Reissverschlussritual in der katholischen Kirche Teufen. Foto Maria Regli

Zwischen Hoffnung und Resignation

Ein Augenschein auf dem Pilgerweg von St. Gallen nach Teufen, der ersten Etappe auf dem Weg nach Rom.

Ein Augenschein auf dem Pilgerweg von St. Gallen nach Teufen, der ersten Etappe auf dem Weg nach Rom.

Sie pilgern 1000 Kilometer für das "Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche - auf allen Ebenen". Das ist das Anliegen der Rompilger/Innen, mehrheitlich Frauen, die am 2. Mai in St. Gallen gestartet sind. Symbolhaft tragen sie einen schwarzen Reissverschluss mit sich. Diesen möchten sie am 2. Juli dem Papst in Rom übergeben.

"Es ist dämmerig in unserer Kirche", sagte Simone Curau-Aepli vom Schweizerisch katholischen Frauenbund während der Segensfeier in St. Gallen. Ob damit die Dämmerung vor Sonnenaufgang am Morgen zu Beginn eines neuen Tages gemeint ist oder jene am Abend, führte sie nicht näher aus. Meinte sie wohl Letzteres?

Aller aufkeimenden Resignation zum Trotz - es gibt sie noch, wenn auch etwas in die Jahre gekommen, jene Frauen und Männer, die noch nicht ganz aufgegeben haben und noch einen Funken Hoffnung in sich tragen. Einen langen Atem braucht es dazu, einen sehr langen, um immer noch daran zu glauben, dass sich die Institution Kirche wandeln und den Anschluss an die heutige Gesellschaft finden könnte. Denn zeigt sie sich nicht je länger je mehr als Parallelgesellschaft, die in der Öffentlichkeit nicht mehr ganz ernst genommen wird? Ein Beispiel: Nach dem Mitpilgern der ersten Etappe wieder zu Hause angekommen, warte ich auf den zu erwartenden Tagesschaubericht über das Rompilgern. Das Schweizer Fernsehen war vor Ort. Immerhin. Ich warte lange. Davor kommen Frauen zu Wort, die in Managerinnenkreisen das Sagen haben, Frauen, die nationalen und europäischen Gremien vorsitzen. Klug, selbstbewusst und überzeugend treten sie auf. Und wo sind die Frauen in der Kirche? Immer noch auf dem Weg, seit Jahrhunderten. "Wandert nach Rom, damit uns Männern die Augen aufgehen", meinte Willi Anderau. Ein ermutigendes Wort, wie viele andere während der Segensfeier. Ob aber weitere 1000 Kilometer und weitere Hunderte von Frauen reichen, um in Rom einen Gesinnungswandel zu bewirken? Wäre da nicht der neue Papst... Ja, er gibt uns Hoffnung. Diese Pilgergruppe gäbe es nicht, so die Hauptinitiantin Hildegard Aeppli, wenn er uns nicht eingeladen, ja gar aufgefordert hätte, selber Zeichen zu setzen! Und dieser Pilgerweg ist solch ein gesetztes Zeichen.

Ein zweiter Funken Hoffnung kommt also auch von Rom - von ebendiesem Papst - den Pilger/Innen entgegen. Ob es dabei zu einer nachhaltigen Begegnung kommt und aus zwei Funken eine Flamme entsteht? Immer noch näher bei der Resignation als der Hoffnung frage ich mich, warum wir nicht einfach die Perspektive wechseln und dorthin schauen, wo Kirche vor Ort schon lebt und richtiggehend blüht z.B. im Bistum Basel, wo Frauen auch in Pfarreien Leitungspositionen innehaben (leider dem einzigen weltweit); in den zahlreichen Freiwilligengruppen, wo Frauen massgebend mitbestimmen; überall dort, wo Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung nicht nur schöne Worte sind, sondern zu Taten führen; dort, wo politische und persönliche Befreiung aus unterdrückenden Strukturen geschieht und überall dort, wo Migrant/Innen wieder eine Heimat finden. "Die Kirche seid ihr!", sagte Willi Anderau. Holen die Pilger/Innen vielleicht gar verlorene Söhne von Rom nach Hause?

Sie wären willkommen. Denn nur, wenn Frauen und Männer "miteinander und zueinander" wirken, wie es der Rompilger Franz Mali ausdrückte, hat die Kirche auf die Länge eine Zukunft. Die Ressourcen von Frauen einfach brach liegen zu lassen, kann sich die Institution Kirche nicht leisten. Jetzt schon gar nicht mehr. Kommt darum vielleicht bald die Kehrtwende? Macht Not auch hier erfinderisch? Öffnet sie Blinden die Augen? Wir dürfen gespannt sein, ob der mitgetragene Reissverschluss offen bleibt oder sich doch langsam und sachte schliesst und uns auf ein zukünftiges "Miteinander von Frauen und Männern auf allen Ebenen" hoffen lässt.

Maria Regli, Leitung Fachstelle Bildung Biel

Infos: www.kirche-mit.ch;Unter: "wemakeit.com/projects/habemus-feminas" kann ein junger Regisseur unterstützt werden, der einen Dokumentarfilm über das Pilgerprojekt drehen will.

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