Hubert Kössler ist Co-Leiter Seelsorge am Berner Inselspital. Bild: zVg

«Bleiben Sie gesund»

Interview mit dem Co-Leiter Seelsorge am Inselspital Bern, Hubert Kössler.

Hubert Kössler ist Co-Leiter Seelsorge am Inselspital Bern. Wie ist die Stimmung? Ist Seelsorge überhaupt möglich?

Interview: Andreas Krummenacher

Wie sieht Ihr Tagesablauf als Inselspitalseelsorger aus?

Wenn wir am Morgen in die Insel kommen, wissen wir nie genau, was uns an diesem Tag erwartet: Wird es ein turbulenter Tag? Werde ich Menschen in Ausnahmesituationen begegnen? Oder wird es eher ruhig, habe ich mehr Zeit für administrative Aufgaben? Wir leisten den regulären Dienst auf den Stationen und sind dort für die Patientenbetreuung zuständig. Wir betreuen zurzeit weniger Angehörige, denn diese dürfen das Spital nur in Ausnahmesituationen betreten. 

Wie fühlt es sich an, jetzt im Inselspital zu arbeiten?

Sehr vieles ist anders als sonst: Es sind weniger Menschen auf den Gängen unterwegs; viele tragen Gesichtsmasken; man vermeidet räumliche Nähe. Man berührt den Liftknopf nicht direkt, sondern mit dem Ellbogen. Im Moment (25. März – vielleicht ist das, wenn dieses «pfarrblatt» erscheint, ganz anders) sind noch nicht sehr viele COVID-19-Patient*innen hospitalisiert, aber das Spital bereitet sich darauf vor, dass es viele werden könnten. Viele sind besorgt – auch ich. Wir fragen uns als Spitalmitarbeitende: Welchem Risiko setzen wir uns aus? Wie können wir die Patient*innen vor einer möglichen Ansteckung durch uns schützen? Gleichzeitig wird mir als Seelsorger gerade jetzt die Bedeutung unseres Auftrags ganz besonders bewusst: Wir sind da für die spirituelle und religiöse Begleitung und Unterstützung von Menschen in Krisensituationen.

Gibt es viele verunsicherte Patient*innen?

Die Verunsicherung ist ohnehin da: Werde ich wieder ganz gesund? Wie ist der Verlauf? Wann darf ich das Spital verlassen? Nun kommt noch die Ungewissheit dazu, wie es mit der Pandemie weitergeht, und ob ich als Patient*in zusätzlichen Gefahren ausgesetzt bin.

Ist Seelsorge mit Vermummung überhaupt möglich?

Zunächst einmal bin ich überzeugt davon, dass nicht nur wir Seelsorgenden Sorge zu den Patient*innen tragen: Auch viele Pflegende, Ärzt*innen und die anderen Berufsgruppen sind für die Patient*innen und Angehörigen da, unterstützen sie, hören ihnen zu, tragen ihre Ängste mit und trösten sie dort, wo es geht. Was die Sicherheitsvorschriften angeht: Wir übernehmen die Auflagen des Spitals. Je nach Situation muss man sich unterschiedlich schützen. Abstand, Gesichtsmaske und Händedesinfektion sind selbstverständlicher Standard, der im Kontakt mit positiv getesteten Patient*innen verschärft wird: Überschürzen, Handschuhe. Wir experimentieren dort, wo es geht, auch mit alternativen Formen von «Seelsorge» und bieten z. B. Telefonberatungen an.

Betreuen Sie auch Mitarbeitende?

Das gehört zu unserem Kernauftrag. Für manche Pflegende ist es schon hilfreich, dass wir überhaupt da sind – das hören wir zurzeit immer wieder: «Gut, dass ihr da seid.» Einzelne Mitarbeitende, aber auch Teams wenden sich an uns, wenn die Situation belastend ist. Da arbeiten wir auch mit Sozialarbeitenden, Psycholog*innen und der Personalberatung zusammen.

Worüber möchten die Menschen sprechen?

Bis jetzt haben wir noch nicht viel spezifische Erfahrung mit COVID-19-Patient*innen. Grundsätzlich kann man sagen: Patient*innen, die in einer kritischen Situation sind, wollen oft über ihre Sorgen und Ängste, über Perspektiven und das Verhältnis zu ihren Angehörigen sprechen: Ist da noch etwas offen? Ist alles Wichtige gesagt? Vielfach geht es auch um eine Art Lebensbilanz: Worauf bin ich stolz? Was würde ich heute anders machen? Mir fällt auf, dass die Mitarbeitenden sich oft mit dem Gruss «Bleiben Sie gesund» verabschieden. Das ist neu. Auf mich wirkt es wie ein kurzer, säkularer Segen. Ich lasse mich gerne davon segnen.

Lesen Sie dazu auch unsere Kolumnen der Spitalseelsorge

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