Gesucht: ein Kloster im Emmental

«No monastery?» Als Erstes fragte mich Nev an der Pfarrhaustür, ob es in Burgdorf kein Kloster habe. Er war auf dem Jakobsweg unterwegs, zu Fuss von Prag nach Santiago de Compostela. Er suche ein Kloster, wo er günstig übernachten könne. Im Emmental, erklärte ich ihm, gebe es schon lange keine Klöster mehr. Nev bezog bei uns Quartier und blieb zwei Nächte.

von Markus Buenzli-Buob

Als Gemeindeleiter der Pfarrei Maria Himmelfahrt in Burgdorf wollte ich Spuren von Klösterlichem im Emmental finden. Nach meiner Pensionierung fand ich nun Zeit, dieses Projekt umzusetzen. Wo lassen sich Geschichten von Klöstern, Kirchen, Stadt und Land erfahren? Ich mache mich auf die Suche. Kommen Sie mit ins Emmental!

Benediktiner in Trub

Erste Station ist Trub. Ein Wanderweg führt vom Löwenplatz zur Oberklosteregg. Neben der heutigen Dorfkirche steht das Kirchgemeindehaus. Es ist auch mit KLOSTER angeschrieben. Die Grossbuchstaben erinnern an alte Zeiten. Hier befand sich von den 1120er Jahren bis 1528 eine Abtei des Benediktinerordens.

An der Südwand der Kirche hängt eine Sonnenuhr mit Anzeige der Stunden von VIII bis IV. Darin sind ein Abt mit Bischofsstab und ein Handwerker abgebildet. Über der Uhr heisst es: «Gebet und Arbeit ins Gemein / bannt Nebel und bringt Sonnenschein.»
Der Spruch ist an das benediktinische «ora et labora » (bete und arbeite) angelehnt. Ich trete in die Kirche ein. Sie ist geostet. Im Chorgestühl höre ich ab Smartphone gregorianische Gesänge der Choralschola Einsiedeln. Die Musik lässt Bilder von Klöstern, Mönchen und Nonnen auftauchen.

Draussen, beim Blick auf das Ensemble von Kirche, Kirchgemeindehaus und Wohnhaus, stelle ich mir die alte Klosteranlage mit vielfältigen Aktivitäten vor. Tempi passati. Nicht vergessen ist in Trub ein dunkles Kapitel aus dem 16. Jahrhundert: Ein Täuferweg mit 12 Posten erinnert daran.

Links:
Homepage des Benediktinerordens 
Täuferweg im Emmental 
Gemeinde Trub 
Kunstführer der Gemeinde Trub (mit Informationen über die ehemalige Klosteranlage)

Benediktinerinnen in Rüegsau

Zweite Station ist die Kirche in Rüegsau in der «rauhen Aue». Als Gemeindeleiter hatte ich hier mehrmals zu tun: kleine Kinder taufen, junge Paare verheiraten, alte Menschen beerdigen. Der Lauf des Lebens.

Zwischen 1140 und 1160 wurde hier ein Frauenkloster gebaut, ebenfalls – wie in Trub – von Thüring von Lützelflüh gestiftet. Benediktinerinnen zogen ein. Das Kloster war, wie jenes in Trub, dem Heiligen Kreuz und dem Evangelisten Johannes geweiht. Beide Ortswappen erinnern heute noch daran.

Bei Grabungen zu den Klosterfundamenten stiess man auf eine «Madonna von Rüegsau», entstanden während der Bauzeit des Frauenklosters. Eine Kopie steht bei der Aufbahrungshalle. Vor der Dorfkirche hängt der Situationsplan des ehemaligen Klosters. Ich schliesse die Augen und versuche, mich in eine ganz andere Welt zu versetzen.
War sie damals so ganz anders? Heute ist die Kirchentür geschlossen. So kann ich die sehenswerten Glasfenster von Walter Loosli nicht auf mich wirken lassen. Den Künstler kenne ich aus meiner Könizer Zeit, wir waren Nachbarn.

 

Links:
Gemeinde Rüegsau 
Madonna von Rüegsau 
Kirchenfenster von Walter Loosli 
Walter Loosli bei Wikipedia 

Geöffnet ist hingegen oben in Rüegsbach die Kapelle Sankt Blasius (Foto oben von Pia Neuenschwander).
Sie blieb nach der Reformation erhalten. 1528 wurden das Frauenkloster aufgehoben und die St. Johannis-Kapelle abgebrochen. In der Kapelle hängt das Wappen von Rüegsau mit Kreuz und Rüegsbach.

Von Blasius gibt es nichts zu sehen. Doch der Name verweist auf die Abtei St. Blasien im Schwarzwald. Die ersten Truber Mönche kamen von dort ins Oberemmental.

Blasius Kapelle Erst jetzt wird mir klar, dass die Blasius-Kapelle ein passender Ort gewesen wäre, um jeweils am 3. Februar, am Namenstag von Blasius, den Blasius-Segen zu erteilen. Diese Gelegenheit habe ich verpasst. Die Taufe eines kleinen Kindes aus der Gegend war mein einziger Einsatz hier oben.

Vor der Tauffeier läuteten die Glocken, ein üblicher Vorgang. Doch die Glocken von Rüegsbach sind die ältesten Kirchenglocken der Schweiz. Sie stammen aus dem 12./13. Jahrhundert. An diesem unscheinbaren Ort leben verborgene Kirchengeschichten auf! Ein Kloster als Bauwerk existiert in der Region nicht mehr. In Trub beten und arbeiten keine Benediktiner, in Rüegsau keine Benediktinerinnen.

Fehlen darum – spirituell formuliert – Wegweiser, die «auf die Mitte» zeigen?

 

Links:
Die Glocken in Rüegsau: zum Anschauen und Hören!
Kloster St. Blasien bei Wikipedia (mit einer Erwähnung von Trub) 
Website des Doms St. Blasius  

Ein Findling zeigt die Mitte

Dritte Station auf meiner Suche nach Klösterlichem im Emmental ist Ranflüh. In diesem Ortsteil von Lützelflüh findet sich etwas, was allein hier sichtbar ist. Das Emmental wächst: Die Bevölkerung nimmt zu, mehr Siedlungsfläche wird gebraucht. Das Emmental wird kleiner: Landwirtschaftsfläche und Waldfläche nehmen ab. Wie geht die Entwicklungen in den nächsten Jahrzehnten weiter?

Damit «die Mitte» der Region nicht verloren gehe, wurden im Herbst 2013 Findlinge als Markierungen der geografischen Mittelpunkte des neuen Verwaltungskreises und der ehemaligen drei Amtsbezirke gesetzt. Der Gedenkstein für den Mittelpunkt des Verwaltungskreises Emmental liegt vor dem Altersund Pflegeheim Dändlikerhaus in Ranflüh.

Ein Findling lässt die Mitte finden. Vier Findlinge lassen viermal «Mitte» finden. Eine Mitarbeiterin des Dändlikerhauses holt mich schnell aus klösterlichen Fantasien zurück in den Alltag. Sie spüre seit 2010 keinen Unterschied zu damals, als die Mitte des Emmentals noch nicht mit einem Stein angezeigt wurde … So muss ich meine Suche fortsetzen.

 

Links:
Das Emmental hat vier geografische Mittelpunkte erhalten. Wochenzeitung für das Emmental und Entlebuch, 17.10.2013. 
Gemeinde Lützelflüh  

Franziskaner in Burgdorf

Vierte Station ist Burgdorf. Auf der Strasse von Ranflüh nach Burgdorf fahre ich durch Oberburg. Ein Zwischenhalt bei der Kirche ist angebracht. Sie erinnert daran, dass hier bis 1401 die Pfarrkirche für die Region stand, verbunden mit dem Kloster Trub.

1421 wurde die Kirche St. Georg in die Abtei inkorporiert. Vorher umfasste die mittelalterliche Pfarrei lange Zeit ein grosses Einzugsgebiet, auch Burgdorf gehörte dazu. Mit den Zähringern wurde aber Burgdorf stärker, die «untere Burg» bekam Gewicht. Die «obere Burg», deren Standort nicht geklärt ist, verlor an Bedeutung.

Im Mittelalter standen in Burgdorf zwei Klöster, eines der Barfüsser und eines der Beginen-Gemeinschaft. Die Franziskaner errichteten 1280 ihr Kloster auf einem Platz an der Stadtmauer. Es bestand aus Klosterkirche, Kreuzgang, Konventsgebäuden, Friedhof und Herberge. Die Kirche und die meisten Gebäude wurden 1541 nach der Reformation abgebrochen. Die letzten Überreste verschwanden 1823 beim Bau des Staldenkehrs.

Nun stehe ich am Staldenkehr und meditiere über vier in Beton gegossene Worte des Künstlerpaares Sabina Lang / Daniel Baumann: ALSBALD – DEREINST – SOEBEN – DEMNACH. Seit 1996 inspiriert hier Kunst im öffentlichen Raum zu Gedanken-Spielen. Die Beginen sind in der Oberstadt seit dem 14. Jahrhundert fassbar. Sie bildeten eine religiöse Gruppe von Frauen, die im Gegensatz zu Nonnen keinem Orden angehörten und ihr Gelübde auf Zeit ablegten.

Leider ist mir momentan der Zugang zum Schloss mit seinen Museen verwehrt. In der Ausstellung «Archäologie und Stadtgeschichte » könnte man einiges erfahren von Klöstern, Kirchen, Stadt und Land. Bis 2020 wird das Schloss im grossen Stil umgebaut, ein treffendes und schönes Symbol für Geschichte(n). Es wird Platz geschaffen für Museen, für Gastronomie, für eine Jugendherberge, für Trauungen und Seminare.

Ob dereinst auch die Klostergeschichte im Emmental thematisiert wird?

 

Links:
Oberburg im Emmental
Gemeinde Burgdorf    
Schloss und Museum Burgdorf   
Die Zähringer auf Wikipedia 
Zähringerstädte - eine Übersicht 
Franziskaner in der Schweiz    
Die Barfüsser auf Wikipedia   
Beginen im Mittelalter, Frauenwissen.at  
Beginen heute, Deutschlandfunk, Frauen unter sich, 15.12.2017

Am Ort des ehemaligen Franziskanerklosters am Staldenkehr in Burgdorf. Heute befindet sich hier eine Installation des Künstlerpaares Sabina Lang / Daniel Baumann. Foto: Pia Neuenschwander  

Rundumblick auf der Aspiegg

Fünfte Station ist die Aspiegg (Foto: Roland Spring) mit ihrer Linde, auf 918 m gelegen. Sie ist der Ort, wo vier ehemalige Amtsbezirke des Emmentals eine gemeinsame Grenze hatten.

Eine Linde an einem markanten Standort ist von alters her ein wichtiger Schutz- und Versammlungsbaum – ähnlich wie ein Kloster. Hier oben geniesst man wunderschöne Aussichten mit 360- Grad-Panorama. Der Blick geht auf Bauernhöfe, Weiler, Wälder, Felder und zum Turm der Stadtkirche Burgdorf. Man sieht den Bantiger, Högerlandschaften, Voralpen und von den Hochalpen Eiger und Mönch (!).

Ein Gipfelbuch mit Bleistift liegt auf. Auf der Sitzbank mache ich mir Emmentaler Geschichte(n) von Klöstern, Kirchen, Stadt und Land bewusst. Ich atme tief durch. Und gehe mit neuer Kraft und frischem Geist weiter.

Gesucht: ein Kloster im Emmental. Gefunden: klösterlich angehauchte Stimmung auf der Aspiegg.

 

Links:
Die Aspilinde auf der Aspiegg und über die Symbolkraft von Linden. Archiv der Wochenzeit für das Emmental und Entlebuch.
Die Aspiegg auf der Landkarte   

Die Erzählungen von Markus Buenzli-Buob «Von Klöstern, Kirchen, Stadt und Land. Geschichten aus Burgdorf, dem Emmental und der Region Bern» können Sie HIER herunterladen.

 

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.