Und ich liebe mein Land! Es ist wunderschön, 7100 Inseln, die Leute sind unglaublich freundlich.

Was möchten Sie den Menschen in der Schweiz sagen?

Es gibt bei uns ein schönes Sprichwort: «Kein Mensch ist so reich, dass er nichts mehr zu empfangen hätte. Und kein Mensch ist so arm, dass er nichts mehr zu geben hätte». Solange wir teilen, besteht Hoffnung.

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