«Die Stille bringt mir viel». Der grosse Garten des aki, der katholischen Studierendenseelsorge Bern.
Foto Jürg Meienberg

Wüstentage mitten im Winter

Ein ‹Monats-Putz› für die Seele im Aki

Verena Stalder ist begeistert: «Sobald die Daten der Wüstentage jeweils definitiv feststehen, blockiere ich diese Tage in meiner Agenda. Wüstentage sind mir wichtig. Die gebe ich nur her, wenn etwas ganz Wichtiges anderes an so einem Tag stattfindet.» Die Luzerner Katholikin, die in Bern lebt, fand über verschiedene Meditationsangebote zurück in die Kirche, der sie kritisch gegenübersteht. In Bern bietet ein ökumenisches Team Wüstentage an. Wüstentage gehen auf Jesus von Nazareth zurück, der sich vierzig Tage in die Wüste zurückgezogen hat und sich seiner Bestimmung klar wurde. Auch auf den Wüstenmönch Charles de Foucault berufen sich Wüstentagmenschen, den Gründer der Kleinen Brüder Jesu. In der Schweiz machte Autor Bruno Dörig mit seinen Schriften die Wüstentage populär. Nicht zuletzt fussen sie auch auf den Ignatianischen «Exerzitien im Alltag».

A.N. (Name der Redaktion bekannt) nimmt bereits seit über acht Jahren an den Tagen teil. «Es ist ein Tag, der ganz mir gehört, ein Tag, den ich im Schweigen mit anderen Teilnehmenden teile. Es ist so heilsam und eine gute Erfahrung immer wieder, einen Tag lang keinen Smalltalk führen zu müssen, einfach mit anderen schweigend anwesend zu sein und doch ganz bei sich selbst.» Ihre kirchliche Sozialisierung erfuhr sie in Täufergemeinden, in denen Gemeinschaft grossgeschrieben wird. Als Reformierte schätzt sie die ökumenische Offenheit des Angebotes. Es kann vorkommen, dass im abwechselnden Leitungsteam die jeweilige konfessionelle Prägung der Leitungsperson spürbar wird: «Je nachdem, wie diese Prägung einfliesst, kann sich Neues eröffnen oder aber ein Gefühl der Ausgrenzung einstellen», erklärt A.N. freimütig. Dass Letztere erlebte sie bisher nur in wenigen Ausnahmefällen.

Verena Stalder vergleicht die Wüstentage als seelische Putzete: «Einmal im Jahr gehe ich zu einer Exerzitienwoche, meist ins Lassalle- Haus. Das ist für mich jeweils wie eine ‹Frühlings-Putzete› für die Seele. Einmal im Monat diese Stunden im Wüstentag in der Stille im aki zu verbringen, ist wie eine Erneuerung dieser Woche – ein ‹Monats-Putz›.» Gerade in der Stille kann viel geschehen, so Verena Stalder: «Die Stille bringt in mir jeweils viel hervor. Manchmal Erwartetes, manchmal Überraschendes. Fast immer passiert etwas Klärendes, passiert Verwandlung in meiner Seele – manchmal auch per Tränen, die fliessen. Oder es sind einfach nährende Stunden, ich darf Kraft schöpfen und geniessen. Es kommt mir oft vor, wie wenn mein innerer Kompass neu ausgerichtet würde in der Stille – im Dasein vor Gott, mit Gott!»

Der Tag beginnt mit einer kurzen Vorstellungsrunde. Genannt werden der Name und woher man kommt. Die Leitungsperson stellt einen Impuls vor, dem die Meditierenden nachgehen können. Sie sind aber auch frei, den Geist ganz leer werden zu lassen oder eigenen Erlebnissen zu widmen. Es folgt eine kurze Körperarbeit, orientiert an Qi Gong, Shibashi, Yoga oder spirituellem Tanz. Verena Stalder sagt dazu: «Sie stimmen den Körper wunderbar auf die kommenden Meditationen ein, im Wissen darum, dass christliche Meditation auch etwas sehr körperfreundliches ist.»
Dann wird im Kreis am Vormittag je dreimal fünfundzwanzig Minuten schweigend gesessen, mit je einer kurzen Pause. Wer lieber im Garten oder an die nahe Aare spazieren gehen will, ist frei, dies zu tun, so A.N. Über Mittag ist für ein Picknick und ein Ausruhen genügend Zeit reserviert. Am Nachmittag folgen wieder drei Runden Meditation. Den Abschluss «machen ein spiritueller Impuls und eine Anhörrunde. Die Eindrücke des Tages der anderen sind oft sehr bereichernd für die eigene Erfahrung» erläutert A.N. «Man kann oft an befreienden Erkenntnissen teilhaben». Die alte Villa an der Alpeneggstrasse, mit der Kapelle im Haus und dem dazugehörigen grossen Garten, ist für beide zusätzlich ein besonderes Erlebnis.

Das schweigende Miteinandersein um eine Mitte geniesst A.N. besonders. «Einmal», erinnert sie sich, «kamen verspätet einige Teilnehmende zur Gruppe. Die Mitte – eine Kerze, ein Blumenstrauss – musste im Raum verschoben werden, damit alle Platz hatten.» Zuerst irritierte sie die Verschiebung der Mitte, dann aber wurde ihr diese Neuorientierung zugunsten der Ankommenden ganz wertvoll: «Mir wurde bewusst, dass Menschlichkeit Flexibilität und Rücksichtnahme braucht, oft auch eine neue Ausrichtung.»

An solchen Tagen kann ganz vieles aufbrechen, wie beide Teilnehmerinnen bestätigen. Schönes, Friedvolles, aber auch inneres Leid. Hier sorgen die Mitglieder des Leitungsteams, dass Gespräche oder weiterführende Begleitung angeboten oder vermittelt werden. «Meditation ist mir wichtig. Sie gehört in meinen Alltag», so Verena Stalder, «sie ist die Quelle meiner Kraft – Nahrung und Reinigung für Körper, Geist und Seele. Ich darf gestärkt in meinen Alltag zurück nach so einem Wüstentag – neu ausgerichtet! Wie kostbar!»

Jürg Meienberg

Wüstentage
Jeden ersten Samstag im Monat während der Semesterzeiten jeweils von 10.00– 17.00.
Nächste Termine: 3. Dezember, 7. Januar, 4. Februar.
Mitbringen: Schreibzeug, bequeme Kleidung, Mittagspicknick (Kaffee und Tee sind vorhanden).
Verantwortlich: ein zehnköpfiges Team.
Kontaktperson: André Flury, Andre.Flury@kathbern.ch, Telefon 031 300 33 43, www.aki-unibe.ch

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