Die Näherinnen mit einigen ihrer fertigen Werke. Foto: Martin Bichsel

200 auf einen Streich

Aus Fastentüchern werden Taschen

Die Pfarreiseelsorgerin Ute Knirim hat ein besonderes Nähprojekt lanciert: In Köniz haben acht Frauen Fastentücher der letzten 45 Jahre zu Taschen umgenäht. Bislang sind rund 200 Einzelstücke unter ihren Händen entstanden.

Interview: Anouk Hiedl

«pfarrblatt»: Wie kamen Sie auf die Idee, Fastentücher zu recyceln?

Ute Knirim: Im Frühling 2020 sah ich in der Sakristei unsere Fastentücher der letzten vier Jahrzehnte fertig gestapelt zum Entsorgen. So viel Material, so viele Geschichten, so viele Glaubenszeugnisse, Leiderfahrungen und Hoffnungen, die Künstler:innen seit 1976 für die Fastenzeit geschaffen haben – zu schade! Da kam mir die Idee, Taschen daraus zu nähen. Ich wusste, dafür kann ich sicher einige Frauen gewinnen. Zusätzliche Tücher bekam ich von den Berner Pfarreien St. Antonius und Bruder Klaus sowie von der Pfarrei Heiliggeist Belp. Mittlerweile läuft das Projekt weiter, weil manche Frauen Lust haben, auch die neuen Fastentücher umzunähen.

Wer näht mit?

Acht «tapfere Schneiderinnen», wie ich sie immer nenne, zwischen 20 und 88 Jahren. Männer sind keine dabei. Einige Frauen haben sieben bis zehn Taschen genäht. Andere holen immer wieder Fastentücher und haben je zwischen 60 und 100 Taschen angefertigt. Ich selbst habe eine einzige Tasche mit dem Motiv von Oscar Romero, dem heiligen Bischof von El Salvador, für einen Gastprediger gemacht. Das hat ewig gedauert und ist nicht halb so schön geworden wie die anderen Taschen. Mir ist vor allem wichtig, dass die Arbeit der Frauen gewürdigt wird.

Welche Fastentücher sind beliebt?

Zuerst hatte ich nur die älteren aus den 1970er und 80er Jahren da. Da haben die Frauen oft nach Farben ausgesucht, während andere einfach eines mitnahmen, egal, wie es aussah. Die älteren Tücher sind aus schwerem Stoff gemacht, das führte manchmal auch zu Schwierigkeiten beim Nähen. In den letzten zwei Jahren überlegten sich einige der Frauen bereits, wie sie das Fastentuch umnähen könnten, als es noch in der Kirche hing.


Die Sujets aller Fastentücher kritisieren Missstände. Die älteren wirken heutzutage mitunter verstaubt oder frömmlerisch…

Das ist so. Die älteren Tücher thematisieren oft die Passion Jesu und stellen sie in einen Zusammenhang mit der Situation der Menschen im Herkunftsland des jeweiligen Fastentuchs. Oder es sind biblische oder leidvolle Szenen. Das älteste Fastentuch von 1976 mit dem Titel «Christus als Lebensbaum – Hoffnung für alle» von Jyoti Sahi aus Indien (siehe Kasten unten) zeigt einen Totenkopf unter dem Kreuz. Dieser symbolisiert den «alten Adam» und Christus als den neuen Menschen. Dann ist da noch ein blutender Mensch hinter Gittern. Das ist nicht so leicht anzuschauen. Einige der fertigen Taschen wurden deshalb als «zu fromm» eher liegengelassen. Neuere mit abstrakten Mustern und Darstellungen sind beliebter. Das neuste Tuch, das unsere Frauen umgenäht haben, hat Uwe Appold für 2019/20 zum Thema «Mensch, wo bist Du?» in Blau und Gold gestaltet.

Was für Taschen sind entstanden? 

Es gab am Anfang zwei Modelle, eine kleine, flache Tasche und eine grössere mit Boden. Ein paar Frauen haben daraus eigene Ideen entwickelt: Taschen mit integriertem Griff statt Henkel, mit langen oder kurzen Schlaufen, mit Borten oder Bommeln verziert, Modelle mit einseitigem Motiv oder mit farbigem Stoff oder Plane gefütterte Riesentaschen – ich bin nicht aus dem Staunen herausgekommen.

Was geschieht nun mit diesen vielen Taschen?

Sie werden mit den Produkten aus fairem Handel des Rägebogestands» und beim ökumenischen Fastensuppentag unserer Pfarreien verkauft, je nach Modell für fünf bis 20 Franken. Der Erlös kommt den 2023 unterstützten Projekten zugute. Andere Pfarreien sind willkommen, sich diesem Taschenverkauf während und auch nach der ökumenischen Kampagne anzuschliessen. 2024 wird das Hilfswerk Fastenaktion die Taschen in sein Programm mit aufnehmen.

Elisabeth Oberhänsli, 80 Jahre
«Ich war überrascht, wie viele Fastentücher sich im Lauf der Jahre angesammelt haben und wie unterschiedlich die Themen darauf sind. Nicht alle Sujets konnte man einfach so brauchen. Ich machte erste Schnittmuster, die je nach Bedarf abgeändert wurden, da man sich nach den Bildern richten musste. Menschen, die auf dem Kopf stehen oder religiöse Motive, die nicht jede:r durch die Strassen tragen mag, haben wir ausgelassen oder verändert. Das war oft recht schwierig. Ich finde es gut, diese Menge an Material so neu zu verwenden, denn einfach wegwerfen ist keine Lösung.» 

Isabelle Jeitziner, 87 Jahre
«Ich habe viele Fastentücher mit biblischen Gestalten umgenäht, etwa «Brot und Rosen», «Biblische Frauengestalten – Wegweiser zum Reich Gottes», «Ich bin, weil Du bist» und das schöne blaue Tuch «Mensch, wo bist Du». Ich habe keines davon speziell ausgewählt. Beim Zuschneiden habe ich darauf geachtet, die Stoffe so gut wie möglich einzuteilen, um die Tastentücher maximal auszunutzen und dabei keine Köpfe, Arme oder Beine von Figuren abzuschneiden. Am meisten Freude bereitete es mir, die Taschen aus den zugeschnittenen Motiven zusammenzusetzen. Entstanden sind Einkaufstaschen in verschiedenen Grössen und Formen. Die kleineren kann man sehr gut als Geschenktäschchen verwenden.» 

Edith Blättler, 79 Jahre
«Fürs Umnähen der Fastentücher suchte ich die Stoffe nach den Farben  heraus, die mir gefielen. Daheim fertigte ich nach einem einfachen Schnittmuster erst um die 20 Taschen  an. Die  neueren Fastentücher reichten für je etwa sechs Taschen. Als ich es leid war, wie am Fliessband immer dasselbe Modell zu nähen, begann ich, aus den  älteren,  kleineren Fastentüchern stabilere Taschen zu machen. Fürs Futter verwendete ich knallige unifarbene Stoffe aus meiner eigenen Kiste und  nähte  dazu passende Henkel. Das verlieh den Taschen richtig Pfiff. Jede bekam ein kleines «handmade»-Etikett, und aus den Tuchresten habe ich kleine Einstecktäschchen für Schmuck oder Handys angefertigt.»

Verkauf der Taschen
10. März, 11.30 bis 13.30 Uhr, Pfarrei St. Michael, Wabern (Grossetstrasse 8)
17. März, 11.30 bis 13.30 Uhr. Pfarrei St. Michael, Wabern
26. März, 11.30 bis 13.30 Uhr, Reformierte Schlosskirche Köniz (Muhlernstrasse 1)

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