Freuen sich auf neue Projekte – die «Freunde von Emmaus Bern» an der 60-Jahr-Feier in der Paroisse in Bern. Bild: Tanja Läser

Zu den Wurzeln Abbé Pierres

Die «Freunde von Emmaus Bern» feiern ihr 60-jähriges Bestehen und vieles soll neu werden.

Die «Freunde von Emmaus Bern» feierten Mitte Oktober ihr 60-jähriges Bestehen. Künftig wird alles neu: Es soll eine Gemeinschaft von Compagnons entstehen, eine Premiere für die Deutschschweiz. Zudem wird auch das Brockenhaus nach Bümpliz umziehen.


«Man sollte – helfen, sich engagieren, Anteil nehmen, etwas für die Armen tun. ‹Man› sind dabei stets die anderen.» Das sagte Regierungsrat Christoph Neuhaus in seiner Laudatio auf die «Freunde von Emmaus Bern». Er betonte, dass das «Man» exemplarisch von den «Freunden von Emmaus» verkörpert werde. Zusammen mit Ständerat Hans Stöckli und Gemeinderat Alexandre Schmidt bezeugte Neuhaus seinen grossen Respekt gegenüber dem Berner Emmaus-Verein. Bescheiden und unermüdlich. In den Räumen der Paroisse versammelten sich am 8. Oktober an die 150 Personen und feierten 60 Jahre Engagement und Hilfe für die Armen im Sinne Abbé Pierres.

Der französische Armenpriester Abbé Pierre predigte im Februar 1956 im Berner Kursaal über die Armut. Im Winter davor erfroren auf den Strassen von Paris noch Obdachlose, nun sprach Abbé Pierre in Bern vom «Elend, das die Welt richtet». Die Menschen waren ergriffen. Sehr rasch nach dem Auftritt des «unbeugsamen Christen» wurde der Verein «Freunde von Emmaus Bern» gegründet. Dieser wuchs schon bald auf über 100 Freiwillige an. Diese verteilten an die weniger begüterten Menschen in Bern Holz und Kohle, Essensgutscheine für die «Spysi», Kleider oder später auch Spielzeug. Ganz direkt und ganz praktisch. Mit Leiterwagen oder Camionette, wie Michel Conus erzählt.

Ich treffe ihn ein paar Tage vor dem grossen Jubiläumsfest im alten Brocki an der Bahnstrasse. Der Präsident der «Freunde von Emmaus » ist stolz auf das Erreichte. Aber auch angespannt, was die Zukunft bringen wird. Das Brocki ist ein Hilfswerk, das durch den Verkaufserlös jährlich bis zu 40 000 Franken spenden kann. Der Betrieb wird von Freiwilligen geführt. Diese werden aber immer älter, die Kräfte lassen nach. Neue Freiwillige kommen leider nicht dazu. Die Geschäfte aber laufen gut. Um diesen Widerspruch aufzulösen, braucht es neue Ideen, damit das Brocki weiter betrieben werden kann. Michel Conus ist seit 13 Jahre Präsident von «Emmaus Bern». Er kennt jedes Projekt, das unterstützt wird und jede involvierte Person. Sei das die Kinderhilfe Brasilien von Leonardo Boff oder ein Brunnenprojekt in Burkina Faso. «Im Tscharnergut bezahlten wir den Ausbau eines Kindergartens, eine Jobbörse haben wir ermöglicht. Verschiedene Sozialdienste fragen uns an, ob wir einzelnen Personen direkt helfen können und wir unterstützen den Sozialfonds der Villa Maria.»

Nun wird also alles neu. Der Umzug nach Bümpliz steht bevor, eine «Emmaüs-Communauté » soll gegründet werden. Es ist ein Schritt zu den Wurzeln. Abbé Pierre wollte ursprünglich vor allem solche Communautés einrichten. In den Anfangszeiten wohnten die Menschen in alten Bussen, in alten Scheunen. Compagnons werden sie genannt. Der Zonenplan lässt keine solche Wohngemeinschaft am jetzigen Standort an der Bahnstrasse zu. Die Umzonung wäre unverhältnismässig teuer.
Als Glücksfall bezeichnet Conus darum die neue Lösung. Die Umzugsfirma Kipfer in Bümpliz schliesst ihre Tore. Das Haus, mit den Lagerräumen und den vorhandenen Wohnungen, kann einigermassen günstig übernommen werden. Der Umzug des Brockis sei zwar ein wahrer Kraftakt, aber man habe Hilfsangebote der anderen Emmausgemeinschaften aus der ganzen Schweiz erhalten, sagt Conus glücklich. Er hatte die Idee mit der Communauté, um Emmaus Bern zu retten. Die Compagnons sollen mit der Zeit die Arbeit der Freiwilligen im Brocki ersetzen. Hilfe zur Selbsthilfe.

In Bümpliz möchte man fünf bis maximal 20 Compagnons beherbergen. Diese werden verköstigt, können sich aus dem Brocki mit Möbeln, Kleidern und Geschirr eindecken. Dafür stellen sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Je nach Situation und Möglichkeiten. Eine Leiterin für den ganzen Betrieb wurde eben neu angestellt. Es ist eine ausgewiesene Fachperson im Sozial- und im ökonomischen Bereich. «Diese wird den Compagnons helfen, bei der Stellensuche, bei Behördengängen, bei Arztbesuchen. Der ganze sozialdienstliche Bereich halt. Das ist sehr wichtig», betont Michel Conus. Die Compagnons müssten polizeilich gemeldet sein. «Die Idee Abbé Pierres war es, jeden aufzunehmen. Das können wir hier aus rechtlichen Gründen nicht tun», ergänzt Conus.

Der Terminplan scheint ambitioniert. Ein Architekt arbeitet an der Umgestaltung der Räumlichkeiten. Das Brocki muss gezügelt werden, die Communauté will auf die Beine gestellt sein. Man werde mit vier oder fünf Personen starten. Conus rechnet damit, dass das bereits im Frühling geschehen kann. Das Brocki könne dann noch sukzessive im Laufe des Jahres gezügelt werden. Die Compagnons aber sollen selber neu streichen und einrichten. Ganz praktisch, ganz niederschwellig. «Das ist die Idee auch der Communauté, dass sich die Compagnons selber organisieren.» Zudem wolle man das Montagslädeli in der Rathausgasse, das die Freunde von Emmaus ebenfalls betreiben, auch an weiteren Tagen öffnen. Die Geschäfte mit Vintagemöbeln und Kleidern laufen gut. Freiwillige für den Verkauf am Donnerstag und Samstag können sich gerne melden.

Zusammen mit Michel Conus will ich noch das Brocki anschauen. Wir gehen durch das verwinkelte, vollgepackte Brocki. Stühle, Möbel, Kleider. Eine Wunderwelt. Bilder, Gläser – alles aus längst vergangenen Zeiten, alles gut erhalten. Conus rückt hier und da etwas zurecht, ein Schwatz mit einer Freiwilligen, ein Ratschlag an eine Kundin. Schon jetzt eine richtige Communauté.

Andreas Krummenacher


Hinweise:
Kontaktinfo: Freunde von Emmaus Bern, Bahnstr. 44, 3008 Bern, Tel. 031 382 66 68, amis.emmaus.be@bluewin.ch, PC 30-19036-3, Präsident: Michel Conus.

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