«Es ist eine dunkle Zeit für unsere Kirche»

Seelsorgende erzählen von ihren Gedanken, Erfahrungen und Überlegungen

Die Nachrichten um sexualisierte Gewalt, deren Vertuschung und Verdrängung in der Kirche sind Legion. Die Verantwortlichen in der Hierarchie der Kirche tun sich global betrachtet immer noch schwer mit dem Thema. Eine Konferenz in Rom brachte keine abschliessende Klarheit. Wie könnte sie auch?

Auf der Redaktion erreichen uns viele Reaktionen, im direkten Gespräch werden wir darauf angesprochen. Viele Menschen können sexuellen Missbrauch in der Kirche nicht einordnen, suchen nach glaubwürdigen, seelsorgerischen Antworten. Wir haben darum Seelsorgende in den Pfarreien genau darum gebeten. Es gibt keine definitiven Antworten. Aber es gibt ehrliche, direkte und persönliche Auseinandersetzungen. Wie gehen sie mit dem Thema Missbrauch in der Kirche um? Wie können sie das für die Gläubigen einordnen? Was sagen sie ganz persönlich dazu?

Das ist sehr viel verlangt, es wird persönlich. Nur so aber, davon sind wir auf der Redaktion überzeugt, kann Kirche glaubwürdig sein.

Andreas Krummenacher

«Menschenrechte» von Eberhard Jost, Theologe im Pastoralraum Seeland

Aus Gesprächen mit Freundinnen und Freunden, Familie, Mitarbeitenden und Pfarreiangehörigen und Kirchenkritikerinnen sowie mit der Fachstelle Lantana Bern entstanden diese Bruchstücke in ungefilterter Form:

Das Wort Missbrauch impliziert «gebrauchen» und beinhaltet somit, dass das Gegenüber ein Objekt ist und kein Subjekt.

Welche Umstände begünstigen Machtmissbrauch und im Speziellen sexuelle Ausbeutung?

  • Machtgefälle
  • Tabubereiche, veraltete Moralvorstellungen, unreflektiert übernommene Glaubenssätze, fehlende Bildung und Aufklärung 
  • Abhängigkeit, falsch verstandene Religiosität als Fluchtort versus Zufluchtsort, Stigmatisierung des Opfers.
  • Ein geschlossenes System, fehlende Vertrauenspersonen.
  • Psychische Labilität (Fehlendes Selbstbewusstsein, schwache Individualität

Durch die Aufklärung entstand in den westlichen Gesellschaften ein Justizsystem, das sowohl die Rechte des Einzelnen als auch die eines Gemeinwesens regelt und schützt. Gesellschaftliche Errungenschaften, Erkenntnisse der Humanwissenschaften und die Entwicklung des Menschen können nicht im Widerspruch zur christlichen Glaubenslehre stehen, da diese Errungenschaften aus dem Ringen nach dem Schönen, Wahren und Guten entstanden sind und die Optimierung der menschlichen Lebensbedingungen bedeuten. Glaube, Religion oder hier im Konkreten Vertreter*innen der röm.-kath. Kirche stehen immer im Disput mit den Erkenntnissen anderer Institutionen in der Deutung und Realisierung einer gelungenen menschlichen Existenz und wir als Seelsorger stehen nicht darüber.

Will die Katholische Kirche in Zukunft eine Rolle spielen in Bezug auf die Frage, wie sich eine Gesellschaft organisiert und welche Werte sie vertritt, kann sie dies nur tun, wenn sie diese oben genannten Errungenschaften und Erkenntnisse ernst und alle Menschen als Subjekte wahrnimmt, für die sie nicht alle Antworten oder das Heil bereit hat. Die Menschen tragen die Antworten und das Heil in sich. Es gibt keine Hierarchie der Weisheiten und der Moral zwischen den Menschen. Eine Kirche, die den Menschen im erwähnten Sinn nicht hilfreich erscheint, wird mit dem Anspruch, eine göttliche Dimension im Bewusstsein der Menschheit aufzuzeigen, scheitern und hat ausgedient.

Sexuelle, emotionale, physische, psychische oder welche Art der Ausbeutung auch immer ist unvereinbar mit den Werten des Christentums. Dass es trotzdem dazu kommt, hat mit unserer menschlichen Existenz zu tun. Wir sind ein Fragment von dem, wozu wir im Glauben gesprochen, berufen sind zu sein. Die Brüche in unseren Biografien können im Sinne Friedrich Dürrenmatts das Furchtbarste und das Fruchtbarste zur Entfaltung bringen.

Somit steht niemand über dem anderen. Durch die Priesterweihe etwa erlangt ein Mensch keinen anderen Seinszustand.

Die Präambel der Schweizer Bundesverfassung, die allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die Veröffentlichungen des Zweiten Vatikanischen Konzils sind Zeichen dieses Ringens um eine menschliche Gesellschaft. Dieser Weg ist nicht zu Ende, sondern ein immer weiterführender Prozess der Entwicklung zu dem, was die christliche Religion sich auf die Fahnen schreibt. Menschwerdung im eigentlichen Sinn. Denn, «Wir sind doch alles nur Menschen» (Bischof Oscar Romero, während seiner Festnahme im Gefängnis in San Salvador).

Die Gemeinschaft der Gläubigen als Ganzes kann nicht irren. Die Gemeinschaft der Menschheit als Ganzes kann nicht irren. Somit ist die Umsetzung der Menschenrechte für die Kirche ein Gebot der Stunde. Ebenso braucht es eine kirchliche Gerichtsbarkeit, wo diese Rechte eingeklagt werden können und einen institutionalisierten Opferschutz durch eine neutrale Instanz ausserhalb der betroffenen Institution.

Das Trauma ist Teil unseres Lebens. Es kann unvermittelt geschehen oder als Aktion eines Systems gepflegt werden. Als Seelsorger habe ich den Anspruch an mich, dass ich Menschen durch Höhen und Tiefen begleite. Dazu ist es unbedingt nötig, dass ich mich mit meinen eigenen seelischen Brüchen auskenne, dass ich einen therapeutischen Weg gemacht habe. So kann ich mit den Menschen mitgehen ohne mich zu verlieren oder andere zu verletzten. Supervision, Therapie, Begleitung oder Intervision gehören zur selbstverständlichen Professionalisierung in der Seelsorge. Die Bedingung für eine gesunde Spiritualität ist eine gesunde Psyche.

Eberhard Jost, lic.theol. / Pastoralassistent

«Krisengipfel» von Alexander Pasalidi, Pfarrer in Gstaad

Seit vielen Jahren ist der Missbrauchsskandal das «heisse» Eisen innerhalb der katholischen Kirche. Endlich wagt Papst Franziskus es öffentlich anzugehen und hat dazu im Februar zum Missbrauchsgipfel nach Rom geladen.

Missbrauch ist für mich als Priester, nicht einfach, um es im katholischen Fachjargon zu sagen, eine Sünde gegen das Zölibat, sondern: ein schweres Verbrechen. Umso abscheulicher, wenn es Kinder betrifft. Es sind Priester, Ordensmänner bzw. Ordensfrauen, die zu derartigen Taten fähig waren. Gleichzeitig aber mache ich keinen Generalverdacht. Zu viele waren es, aber die stehen nicht für das Ganze. Warum aber zurecht die ganze Kirche jetzt untendurch muss, ist, dass die Taten besonders in der Vergangenheit von der ganzen Verantwortungsebene der Kirche gedeckt wurden. Das stellt wiederum einen Missbrauch gegenüber den Opfern dar. Nebst dem eigentlichen Missbrauch (für die Opfer schon eine Katastrophe) folgte dann das Schweigen und das nicht ernstgenommen werden der offiziellen Kirche. Damit soll jetzt Schluss sein.

Für uns Tätigen im Bistum Basel hat die Konferenz in Rom nicht sehr viel Neues gebracht. Seit Jahren bemüht man sich um klare Richtlinien und eine Zusammenarbeit im «dualen System» und dem Rechtsstaat. Doch der Blick auf die Weltkirche zeigt, dass es nicht ganz einfach ist die Standards, die wir im Bistum Basel zumindest haben, auch wenn sie verbesserungswürdig sind (s. Fall «Riehen»), weltweit einzufordern. Für uns ist es selbstverständlich mit dem Staat betreff Zivilstrafverfolgung zusammenzuarbeiten. Wie soll das aber in Ländern gehen, in denen die Kirche mit dem Staat keine diplomatischen Kontakte unterhält, da die Kirche vom Staat verfolgt wird und im Untergrund aktiv ist? Wie zusammenarbeiten, wenn der Staat Menschenrechte mit Füssen tritt? Oder wie soll diese Zusammenarbeit umgesetzt werden mit Staaten, wo immer noch Mädchen mit 14 Jahren als heiratsfähig gelten (vor allem islamischen Ländern) Schliesslich: In vielen Ländern, besonders Afrikas und Asiens, ist es bis heute noch ein gesellschaftliches Tabu, darüber zu reden.

Das Massnahmenpaket des Krisengipfel weist aber – trotz aller Enttäuschung bei uns – für die Weltkirche in die richtige Richtung: Ende der Vertuschung, Opferschutz statt Täterschutz, kanonische und, wenn möglich, zivile Prozesse für Missbrauchstäter, Verbesserung der Priesterausbildung und vieles mehr. Der von Papst Franziskus einberufene Krisengipfel hat ein Aufrütteln bewirkt und scheint erfolgsversprechend: Alle auf dem Erdenrund wissen es nun, wie auch immer die Herausforderungen auf der Welt heissen mögen: es ist Thema und die Kirche muss und wird Klartext sprechen müssen: Wer solche Taten begeht, ob im Bistum Basel oder anderswo, kann nicht in der Kirche und Seelsorge tätig sein und muss strafrechtlich verfolgt werden, denn Missbrauch ist ein schreckliches Verbrechen, dem mit 0 % Toleranz begegnet werden muss,

meint Ihr Pfarrer Alexander Pasalidi, Gstaad

 

«Es ist eine dunkle Zeit für unsere Kirche» von Christine Vollmer, Gemeindeleiterin Pfarreien St. Josef, Köniz und St. Michael, Wabern

Mit dem Thema Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche werde ich seit langem regelmässig konfrontiert, sei es durch Presseberichte oder durch Diskussionen oder in sehr persönlichen Gesprächen. Die nicht endenden Meldungen von Missbrauchsfällen überall auf der Welt schmerzen. In jedem einzelnen Fall geht es um Menschen und deren Lebensgeschichten. Manchmal mag ich keine Nachrichten dazu mehr hören, weil die Realität dahinter einfach schrecklich und beschämend ist.

In den letzten Wochen erfuhr ich von mehreren Eltern, dass sie sich angesichts der Missbrauchsskandale überlegen, aus der Kirche auszutreten. Eine Mutter, deren Kinder bei uns den Religionsunterricht besuchen, erzählte mir, wie sehr sie darum ringe, ob oder in welcher Form sie sich weiterhin in der katholischen Kirche engagieren wolle und wie sie diese Institution noch in ihrem Umfeld vertreten könne.

Es ist eine dunkle Zeit für unsere Kirche, viel Vertrauen wurde und wird zerstört. Und es nutzt nichts festzustellen, dass in ausserkirchlichen Institutionen in der Vergangenheit bei Missbrauchsfällen ähnlich verfahren wurde wie in der Kirche, und dass die meisten gemeldeten Missbrauchsfälle weit in der Vergangenheit liegen. Die Kirche muss bei sich selbst anfangen und vor der eigenen Türe kehren.

Gleichzeitig bin ich froh, dass endlich «gekehrt» wird! Es gibt keinen anderen Weg, als die Wahrheit auf den Tisch zu legen, ins Gespräch zu bringen und klare Konsequenzen zu ziehen. Die Tagung zum Kindesmissbrauch Ende Februar in Rom war ein Schritt dazu. Anschliessend gab es viel Kritik, weil keine konkreten Massnahmen aus der Tagung folgten. Auch ich hätte mir klarere Ansagen und Schlussfolgerungen gewünscht.

Besonders schwierig finde ich, dass Kindesmissbrauch nach wie vor kaum auch im Zusammenhang mit den Strukturen der Kirche angeschaut wird und eine Doppelmoral wahrnehmbar ist, wenn es um die Sexualmoral der Kirche und ihr Umgang mit Sexualstraftätern geht. Dennoch: Die Tagung zu Kindesmissbrauch in Rom war ein Schritt. Ein Prozess der Bewusstseinsbildung ist im Gange, in dem Kirche mit Gesellschaft und Kirche international miteinander ins Gespräch und ins Ringen kommt. Es sind schmerzhafte, aber bitter nötige Schritte.

Ich will versuchen, den Geduldsfaden mit dieser meiner Kirche nicht zu verlieren; will weiterhin hinhören, im Gespräch bleiben und das Meine zu Veränderungen beitragen.

Christine Vollmer, Gemeindeleiterin Pfarreien St. Josef, Köniz und St. Michael, Wabern  

«Nachtgedanken» von Dominique Jeannerat; Mitarbeitender Priester in der Paroisse française und der Dreifaltigkeitspfarrei

Ich war ungefähr 17 Jahre alt, als ich ein paar Ferientage bei einem Priester, einem Freund meines Vaters, in Frankreich verbrachte. Eines nachts näherte er sich mir und streichelte mich, was mich in eine bodenlose Fassungslosigkeit stürzte. Ich konnte mich sehr rasch von ihm entfernen. Dies kam nachher nie wieder vor. Aber dieses eine Mal fügte mir für lange Zeit eine Verletzung zu, für die es keine Worte gab.

Während fünf Jahren war ich Ansprechperson im Fachgremium gegen sexuelle Übergriffe im Bistum Basel. Eines Tages ertrug ich es nicht mehr: all dies führte mich zu sehr in die Nähe von Orten, an denen ich gewesen war, an Personen, die ich kannte. Darum trat ich zurück.
In gewissen kritischen Augenblicken geschah es, dass ich spürte, wie ein Verdacht, ein Argwohn auf mir lastete, wenn ich an einem Schulhof vorbeikam, wo gerade Pause war. Eines Abends stellte ich mir vor, wie ein Passant mich auf der Strasse als Priester erkennt und mir ins Gesicht spuckt.

Den Ernst der Krise habe ich vorausgeahnt, als in meiner Gemeinde im Berner Jura im Jahr 2010 mehr Kirchenaustritte zu verzeichnen waren als Taufen. Heute befürchte ich, dass der Skandal um den sexuellen Missbrauch eine Auflösung der katholischen Kirche bewirkt. Auflösung hier im Sinne einer Implosion, eines inneren Zusammenbruchs, eines Verlustes der Integrität und der Würde. Dieser Skandal wird in der Geschichte der Kirche eine Spur ähnlich derer der Kreuzzüge und der Inquisition hinterlassen.

Vor ein paar Monaten schrieb einer meiner engsten Freunde dem Bischof seines Bistums und verlangte eine Wiedergutmachung für die Vergewaltigungen, die er vor über vierzig Jahren durch einen Priester hatte erleiden müssen. Sein Mut hat mich mit Freude erfüllt!

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Schweizer Bistümer fähig sind zu lernen. Aufgrund des-sen, was ich Chile geschehen ist, glaube ich, dass auch Papst Franziskus aus seinen Fehlern lernen kann. Hier und anderswo muss die Kirche leider dazu gezwungen werden zu handeln. Ohne unabhängige Untersuchungen, ohne Druck durch die Öffentlichkeit – der unter Umständen aber auch problema-tisch werden kann – scheitert der Wunsch nach Wahrheit und Veränderung an der Trägheit des Systems.

Ich lese wieder einmal Le Dieu pervers von Maurice Bellet (Paris, 1979). Die gute Nachricht der Vergebung ist ein Schatz des Evangeliums. Sie konnte ihrer Perversion nicht entkommen. Corruptio optimi pessima. Ich glaube, dass die Vergebung das letzte Wort haben kann. Die Katastrophe liegt darin, dass die Kirche von den Opfern verlangt hat zu vergeben, bevor diese ihrem Zorn freien Lauf lassen konnten. Die Katastrophe liegt darin, dass die Kirche Vergebung da gepredigt hat, wo Recht hätte gesprochen werden müssen. Man hätte von Verbrechen sprechen müssen, und man hat von Sünde gesprochen – und die Straffreiheit dauerte weiter an…

Nur den Missbrauch zu bekämpfen reicht nicht aus. Die katholische Kirche muss die Frage der Homosexualität und des Zölibats überdenken. Nicht, weil sie eine Erklärung für Pädophilie wäre, sondern weil sie zu der gleichen institutionalisierten Kultur der Geheimhaltung führt.
Ich bin heterosexuell, ich kann dies hier ruhig schreiben. – Wenn ich richtig verstehe, haben kirchliche Berufe als Zuflucht für Personen dienen können, die ihre Homosexualität verstecken mussten und doch einen ankerkannten Platz in der Gesellschaft einnehmen wollten. Heute würde ich es als befreiend empfinden, wenn sich homosexuelle kirchliche Mitarbeiter*innen dazu ohne Angst bekennen könnten.
Ich habe mich auch schon einmal in eine Frau verliebt, aber ich lebe nicht in einer heimlichen Beziehung. – Ich kann mir nur schwer ein Doppelleben vorstellen, das kein Leiden zufügt, und wünschte mir, dass niemand innerhalb der Kirche dazu gezwungen ist.

Es bräuchte eine Art Kinsey Report über die Sexualität der Priester in der Welt!

Im letzten August geschah etwas Aussergewöhnliches, als Papst Franziskus den Klerikalismus anprangerte. Haben wir wirklich verstanden, was dies bedeutet? Ein Papst, der an das Volk Gottes appelliert und den Klerikalismus seiner Kirche anprangert, das hat es noch nie gegeben! Ist den Bischöfen und Kardinälen bewusst, die unter sich in ihren schönen Soutanen in Rom beraten, dass nur schon dieses einfache Bild sie in den Augen vieler Gläubigen diskreditiert?

Bei sexualethischen Fragen ist es dringend erforderlich, dass die katholische Kirche erst einmal schweigt und zuhört.

Es gibt Wichtigeres als all dies: die Beziehung zwischen Frau und Mann innerhalb der Kirche. Es soll eine Beziehung sein, die geprägt ist durch gegenseitiges Zuhören, Gerechtigkeit, Partnerschaft und letztlich die Freude am Zusammensein! Da habe ich grosse Angst. Angst davor, dass genau in diesem entscheidenden Punkt meine Kirche nicht reformierbar ist.

Komm herab, o Heilger Geist, der die finstre Nacht zerreisst!

Dominique Jeannerat; Mitarbeitender Priester in der Paroisse française und der Dreifaltigkeitspfarrei

Anmerkung: Dieser Text ist eine Übersetzung. Dominique Jeannerat hat seine Gedanken auf Französisch verfasst.
Das Original finden Sie hier als pdf

«Entsetzt» von Marie-Louise Beyeler; Pastoralraum- und Gemeindeleiterin Bern Seeland

Das war ein anderes Programm: In einer von Gewalt, Machtspielen und Ungerechtigkeit geprägten Zeit stand der Sohn Gottes ein für Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Nächstenliebe, er stellte sich auf die Seite der Randständigen, Schwachen und Geächteten. In Bildern, Predigten und Taten öffnete er uns die Augen für das Reich Gottes, in dem es ein Leben in Fülle für alle gibt. Für alle! Das hat Menschen um ihn herum begeistert. Jesus hat nicht an Strukturen und Gesetze gedacht, als er im letzten Abendmahl die Eucharistie einsetzte: Das ist mein Leib, das ist mein Blut – tut das zu meinem Gedächtnis. Das taten die ersten Gemeinden, in ihnen lebte die Begeisterung für die Frohe Botschaft weiter, im Staunen über die Auferstehung nach dem Tod am Kreuz. Die nachösterlichen Erlebnisse ermutigten die Menschen im Glauben und dem Wagnis eines neuen Wegs, die pfingstliche Geistsendung war Bestätigung, Aufbruch und Schwung, es wurde die Kirche daraus.

Sie steht in dreifacher Dimension da, so wurde es im Zweiten Vatikanum in der der Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium in den
Kapiteln 1-3 festgehalten: Die Kirche ist einerseits die geheimnisvolle Gegenwart Jesu Christi durch alle Zeit hindurch, sie ist ebenso das durch die Zeiten pilgernde Volk Gottes und dann auch jene hierarchisch geprägte Institution, an welche meistens gedacht wird, wenn von «Kirche» gesprochen wird. Eine dreifache Dimension? Nun, ich glaube innig an die Gegenwart von Jesus Christus in der Welt. Seine Verheissung, bei uns zu sein bis zur Vollendung der Zeit (Mt 28,20) ist einer der Grundpfeiler meines Glaubens. Auch nehme ich trotz der fortschreitenden Säkularisierung des Lebens täglich engagierte, gläubige Menschen als Volk Gottes wahr, Menschen, die den Glauben unerschütterlich wagen und sich damit vielerorts auch exponieren.

Und wie steht es um die dritte Dimension, die hierarchische Institution? In deren Gebälk knirscht und kracht es gewaltig. Wenn sich Kirchenmänner und -frauen an Kindern vergreifen, verschlägt es mir die Sprache. Wie krank muss ein Mensch sein, um einem unschuldigen, machtlosen Geschöpf Schaden zuzufügen? Und das in der Kirche… Wo und wie hat sich der neue Weg verkrümmt? Haben in den Strukturen der Kirche Machtmissbrauch und Gier, Sex und Gewalt, Arroganz und Eitelkeit jenen Platz gefunden, den sie zur Zeit Jesu im Römischen Reich und immer wieder in Systemen hatten und haben? Nein, das darf doch nicht sein, möchte man schreien und das Gegenteil beweisen. Ja, muss man mit einem vor Entsetzen klammen Herzen zugeben, denn sexueller Missbrauch von Kindern und Schwachen, Vertuschung, Lügen, Scheinheiligkeit – dieser Realität müssen wir ins Gesicht schauen und sind erschüttert. Es ächzt und rumort im Gebälk, und sollte es dereinst zusammenstürzen, wird hoffentlich durch das ganze Desaster hindurch das Licht von Jesu Gegenwart wieder klarer sichtbar. Und Sein Volk, das im Glauben an ihn unterwegs ist. Das ist ein anderes Programm…

Marie-Louise Beyeler; Pastoralraum- und Gemeindeleiterin Bern Seeland

«Es war ein Weg, den ich machen musste» von Kurt Schweiss; Pastoralraumpfarrer Oberland, Pfarrer in St. Martin Thun

Das erste Mal kam das Thema des Missbrauchs Jugendlicher oder gar Kinder mir nahe, als uns in der religiösen Gemeinschaft, in der ich damals lebte, mitgeteilt wurde, ein Mitbruder, der bis vor Kurzem bei uns in der Gemeinschaft gewohnt hatte, habe Jugendliche missbraucht. Da war Überraschung, Verständnislosigkeit und Betroffenheit, da war aber auch die Hoffnung, dass es doch nicht so öffentlich werde, dass der Richter doch das mit einer gewissen Diskretion behandle, dass es doch keinen Skandal gebe.

Das zweite Mal kam die Sache schon bedrohlich nahe. Der Mitbruder, der missbraucht hatte, wäre einen Monat später Mitglied der Hausgemeinschaft gewesen, deren Verantwortlicher ich damals war. Wieder Verständnislosigkeit und Betroffenheit, aber auch Wut, vor allem jedoch Erleichterung, dass es nicht unter meiner Verantwortung geschehen war.

Jahre später und weit weg, ich hatte die Arbeitsstelle als Krankenseelsorger übernommen, die zuvor ein Mitbruder innehatte, der wegen Missbrauchsvorwürfen die Stelle verlassen musste. Es kam dann der Tag, an dem sein Fall die Titelseite der lokalen Zeitung zierte. Als ich zur Arbeit kam, streckte mir eine Angestellte des Spitals die Titelseite entgegen und fragte: «Schicken sie alle Perversen zu uns?» Ich konnte nicht nein sagen, da ich mittlerweile wusste, dass das Bistum Mitbrüder, gegen die Vorwürfe erhoben worden waren, als Seelsorger in Krankenhäuser schickte.

Da war meine Hoffnung, dass es in solchen Fällen keinen Skandal geben möge, längst auf der Strecke geblieben, denn während der vorangegangenen Jahre hatte ich Menschen kennengelernt, die sexuell missbraucht worden waren. Opfer von Klerikern waren keine dabei. Wie hätten sich solche mir, einem Kleriker, gegenüber öffnen können? Der Kontakt mit diesen Opfern hatte mir das Ausmass der Verwüstung und Verheerung gezeigt, die durch Missbrauch in deren Leben entstanden war. Da war nicht mehr viel Raum für Theorien und Erklärungen, da waren zerstörte Leben, Jahre später noch geprägt vom Erlittenen.

Es war ein Weg, den ich machen musste, von der ersten Nachricht über einen Missbrauch, der von einer mir bekannten Person verübt worden war, zum allmählichen Lernen von Personen, die Missbrauch erlitten hatten, was Missbrauch mit Menschen tut. Es war ein Weg, auf dem ich in meiner seelsorgerlichen Arbeit, überhaupt im Umgang mit Menschen manches lernen musste und mir herrschender Machtverhältnisse und derer Gefahren bewusst werden musste. Es war aber auch ein Weg, auf dem sich meine Sicht auf und meine Haltung zur Kirche als Institution verändert hat. Dies obwohl oder vielleicht gerade weil ich als Kleriker für viele Leute offiziell Institution Kirche verkörpere.

Dort, wo Kirche vorwiegend aus Sorge um sich selbst handelt oder nicht handelt, ist es fast unvermeidlich, dass Menschen zu Schaden kommen. Anders gesagt, Kirche ist dort am meisten Kirche, wo sie sich nicht um sich selbst dreht, sondern den Menschen dient, denn: Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. (Joh 10,10b)

Kurt Schweiss; Pastoralraumpfarrer Oberland, Pfarrer in St. Martin Thun

Meinungsbeiträge und Reaktionen von Leser*innen

Leserbrief von Claus Noppeney: Sexuelle Gewalt in der Kirche

Ich gehöre nicht zu den Fans des Berner «pfarrblatt». Vielmehr dürfte der zuweilen kirchenpolitisch-agitatorische Generalbass mit ein Ausschlag gewesen sein, warum wir als ganze Familie vor einigen Jahren der Berner Staatskirche den Rücken gekehrt haben und uns - wie sonst fast überall auf dem Globus - am Solidaritätsfonds des Bistums beteiligen. Having said this – mit der aktuellen Ausgabe und den persönlichen Stimmen zur Missbrauchskrise ist Ihnen Beachtliches gelungen. Die Nachrichten schütteln uns im Glauben durch. Wir danken Ihnen für diesen Beitrag. Unser Dank gilt auch den Menschen, die hier persönliche Einblicke gewähren. Wir wünschen uns, dass auch Bischof Felix (und andere Bischöfe) sich in der ersten Person zum Thema äussern. Vielleicht könnte das «pfarrblatt» auch hierfür ein Forum sein.

Claus Noppeney, via E-Mail

 Meinungsbeitrag von Dölf Wälchli, Bremgarten

Ich nenne sie hierarchische Institutionen und meine damit, diejenigen Amtsträger innerhalb der katholischen Kirche, welche sich – auf welcher Stufe auch immer – im Auftrag Gottes für die Einhaltung des Kirchenrechtes engagieren. Sehr vereinfacht ausgedrückt, gehe ich bei dieser Betrachtungsweise von einer Aufteilung der weltumfassenden Menschenrechte in ein Staatsrecht einerseits und in ein Kirchenrecht anderseits aus.

Kann man diese beiden Rechte völlig losgelöst voneinander und ohne Überschneidungen vollziehen? Bis zum Beginn dieses Jahrtausends wurde diese Frage von den hierarchischen Institutionen der katholischen Kirche – recht sorglos, dafür umso selbstbewusster – mit Ja beantwortet.

Es galt der Grundsatz, auch massive sexuelle Übergriffe von Geistlichen und Ordensleuten sind sowohl abschliessend als auch ausschliesslich innerhalb des Kirchenrechtes weiter zu verfolgen.

Seit wenigen Jahrzehnten wird unsere Kirche schlicht dazu gezwungen, diese selbstgerechte Praxis bei der Abarbeitung von menschenverachtenden Missbräuchen aufzugeben. Sexualdelikte aller Art, begangen von kirchlichen Mitarbeitern, wurden nun zusätzlich zu einer allfällig internen Bestrafung auch noch den Instanzen des Staatsrechtes gemeldet.

Soweit, so gut, wenn da nicht noch ein zweiter Ansatzpunkt wäre, welcher von den hierarchischen Institutionen nach wie vor mit ungetrübter Selbstherrlichkeit gehandhabt wird.

Das weltumfassende Menschenrecht im Allgemeinen und damit das Staatsrecht im Besondern widersetzt sich der Zuordnung der Menschen in zwei Klassen. Im modernen Staatsrecht werden Weisse und Farbige, Eingeborene und Zugezogene, Gläubige und Ungläubige, Männer und Frauen gleich behandelt.

Entgegen diesem weltumfassenden Menschenrecht schwenkt unsere hierarchische Institution noch immer selbstherrlich und bedenkenlos die die «Nullerkelle», wenn es darum geht für priesterliche Dienste die Frauen gleich zu behandeln wie die Männer. Begründet wird diese Haltung mit dem Kirchenrecht, welches in dieser Frage (noch immer) keine Schnittstelle aufweist zum Staatsrecht. Anmerkung: Der von Schützen verwendete Begriff «Nullerkelle» ist bewusst gewählt, um die männliche Macht zu betonen.

Erkennen unsere hierarchischen Institutionen innert nützlicher Frist den Handlungsbedarf zur Gleichbehandlung aller Brüder und Schwestern? Oder erzwingen die weltumfassenden Menschenrechte auch noch in dieser zweiten Frage eine unumgängliche Angleichung des Kirchenrechtes an das Staatrecht?

Dölf Wälchli, Bremgarten
 

Meinungsbeitrag von Hans H. Weber, Thun 

Der 29. Oktober 2014, Generalaudienz Papst Franziskus:

«Wir alle sind Kirche»: sind für unsere Zeit wohl die stärksten Worte die Papst Franziskus in unsere kirchliche Welt setzte. Hört! Der Papst spricht zu: «alle Getauften, die dem Herrn nachfolgen und in seinem Namen Gutes tun»! Er entbindet somit sein Amt, die Kleriker und Ordensleute als alleinige Verantwortliche der Kirche. Wenn ich sage: «Ich bin Kirche», dann trage ich allein die Verantwortung für meine Arbeit, im Namen Gottes Gutes zu tun. Verantwortung lässt sich nicht delegieren.

Corruptio optimi pessima (Frei übersetzt: «Das Verderben des Besten ist das Schlimmste):
Sich bewegen zu können erlaubt jeden möglichen Weg einzuschlagen und wieder an den Anfang zurückzukehren. Die Vertikale erlaubt nur zwei Richtungen einzuschlagen: Aufstand oder Niedergang. Der Aufstand bietet die Möglichkeit sich gegen etwas zu erheben. Der Niedergang bietet die Möglichkeit dem Druck von unten nachzugeben, oder zu fallen.

Das Regulativ der Kausalität:
Ich kenne kein Sozialsystem, keine Institutionen, keine Diktatoren, die den absoluten Gipfel der Macht erreicht haben. Das Schöpfungsprinzip hat ein Regulativ in sich, dass nicht zulässt, dass Systeme über sich hinauswachsen. Ich nenne dieses Regulativ Kausalität, die Lehre von der Ursache und deren Wirkungen. Obwohl Ursachen gemacht werden sind die Auswirkungen nie kontrollierbar. Ich erinnere an eine Begebenheit um Ignatius von Loyola (Gründer des Jesuitenordens). Nachdem der Offizier Loyola sich entschlossen hatte, sein Leben ganz Jesus zu unterordnen, legte er in einer Kirche seine Waffe nieder. Danach machte er sich auf den Weg und begegnete einem Bettler. Er tauschte seine vornehme Kleidung mit der des Bettlers aus. Gekleidet in ein schäbiges Gewand trat ein Ordnungshüter auf Loyola zu. Dieser sagte: «Mein Herr, wir haben den Bettler verhaftet, der ihnen ihre Kleidung gestohlen hat»! Ignatius von Loyola erkannte, dass auch das innige Guttun dem Mitmenschen gegenüber einen unerwarteten Verlauf nehmen kann.

Das Regulativ der Korruption:
Es existiert eine Kraft, die einen Ausgleich sucht und der Mutation eines Systems eine regulierende Kraft entgegensetzt. Kraft erzeugt Gegenkraft. Die Kraft, die aufgewendet werden muss, um eine mutierende Kraft auszubremsen, muss immer über die grössere Potenz verfügen. Dazu gibt es eine für mich sehr interessante Feststellung. Die Kraft mit der grösseren Potenz gegenüber der zu bekämpfenden Kraft heisst: «Korruption». Die Physiologie benutzt das Zusammenwirken von chemischen, physikalischen und biologischen Vorgängen. Das heisst sie richtet sich immer genau auf eine regulierende Gegenwehr aus. Wenn ein System mutiert und für die herrschende Ausgleichsordnung zur Gefahr wird, dann korrumpiert dieses System. Das System scheitert an der dauernden Überforderung ihres Gewinnstrebens, oder ihrer überzüchteten Moral im Zuge einer zu erwartenden Eigendynamik. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die göttliche Kraft niemals aushebeln lässt. Dass unser Schöpfer uns Menschen kein Instrument zur Verfügung stellte, um sich durch seine Geschöpfe «ausser Dienst» stellen zu lassen. Die Korruption ist bereits als eine Komponente im in das Schöpfungssystem implementiert. Prinzipiell um als Regulativ einer selbstzerstörenden Überhitzung entgegen zu wirken. Denn wenn ein System korrumpiert entsteht ein Neuanfang. Es müssen nicht alle grundsätzlich guten Elemente noch einmal neu erfunden werden, aber sie müssen neu geordnet werden im wiedergeborenen System. Beispiele sind genug und offensichtlich erkennbar.

Die Kraft der Unterbrechung und die Stabilität:
Ein Unterbruch kann als Schutzfunktion einen Schaden verhindern. Wenn beispielsweise eine Sicherung im überlasteten Stromkreis die Vernichtung durch Verbrennen verunmöglicht. In der Computerwelt verhindern logische Elemente durch einen Unterbruch das Durchbrennen des Prozessors auf Grund nicht beantwortbarer Resultate. Der Unterbruch schafft Platz für Neues, ohne das Alte zu zerstören. Die Stabilität sorgt dafür einen Unterbruch zu verhindern. Wird die Stabilität ausgetrickst, folgt eine Sollbruchstelle, der Unterbruch. Ist die Stabilität ein Element der göttlichen, oder der weltliche Sphäre?

Die Stabilität wirkt nur im Bereich des SEINS. Sie hat einen Anfang und ein Ende. Die Stabilität in der Endlichkeit des SEINS ermöglicht gemäss ihrer Elemente Sicherheit zu vermitteln. Aber kann auch als Werkzeug der Herrschenden angewendet werden, um ihre Macht am Leben zu halten und genau dieser Umstand führt zur Korruption.

Auf was beruhen diese vorgestellten Elemente?
Sie sind Garant der Hoffnung. Sie sind der Fingerzeig Gottes zu unseren menschlichen Taten: «Bis hierher und nicht weiter»! Ich hege die Hoffnung, dass unsere röm.-kath.-Kirche den Mut zu dringenden Reformen aufbringt, ohne eine Kirchenspaltung. Wir kenn den Verlauf unserer mehr als zweitausendjährigen Kirchengeschichte. Im sechzehnten Jahrhundert wucherte die Korruption innerhalb der weltlichen und kirchlichen Machtstrukturen so stark, dass zumindest eine kirchliche Reformation HALT gesagt hat. Ein riesiger Nachteil für beide Seiten, die Reformation spaltete die bis dahin einzige christliche Kirche. Meiner Ansicht nach darf das nicht wieder geschehen.

Wie weiter?Die absolut klare Hoffnung geht aus der Aussage von Papst Franziskus aus: «Wir alle sind Kirche». Ich arbeite eng mit nichtkatholischen Kirchen und freikirchlichen Bewegungen, als praktizierender Katholik, zusammen. Ich erlebe im gemeinsamen Dialog auf gleicher Augenhöhe immer wieder das Erstaunen meiner Mitchristen, wenn ich klar und deutlich bekenne «Ich bin Kirche». Ebenso interessant ist es, wenn kurz über diese Aussage nachgedacht wird. Meistens entsteht eine Solidarität in christlicher Gemeinschaft, durch dieses Statement. Denn dieses Bekenntnis befreit die persönliche Unterstellung durch eine kirchliche Institution. Wenn sich der individuelle Mensch überlegt, welche Auswirkungen dieses Bewusstsein auslösen kann, werden Vorurteile gegenüber dem Mitchristen abgebaut. Die einzelne Person nimmt in aller Freiheit den Gedanken auf, Kirche zu sein und dementsprechend Verantwortung zu übernehmen.

Ich bin, oder wir sind Kirche befreit weitgehend davon, für jede Missetat der kirchlichen  Institution Verantwortung zu zeichnen. Denn wenn das für alle Getauften, die dem Herrn  nachfolgen gilt, dann muss jeder die Verantwortung für sein Tun oder Lassen selbst übernehmen.

Ich sehe keinen Sinn darin, dass die kriminellen Missbräuche von den in der Verantwortung stehenden Amtspersonen als Krankheit oder Verfehlung der Kirche anzuerkennen. Denn ich bin als bewusster, mündiger Katholik nicht solidarisch haftbar durch die Missetaten, die innerhalb meiner Kirche begangen worden sind. Die unglückliche Zeit der Sippenhaft hat nichts mehr im 21. Jahrhundert verloren. Ich komme zurück auf die Bewegung innerhalb einer Vertikalen. Es gibt nach meiner Überzeugung nur den Weg den von unten nach oben einzuschlagen. Gewissermassen: «Wir als Kirche stehen in Gemeinsamkeit auf, jeder im Bewusstsein seiner eigenen Verantwortung gegenüber seiner Kirche.

Ein Manifest:Wir sind solidarisch bewusst, dass wir fehlbar sind, dass wir als Menschen auch sündig sind. Aber diese Sündhaftigkeit schliesst Verbrechen an der Menschlichkeit aus. Wir sind nicht gewillt, unsere Kirche auf Grund massiver Verfehlungen von Personen, die sich auf die Satzungen meiner Kirche berufen, in unserem Kirchenverständnis zu dulden»! Wir, die kämpfend für unsere Kirche einstehen haben das Recht, die Wahrheit zu erfahren, um das Vertrauen wiederherzustellen. 

Goldiwil, 22. März 2019 Hans H. Weber, Pfarreirat in der Pfarrei St. Marien in Thun

 

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