Fernanda Vitello ist neu zuständig für den
Heilpädagogischen Religionsunterricht im
Kanton Bern. Sie übernimmt die Stelle
von Zita Schild. Foto: Jürg Meienberg

Zeithaben als Menschensorge

Eine neue Verantwortliche für den Heilpädagogischer Religionsunterricht im Kanton Bern.

Rituale sind in der religiösen Begleitung behinderter Jugendlicher wesentlich. Als eine Art Ritual des Überganges lud die Verantwortliche des heilpädagogischen Religionsunterrichtes Zita Schild ihre Nachfolgerin, Fernanda Vitello Hostettler, nach Brienzwiler im Berner Oberland ein. Das «pfarrblatt» war eingeladen.

Die Arbeit mit Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen ist herausfordernd und erfüllend gleichzeitig. Eine Frau, die das in allen Facetten erfahren hat, ist Zita Schild, die Verantwortliche des Heilpädagogischen Religionsunterrichtes HRU der Fachstelle Religionspädagogik der Röm.kath. Landeskirche des Kantons Bern. Seit 1. April ist sie pensioniert, führt ihre Aufgaben aber noch bis zum Ende des Schuljahres Anfang Juli weiter.

Mitten auf dem «Schwander Lebensweg», hoch über dem Brienzersee – ein Skulpturenweg, der von der Holzbildhauerschule Brienz gestaltet worden ist – hatte sich Zita Schild vor gut neun Jahren eigentlich entschieden, ihre Arbeit als Katechetin endgültig an den Nagel zu hängen. Es kam anders. Der Leiter der Fachstelle Religionspädagogik, Beat Zosso, packte die Chance. Er motivierte sie damals, sich doch für den Heilpädagogischen Religionsunterricht zu engagieren. Sie hat das dann tatsächlich gemacht und bis heute nie bereut.
Am vergangenen Mittwoch nun lud Zita Schild ihre Nachfolgerin Fernanda Vitello, zusammen mit dem «pfarrblatt», an eben diesenOrt zu einem fürstlichen Mittagessen an einen der schönsten Grillplätze ob Brienz ein. Ein Steintisch war mit weissem Tischtuch bedeckt, ein Feuer brannte. Wein und Grilladen waren bereit. Als vollendeter Gastgeber waltete der Ehemann von Zita Schild, Alexander Schild. Und das nicht ohne Absicht. Die Bielerin Fernanda Vitello war sichtlich gerührt. «Bei unserer Aufgabe ist es wichtig, dass der Partner uns unterstützt», erklärt Zita Schild, «an manchen Abenden ist der Austausch über das Erlebte sehr wichtig, natürlich unter Einhaltung des Persönlichkeitsschutzes.» Fernanda Vitello bestätigt das: «Mein Mann und meine beiden Töchter stehen voll hinter meinem Engagement. Das ist mir wichtig.»

Die Kinderpsychologin Fernanda Vitello arbeitet seit über 20 Jahre als Katechetin in der Pfarrei Bruder Klaus, Biel. Vor 16 Jahren ist sie zusätzlich in den heilpädagogischen Unterricht eingestiegen. Im Bieler Zentrum für Entwicklungsförderung und pädiatrische Neurorehabilitation (Z.E.N.) unterrichtet sie Jugendliche und Kinder. Auch hier sind Rituale ganz wichtig. Sie beginnt meist mit Glockenschlägen. Kerzen sindwesentlich und mit verschiedenen Gegenständen, Tüchern, Salben, nimmt sie mit Kindern und Jugendlichen mit schwerst mehrfacher Behinderung aktiv Kontakt auf: «Singen ist auch ganz wichtig, einfache Lieder, in denen wir den Namen jeder Schülerin, jedes Schülers direkt einbauen.
Die Kinder und Jugendlichen bestätigen durch Blicke oder kleine Bewegungen, dass sie sich angesprochen fühlen.» Das sei eine ganz wichtige Botschaft, dass jeder und jede so angenommen ist vor Gott, wie sie und er ist: «Es ist eigentlich dasselbe, was ich von meinem Glauben, von meinemGott als Kraft und Stärke erfahre, das Wahrgenommen werden und Angenommen sein», verdeutlicht Fernanda Vitello: «Kirche ist für mich Heimat, ihre Rituale sind mir wichtig, und dieses Gefühl der Geborgenheit versuche ich auch mit Schwerstbehinderten zu leben.» Dass das funktioniert, bestätigt Zita Schild: «Ich habe bei Besuchen im Z.E.N. erlebt, dass Jugendliche sich richtig freuen auf Fernanda.»

Die Arbeit sei von den Institutionen geschätzt und die Zusammenarbeit mit dem Personal vor Ort erfreulich, betont Zita Schild. Das brauche aber beständige Beziehungsarbeit. Beide sind sich einig, dass ihre Arbeit an die Wurzeln religiösen und christlichen Engagements greift. Wichtig ist nicht das Weitergeben von Glaubenssätzen, sondern die Zuwendung und das Angenommensein. Deshalbwar auch einer der Tiefpunkte in der Arbeit von Zita Schild, als der Synodalrat die Kosten des Heilpädagogischen Religionsunterrichtes auf die Kirchgemeinden abwälzen wollte. Die Synodalen verhinderten im Parlament schliesslich diese Sparübung. «Uns hat das gezeigt, dass wir immer wieder dafür sorgen müssen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen nicht einfach abgeschoben werden, dass die Kirche als Ganzes diesen Beistand mitträgt.»
Mit Gottesdiensten, Erstkommunionfeiern und Firmungen stützen die Katechetinnen HRU ihre Schülerinnen und Schüler und ihre Angehörigen. «In ökumenischen Kursen mit Jugendlichen der Regelkatechese», ergänzt Fernanda Vitello, «besuchen wir auch das Z.E.N. Die Begegnung von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen sind immer wieder berührend.» Gastgeber Alexander Schild trägt das Dessert auf und bemerkt nebenbei: «Dieses Ernstnehmen von Menschen mit Behinderung hat auch mein Bild von Kirche positiv verändert.»

Der Einsatz eines Teams von sieben speziell ausgebildeten HRU-Katechetinnen schliesst bewusst Gespräche und Auszeiten mit ein. So sind die Belastungen und Herausforderungen zu meistern. «Das Arbeiten mit den Menschen mit Behinderung verlangt zudem auch ein völlig anderes Zeitgefühl», erinnert Fernanda Vitello: «Kleinste Verrichtungen brauchen Zeit. Man lernt das Leben von einer anderen Seite kennen.» Auch wenn die politischen Zeiten nicht einfacher werden, Zita Schild kann beruhigt ihren Stab an ihre Nachfolgerin übergeben. Fernanda Vitello teilt ihre Leidenschaft für Menschen mit Beeinträchtigungen.

Jürg Meienberg

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